Welche Dimensionen hat der illegale Tierhandel in Deutschland?
von Bastian Schlange, CORRECT!V
„Kriminalität findet immer im Verborgenen statt. Man kann ihr Ausmaß nur erahnen“, sagt Jörg Lippert vom Landesumweltamt in Brandenburg, „Aber wir wissen aus Angeboten, dass das große Mengen sein müssen.“ Lippert ist seit über 25 Jahren im Artenschutz tätig und geht von zehntausenden Tieren aus, die jedes Jahr illegal in ganz Deutschland der Natur entnommen werden. Millionenbeträge werden dabei umgesetzt.
Axel Hirschfeld vom Komitee gegen Vogelmord sagt: „Stellenweise hat der illegale Handel mafiöse Strukturen. Wenn man sich allein die Gewinnspannen anguckt, die im Handel mit geschützten Tieren in Deutschland möglich sind. Die sind teilweise so hoch wie im Drogenhandel. Dennoch ist die Chance erwischt und bestraft zu werden, für einen solchen Händler in Deutschland sehr sehr gering.“
2014 erfasste das BKA insgesamt 6.719 Straftaten gegen das Tierschutzgesetz. Verstöße gegen den Artenschutz fallen da genauso in die Statistik wie der getretene Schäferhund oder die Zuchtpute, die in ihren eigenen Exkrementen erstickt. Lippert sagt: „Viele Staatsanwälte und Richter scheuen sich, härter gegen Artenschutzkriminalität vorzugehen. Es ist für sie in der Regel eine sehr fremde Materie, da fehlt die entsprechende Einordnung.“ Bei Verbrechen nach §§ 71 und 71 a des Bundesnaturschutzgestzes kann eine Höchststrafe von bis zu 5 Jahren verhängt werden. Das sei in den letzten drei Jahrzehnten in Deutschland kein einziges Mal passiert.
Wer sind die Käufer?
Heimische Tiere – Buchfinken, Teichfrösche, Rotkelchen – wer interessiert sich für so etwas? Sicherlich ein anderer Menschenschlag als die Käufer von Exoten. Eine Schlingnatter ist keine Boa Constrictor, ein Zeisig keine Grünwangenamazone. Heimische Tierarten gehören nicht zum grellen Mainstream, dennoch existiert eine treue und traditionsbewusste Anhängerschaft. Wir boten – neben der eigentlichen Recherche – auf einer Verkaufsplattform zum Schein Äskulapnattern und Laubfrösche an. Innerhalb eines Tages gingen bei uns zwei Dutzend Mails ein. Die Nachfrage ist größer als das Angebot – so werden heimische Arten zum teuren Gut und interessant für die Schwarzmärkte.
Hinzu kommt der Sammler-Aspekt: Ob man nun Comics, Briefmarken oder eben Echsen sammelt. Das, was selten und ungewöhnlich ist, ist begehrt. „Alle Tiere, die Raritäten darstellen, die kurz vor dem Aussterben stehen, bei denen man annehmen kann, dass es sie bald nicht mehr geben wird – das will ein Sammler haben. Das sind die blauen Mauritius“, erklärt Detlef Knuth, Direktor des Naturkundemuseums in Potsdam.
Unter seinen Exponaten landen auch immer wieder beschlagnahmte Opfer von Wilderei, so wie 7200 Eier zum Teil seltenster und mittlerweile ausgestorbener Vögel, die ein Lehrer aus Potsdam aus der Natur geraubt hatte. Der Schwarzmarktwert einzelner dieser Eier liegt bei rund Zehntausend Euro.
Dieser Beitrag stammt von „Bastian Schlange, CORRECT!V„. Der illegale Tierhandel in Deutschland wurde von CORRECT!V recherchiert.
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