Der Wolf im Spannungsfeld von Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Tourismus und Artenschutz von Klaus Hackländer (Herausgeber) – Teil 7

 

Teil 7 Reguliert der Wolf das Schalenwild von Christine Miller

Dr. Christine Miller ist Wildtierbiologin und Journalistin aus Bayern. http://www.christine-miller.de/

Christine Miller sieht den Wolf als Projektionsfläche – für Gut und Böse. Den übertriebenen (gute) Einfluß auf Waldentwicklung und tropische Kaskaden sieht sie kritisch. Da Studien oft nur kurze Aspekte im Gesamtsystem betrachten. Zentral ist natürlich die gegenseitige Einflussnahme zwischen Jäger und Beute. In einer Untersuchung an der Universität für Bodenkultur in Wien wurde versucht die Vielzahl an weltweiten Studien zusammenzutragen und die Einflussnahme von Wölfen auf Schalenwild herauszuarbeiten. 200 Studien wurde dazu näher betrachtet.

Einfluss von Beutegreifern

Fünf ebenen definiert Miller, auf denen Wölfe direkte und indirekt Einfluss auf Beutetiere nehmen.

  1. Stressreaktionen mit Auswirkungen auf Stoffwechsel, Immunsystem, Fortpflanzung
  2. Verhaltensreaktion mit Auswirkung auf Einstände, Wachsamkeit, Raum- Zeit-Nutzung, Sozialgefüge
  3. Dynamik Beutepopulation mit Auswirkung auf Sterblichkeits- und Geburtenrate
  4. Konkurrenzverhältnisse mit Auswirkung auf das Artengefüge
  5. Evolutionsprozesse mit Auswirkung auf genetische Veränderung/Erbanlagen

Gerade die letzten beiden Punkte bedürfen eines langen Betrachtungszeitraumes.

Können Wölfe krank machen?

In der Wildbahn ist es ein ewiges fressen und gefressen werden. Miller ergänzt hier den schönen Satz “Das Leben in der Natur ist kein Ponyhof.“
Anmerkung am Rande: Wer schonmal auf einem Ponyhof war, weiß, dass es auch hier ein Hauen und Stechen gibt. Zwischen den Ponys und auch zwischen den großen und kleinen PonyliebhaberInnnen…

Kurz: Stress gehört zur Natur der Sache. Es gibt wenige Studien, eine davon in Polen, die sich mit der Auswirkung von Stress (und ob dieser in wie weit überhaupt erfolgt und wie lang er anhaltend ist) auf Stoffwechsel, Immunsystem, Nahrungsaufnahme etc. befassen. Die polnische Studie zeigte, dass Rot und Rehwild in Wolfsgebieten weniger Stresshormone freisetzte als in  Gebieten mit hohem menschlichen Jagddruck.

Anmerkung: Im Nationalpark Bayerischer Wald läuft derzeit eine Arbeit über das Verhalten von Schalenwild in Gebieten mit und ohne Beutegreifer und it und ohne Jagd. Mehr dazu hier: https://www.nationalpark-bayerischer-wald.bayern.de/forschung/projekte/raubtiere_wald_wild_konflikt.htm

Wölfe als Auslöser von Verhaltensänderungen

Beutegreifer wollen nicht gefressen werden. Ganz logisch eigentlich. Dafür bildeten sich im Lauf der Zeit grundlegende Verhaltensmuster heraus:

  1. Aufmerksamkeit, wenn notwendig: fliehen
  2. Wahl der Aufenthaltsorte (Ruhe, Fressen) nach Aspekten: guter Überblick oder gute Versteckmöglichkeit
  3. Änderung Sozialgefüge: größere Gruppen oder auch kleiner Gruppen
  4. Raum-Zeit Gefüge: andere Zeiten, Flächen variieren, um „unerechenbar“ zu bleiben

All diese Möglichkeiten können in unterschiedlicher Intensität und Zeitdauer auftreten. Ob sich Hirsche nach erfolgtem Riss dauerhaft aus einem Gebiet zurückziehen oder kaum reagieren ist nicht pauschal vorhersehbar.

Haben Wölfe einen Einfluss auf die Auswahl von Gebieten ihrer Beutetiere? Wieder zieht Miller die polnische Studie heran: hier meidet Rotwild dichte, unübersichtliche Bereiche zum Fressen. Nicht zu unterschätzen ist auch der menschliche Einfluss. „…Wolfsgebiete werden von Rotwild nicht generell gemieden.“
Beispiel aus den Karpaten zeigt, dass es im Sommer keine Strategieänderung gab. Im Winter gab es zwei Varianten: Verbleib in Hochlagen über 700m mit Aufsuchen risikoarmer Gebiete oder Schutz durch größere Gruppe. Oder Abwanderung in niedrigere Lagen mit weniger Futterverfügbarkeit, aber geringerem Risiko eines Wolfsangriffes.

Anmerkung: Sicherlich stellen Wildtiere keine klassische Kosten-Nutzen Kalkulation auf. Dennoch gibt es eine Art Abwägen zwischen Risiko und Vorteil, die das Verhalten der Tiere beeinflusst.

Es gibt Studien die zeigen, dass Beutetiere /Rotwild/Wapiti bei Wolfspräsenz Offenflächen eher nutzen, aber auch die Untersuchungen, die das Gegenteil herausgefunden haben.
Wir merken an (wie schon oft in dieser Reihe): alles Natur… es kommt eben drauf an…

Erfahrungen aus Niederachsen zeigen, dass die Rotwildgruppen eher in offenes Flächen wandern. Ein natürliches Verhalten, dass ihnen besseren Überblick und Fluchtmöglichkeiten schafft. Untersuchungen aus dem italienischen Alpenraum zeigt allerdings, dass Risse v.a.  in steilem offenem Geländer stattfand. Daraufhin verschoben sich die Aktivitäten der Beutetiere in waldreichere Gebiete.

In Deutschland werden eher größere Rotwildrudel beobachtet, im Vergleich zur Zeit vor der Wiederbesiedlung durch den Wolf. Dies gilt vor allem für offenen Landschaften. Es scheint aber unterschieldich hohe Dichten in unmittelbarer Nähe zueinander zu geben, wie aus Befragungen von Jägern, Förstern und Wissenschaftlern in Deutschladn und der Solwakei hervorgeht. Einheitlich ist, dass die Tiere aufmerksamer werden und vermehrt sichern. Sie zeigen größere fluchtdistanzen und reagieren auf geringe Störungen. Ihr verhalten wird unregelmäßiger. Manchenorts bilden sich Großrudel, die sich teils nur zur Futteraufnahme zusammenschließen, dann wieder aufteilen. Es kommt aber auch zur Bildung kleinerer Rudel, die mobiler und weniger sichtbar sind.

Die Verteilung vieler Winterfütterungen erscheint Miller sinnvoll, da nach Rissereignissen die Tiere die Futterstelle wechseln können. Wintergatter seien nicht emrh sinnvoll. Eine gute Zäunung der Flächen ist nahezu unmöglich.

Mehr Wölfe weniger Wild?

Die Entwicklung der Rotwildpopulation ist nicht klar vorhersehbar.  Viele Faktoren spielen eine Rolle. Da die Populatioszahl der Beutetiere oftmals schlecht zu analysieren ist, ich auch eine Einwirkung auf die Anzahl durch den Wolf schwer zu sagen.
Einfluss besteht nicht nur durch das Gefressenwerden, sondern auch durch Risikoeffekte, wie sie Miller nennt: Verhaltensänderung, Energieaufwand, Auswirkungen auf Fitness der Beutetiere (in Folge dann Parasiten, Krankheiten). Auch dei Bejagung durch den Menschen spielt eine Rolle.

Einfluss auf kleinere Schalenwildarten

Damwildvorkommen in Ostdeutschland sind mit Anwesenheit der Wölfe zurückgegangen. Hier spielt wohl Die „Ortstreue“ der Tiere eine Rolle.
Gämsen sind laut Miller rückläufig. Unabhängig vom Wolf. Die Anweseneheit großer Beutegreifer wird diese Populationen weiter belasten.
Muffelwild verschwindet in Regionen mit Wölfen.
Wildschweine sind gerade in den Westalpen und dem Apenin eine Hauptbeute der Wölfe. Wölfe richten ihre Hauptbeute nach der Verfügbarkeit. Ob Wölfe hier einen Einfluss auf die opulationsentwicklung der Wildschweine haben ist nicht klar.

Trophische Kaskade

Wölfe als Hetzjäger selektieren. Schwache Tiere fallen ihnen leichter zum Opfer. Wölfe können Strukturen in der Landschaft (auch menschengemachte) nutzen, um Beute zu machen. Die Gesundheitswirkung (in dem schwache Tiere herausgenommen werden) von Wölfen ist also wieder abhängig von Landschaft, Aufenthalt der Beutetiere, Dichte.

„Wir sollten uns hüten, einzelne Arten mit unseren Vorstellungen, Wünschen und Sehnsüchten zu belasten.“

WEITER ZU TEIL 8

 

 

 

 

 


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