Tatort Natur – Naturschutzkriminalität in Bayern

Von Franziska Baur

Tatort Natur ist ein Kooperationsprojekt des Landesbundes für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) und der Gregor Louisoder Umweltstiftung (GLUS). Naturschutzkriminalität ist die illegale Verfolgung oder Tötung geschützter Wildtiere wie bedrohter Luchse, Fischotter oder Greifvögel. Ein Großteil der Fälle bleibt unentdeckt, ungeklärt und ist für die Täter folgenlos.  Tatort Natur Logo Naturschutzkriminalität  Ein maßgeblicher Grund ist das Informationsdefizit über den Straftatcharakter solcher Taten, die nicht nur gegen Natur- und Tierschutzgesetze verstoßen, sondern häufig auch die Sicherheit der Bevölkerung gefährden. LBV und GLUS starteten deshalb 2019 das Projekt „Tatort Natur“.

Die Webseite www.tatort-natur.de enthält zahlreiche Hintergrundinformationen und eine Tatortkarte mit den bislang erfassten Fällen. Die Bevölkerung ist aufgerufen, anhand der Checkliste verdächtige Funde von toten Tieren, Ködern oder Fallen online zu melden, damit die Tatumstände möglichst zeitnah und vollständig dokumentiert werden können – die Grundlage für eine ordnungsgemäße Strafverfolgung. In der bayernweiten Datenbank werden alle Fälle von Naturschutzkriminalität gespeichert – auch Verdachtsfälle. Als erste Anlaufstelle für betroffene Behörden werden eine fachliche Unterstützung und spezielle Fortbildungsangebote für die Bayerische Polizei bereitgestellt.

Erfahrungsgemäß handelt es sich häufig um Jäger, Geflügel- und Taubenhalter, die in Greifvögeln oder Luchsen unliebsame Gefahren für ihre Schützlinge oder für Niederwild sehen. Auf der anderen Seite treten immer wieder „Hundehasser“ in Erscheinung. Auch Angler und Teichwirte werden gegen Kormorane oder Fischotter aktiv. Natürlich vergiftet nicht jeder Jäger Greifvögel und nicht jeder Taubenzüchter stellt Habichtfangkörbe auf. Aber umgekehrt stimmt es eben: In nahezu allen Fällen, bei denen es bisher Verurteilungen gab, handelte es sich um die erwähnten Personengruppen.

 

Tödliche Methoden

 

Gängige Methoden sind Vergiftung, Fallen, Beschuss und Aushorstung beziehungsweise das Entfernen von Gelegen oder des Horstbaumes. Das Auslegen von Giftködern ist eine besonders heimtückische und zugleich die gängigste Methode. Der weltweit am häufigsten verwendete Giftstoff ist Carbofuran, gefolgt von Aldicarb. Die starken Nervengifte wurden in der Landwirtschaft als Insektizide eingesetzt. Diese Substanzen können durch Untersuchungen in einem Speziallabor nachgewiesen werden.

Carbofuran ist seit 2007 EU-weit verboten (bereits der Besitz!), kann jedoch online erworben werden – in vielen Kellern sind auch noch Restbestände vorhanden. Da es sehr schnell wirkt, finden sich vergiftete Aasfresser meist in der Nähe des Köders, oft noch mit Nahrungsresten am Schnabel oder Maul. Für Mensch und Haustier wirken die Stoffe als Kontaktgifte, bei denen bereits Hautkontakt lebensgefährlich ist!

 

Die Fallenjagd ist mittlerweile stark reglementiert, aber weder der Besitz noch der Handel mit jeglichen Arten von Fallen sind verboten. Nur die Verwendung bestimmter Fallentypen ist illegal und steht unter Strafe. In Bayern sind Totschlag- oder Lebendfallen unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Fallen mit Lebendködern sind streng verboten, ebenso sogenannte Tellereisen.

 

Betroffene Tierarten

Bedrohter Luchs

Bis Ende des 19. Jahrhunderts in fast ganz Europa ausgerottet, werden Luchse noch immer illegal getötet, was ihren Fortbestand bedroht. Trotz großer Anstrengungen von polizeilicher Seite konnte bisher kein Täter verurteilt werden. Auch wenn nach jahrelanger Stagnation ein leichtes Wachstum der ostbayerischen Population verzeichnet werden kann, wären dringend Lebensraum-Trittsteine notwendig, um die isolierten Vorkommen miteinander zu verbinden.

Bild: Franziska Baur

 

„Störenfried“ Rotmilan

Die Hälfte aller weltweit vorkommenden Rotmilane lebt hierzulande. Wir tragen daher eine besondere Verantwortung für diesen streng geschützten Greifvogel. Um zum Beispiel eine Baugenehmigung für Windenergieanlagen zu erhalten, werden die „Störenfriede“ mancherorts gezielt getötet oder ihre Horste zerstört.

 

Hungriger Fischotter

Wegen seines gesunden Appetits auf Fisch, seines Fells und Fleisches wurde der Fischotter bis auf wenige Einzeltiere ausgerottet und ist nun dabei, sich auf natürliche Weise zu erholen. Das Tier ist Leitart funktionierender Gewässer-Ökosysteme. 2014 wurden im Landkreis Cham drei Fälle illegaler Tötung bekannt (darunter durch Ertränken). Dabei gibt es in Bayern einen Ausgleichsfonds für Schäden und Präventionszahlungen für Schutzmaßnahmen.

 

Totes Tier gefunden?

Häufig werden bereits bei den ersten Schritten eines Verdachtsfalls Fehler gemacht, die einen Ermittlungserfolg erschweren oder unmöglich machen.

 

Die Gesetzeslage

Das Bundesnaturschutzgesetz stellt bestimmte Tierarten unter strengen Schutz. Es verbietet, diese Arten zu stören, ihre Fortpflanzungsstätten zu beschädigen sowie ihnen nachzustellen oder sie zu töten. Ein Vergehen nach Paragraf 71 Bundesnaturschutzgesetz (BNaSchG) kann ein Strafmaß von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe beziehungsweise bis zu 50.000 Euro Geldstrafe nach sich ziehen – ebenso den Entzug von Waffen- und Jagdschein sowie der Waffenbesitzkarte.

Je nach Tierart verstößt der Täter auch gegen das Bundesjagdgesetz. Manche geschützten Tierarten sind dort verankert, jedoch ganzjährig geschont. Weiterhin gilt jede Tat, die einem Tier unnötig Schaden zufügt, als Verstoß gegen das Tierschutzgesetz (Paragraf 1). Vergehen gegen diese Gesetze sind ernstzunehmende Straftaten. Geraten wird daher umgehend die Polizei zu verständigen. Die Behörden sind bei Vorliegen eines Straftatverdachts verpflichtet, unverzüglich alle erforderlichen Maßnahmen zur Beweissicherung zu treffen. Naturschutz- und Jagdbehörden der Kreisverwaltungen sind nicht für die Aufklärung von Straftaten zuständig, können die Ermittlungen jedoch unterstützen. Oft wird behauptet, Arten, die dem Jagdrecht unterliegen, dürften nur mit Erlaubnis des Jagdpächters aus dessen Revier entfernt werden. Dies ist bei Vorliegen eines Verdachts auf illegale Verfolgung nicht der Fall. Die Sicherung der Tiere als mögliches Beweismittel in einem Strafverfahren ist ein höheres Rechtsgut als das jagdliche Aneignungsrecht (wenn innerhalb 3 Tage der Fall gemeldet wird).

 

Straftaten erkennen

 

GIFT

– Mehrere Opfer auf engem Raum.

– Verdächtige Köder, mit bläulichem Granulat/rosa Flüssigkeit: Teile von Huhn, Taube, Kaninchen, Reh, „Gifteier“, Innereien etc.

– Nahrungsreste, Schleim oder Blut im Schnabel beziehungsweise Maul.

– Verfärbung der Mundschleimhaut, chemischer Geruch.

– Verkrampfte Fänge oder Gliedmaßen.

– Tote Aaskäfer und Fliegen(-maden) am Kadaver.

Bild: Dieter Aichner

BESCHUSS

– Schäden in den Federn.

– Einschusslöcher, zum Beispiel durch Schrot, zwar äußerlich kaum erkennbar, jedoch auf einem Röntgenbild deutlich zu sehen

Naturschutzkriminalität

Bild: Komitee gegen Vogelmord e.V.

 

FALLEN

– Verdächtige Fangkörbe, unter Umständen mit Lebendköder, zum Beispiel einer Taube.

– Tellerfallen oder Drahtschlingen

Naturschutzkriminalität

Bild: Komitee gegen Vogelmord e.V.

 

Gefährliche Entwicklungen bei der Naturschutzkriminalität

Wie dramatisch die Situation nach wie vor ist, wurde deutlich, als im Landkreis Landshut kurz vor Ostern ein mit Carbofuran präpariertes Hühnerei gefunden wurde. Prof. Hermann Ammer, Leiter des Lehrstuhls für Toxikologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München: „Carbofuran ist für Menschen, insbesondere für Kinder, sowie für Haus- und Wildtiere ein hochwirksames Kontaktgift. Jede Berührung oder Aufnahme kann eine lebensgefährliche Vergiftung hervorrufen.“

Auch 2019 wurde eine Reihe von Fällen registriert, angezeigt und in die Öffentlichkeit gebracht. Regionalen Medien, landesweit das Bayerische Fernsehen und bundesweit der ARD-„Report München“ berichteten über das Projekt. Die Fälle verteilten sich über den ganzen Freistaat, jedoch sticht der Landkreis Cham heraus: Ein Schwarzmilan, zwei Mäusebussarde und 35 Stare wurden tot aufgefunden. Insgesamt wurden dort seit 2017 mehr als 60 getötete Vögel, die nachweislich durch Abschuss oder Vergiftung verstarben, registriert. Die Dunkelziffer liegt vermutlich um ein Vielfaches höher.
Eine BirdLife Studie (2017) zum Ausmaß illegaler Verfolgung von Vögeln in Europa ergab, dass in Deutschland zwischen 53.000 und 146.000 Vögel jedes Jahr illegal getötet werden. Im Vergleich zur geschätzten Gesamtzahl von 12 bis 38 Millionen illegal getöteter Vögel pro Jahr in Europa, Nordafrika und dem Nahen Osten, ist die deutsche Zahl zwar gering, trotzdem jedoch unserer Meinung inakzeptabel hoch.

 

Naturschutzkriminalität – Erster Bayerischer Luchsprozess

Anfang des Jahres fand am Landgericht Regensburg die Berufungsverhandlung gegen einen Jäger aus dem Landkreis Cham statt. Dieser war wegen des Besitzes illegaler Waffen und des vorsätzlichen Nachstellens von mindestens einem Luchs angeklagt und in erster Instanz für schuldig befunden worden. Beeindruckend blieb die professionelle Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft in diesem langwierigen Verfahren (2015-2020): Wie bei einer Mordermittlung fertigten die Behörden aufwändige, forensische und ballistische Gutachten an. In der Hauptsache wurde das Verfahren vom Gericht jedoch eingestellt, weil weder die illegale Nachstellung noch der Tatzeitpunkt zweifelsfrei nachgewiesen werden konnten.

In der Rückschau bewertet „Tatort Natur“ die gesamte Verhandlung trotzdem positiv, denn die Bayerische Polizei hat durch ihre intensive Arbeit eindrücklich belegt, dass die illegale Verfolgung hoch bedrohter Arten kein Kavaliersdelikt ist, sondern eine Straftat. Zudem zeigen die aktuellen Luchsbestandszahlen eine positive Entwicklung, die mit hoher Wahrscheinlichkeit der geringeren illegalen Verfolgung seit den umfangreichen Ermittlungen in diesem Verfahren zuzuschreiben ist. Dennoch ist der Luchs auf der Roten Liste Bayern als „vom Aussterben bedroht klassifiziert“.

 

Naturschutzkriminalität – Blick über den Tellerrand: Spürhunde im Einsatz

Trotz der hiesigen, intensiven Polizeiarbeit in Sachen Luchs ist der Einsatz für heimische, streng geschützte Wildtiere noch ausbaufähig: Ermittlungsbehörden anderer Länder fahren im Kampf gegen Naturschutzkriminalität „härtere Geschütze“ auf: Zum Beispiel speziell ausgebildete, gut ausgestattete Anti-Wilderer-Einheiten, die in  Wilderei-Hot Spots mit Spürhunden patroullieren. In Italien gibt es die „Bear Dog-Teams“, in Zambia beschützen Waffenspürhunde die letzten Nashörner und in Österreich machen Carbofuran-Spürhunde Tätern den Garaus. Die Hundenase ist eine Geheimwaffe, die bisher noch viel zu wenig in der Bekämpfung gegen Naturschutzkriminalität Beachtung findet: durch deutlich mehr Riechzellen können Caniden bis zu 1 Million mal besser als Menschen riechen. Weitere Vorteile sind, dass sie sehr effizient und kostensparend arbeiten: in kurzer Zeit kann eine enorme Fläche sehr zuverlässig nach geringsten Konzentrationen von Gift abgesucht werden – wetter- und geländeunabhängig. Auch sind Fährten direkt zum Täter/Hausdurchsuchungen möglich. Hinsichtlich Giftopfer kann ein gut ausgebildeter Spürhund wie eine Art „Schnelltest“ agieren: auch bei fehlenden äußeren Anzeichen, zeigt dieser sofort an – mit einer 95%-igen Trefferquote. Durch die Suche nach dem Giftköder können unmittelbar weitere Opfer vermieden werden und der Strafverfolgungsprozess früher beginnen. Dies alles spart enorme Manpower. Zudem wirkt der Einsatz von Mensch-Hund-Teams erfahrungsgemäß äußerst abschreckend und ist ein sehr vielversprechender und zukunftsträchtiger Baustein im Kampf gegen Naturschutzkriminalität.

 

Bild: Franziska Baur

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