Warum werden Luchse getötet?
Er frisst Rehe und Schafe, seine Anwesenheit macht die Jagd auf Wild nicht einfacher. Doch die Gründe einen Luchs zu töten sind vielschichtig. „Die Bereitschaft zu illegalen Abschüssen von Luchsen“, damit haben sich Dr. Micha Herdtfelder* und Prof. Dr. Ulrich Schraml* in einer wissenschaftlichen Arbeit auseinandergesetzt.
Der Schutz durch nationale und internationale Abkommen und Gesetze scheint nicht auszureichen. Obwohl der Luchs streng geschützt ist werden Tiere vergiftet oder erschossen aufgefunden. „Nahezu alle Populationen leiden unter illegalen Tötungen“, meinen die Autoren dazu. Doch was verleitet dazu ein geschütztes und in der heimischen Population stark gefährdetes Tier zu töten? In der breiten Bevölkerung gibt es hierfür keine Anerkennung. Ein Täter macht sich strafbar und geht ein hohes Risiko ein. Im Falle einer Überführung drohen Entzug des Jagdscheines, Geld- und mögliche Haftstrafe. Herdtfelder und Schraml bemühten für ihre Untersuchungen ein Modell aus der Rechtssoziologie, denn hier greifen keine reinen wildtierbiologischen, landwirtschaftlichen oder jagdlichen Gründe. Es gibt nicht den einen Grund warum der Luchs – oder auch eine andere geschützte Wildart – getötet wird. Dementsprechend sind auch die Bemühungen, derartige Taten zu minimieren, komplex. An vielen Stellschrauben muss gedreht werden. Wer mit wem warum wann und wo… In 50 Veranstaltungen mit Jägern, Naturschützern, Landwirten und Förstern wurden Bereiche herausgearbeitet, an denen geschraubt werden muss.
Wo können Behörden, Vertreter aus Landwirtschaft, Jagd und Naturschutz ansetzten?
Je weiter der Täter von den Vorstellungen seiner Gruppe abweicht, desto kleiner wird die Bereitschaft Tiere illegal zu töten. Niemand wird gern zum Außenseiter in der Gruppen von der er sich Akzeptanz und Anerkennung erhofft. „Normative Abweichung der Eigengruppe“ nennen das die Wissenschaftler. Dies ist ein Aspekt den jede Gruppierung schnell und einfach umsetzten können sollte.
Die Luchsdichte hat laut den Untersuchungen Einfluss auf die Bereitschaft Luchse zu töten. Die eigene Rechtfertigung für die Tat und die Gelegenheit dafür steigen an. „Vor diesem Hintergrund kann es für die Population von Vorteil sein, wenn das Management eine Bestandeskontrolle durch das legale Entfernen von Tieren vorsieht“, raten Herdtfelder und Schraml. In Bayern ist man von einer derartigen Diskussion weit entfernt. Im Gegenteil: durch die illegalen Entnahmen ist die Population derart gefährdet, dass bereits Stimmen für eine bestandstützende Wiederansiedlung laut wurden. Im Managementplan ist diese bislang nicht vorgesehen.
Das Monitoring, die fortschreitende Aufnahme und Dokumentation von Luchsen, ist ein wichtiger Baustein für Managementpläne und deren notwendige Anpassungen an sich verändernde Parameter. Hier sollten alle Gruppen einbezogen werden, meinen Herdtfelder und Schraml. So kann spezifisches wildtierbiologisches Wissen vermittelt werden, das in der Grundausbildung für den Jagdschein oder in den Arbeiten des Naturschutzes nicht behandelt wird. Ein nicht zu unterschätzendes Moment ist die „Qualität der Gruppeninteraktionen“. Will weißen: eine gemeinsame Planung und Durchführung fördern die Verantwortung, Identifikation und das gegenseitige Vertrauen. Die Erkenntnis ist nicht neu: augenscheinlich mag es um ein „Problemtier“ gehen, letztendlich geht es um die Befindlichkeiten einzelner Menschen und Interessensgruppen.
Derausführlichen Artikel mit Beschreibung weiterer Wirkungsmechanismen wie Wertschätzung der Beutegreifer, Handlungsspielraum der Jagd, Gesellschaftliche Wertschätzung der Jagd: HERDTFELDER, M., SCHRAML, U., (2012): Die Bereitschaft zu illegalen Abschüssen von Luchsen – ein Erklärungsmodell, Allg. Forst-und J.Ztg., 185. Jg., 7/8.
Vortrag Dr. Micha Herdtfelder: Bereitschaft zum illegalen Abschuß von Luchsen
Als PDF: Die Bereitschaft zu illegalen Abschüssen von Luchsen – von Micha Herdtfelder und Ulrich Schramel
*Dr. Micha Herdtfelder, Forstliche Versuchs-und Forschungsanstalt Baden-Württemberg
*Prof. Dr. Ulrich Schraml, Institut für Forst- und Umweltpolitik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
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