Der Wolf im Spannungsfeld von Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Tourismus und Artenschutz von Klaus Hackländer (Herausgeber) – Teil 6
Eine etwas andere Rezension.
Im digitalen Zeitalter und herausgefordert durch eine Ausgangsbeschränkung beschäftigt sich der Mensch gerne mit „Challanges“. Wir nehmen unsere selbst auferlegte Herausforderung an und … lesen ein Buch. Jeden Tag ein Stückchen weiter und parallel dazu lassen wir Euch an unseren Eindrücken, Gedanken und Ergänzungen dazu teilhaben. Wer Fragen hat, darf fragen. Wer sich auch äußern mag oder ergänzen, darf das auch gerne.
Teil 6 Die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen der Rückkehr des Wolfes
Anna Hinterseer, Andreas Niedermayr, Martin Kapfer, Jochen Kantelhardt
Heut wird’s betriebswirtschaftlich. Ein wichtiger Aspekt, denn Weidetierhaltung wird zwar in der Mehrheit als Liebhaberei betrieben (kleine Schafzüchter seltener Rassen etc.). Klassische landwirtschaftliche Betriebe müssen aber haushalten, abwägen und wirtschaften. Auch wenn Herzblut drinsteckt: auch hier kann keiner von Luft und Liebe (allein) leben. Das Kapitel ist sehr lang. Der interessierte Leser wird es selbst lesen. Wir fassen die einzelnen Abschnitte zusammen.
In Österreich werden 460.000 Tiere aus 40.000 Betrieben auf Almen getrieben. Es gibt 160 reine Schafalmen, Schafe kommen aber mitunter auch auf anderen Almen in gemischter Beweidung vor. Das Risiko eines Wolfsangriffes sinkt mit zunehmender Köpermasse des Beutetieres und Größe der Herde.
Herdenschutzmaßnahmen
Individuell muss abgeklärt und abgestimmt werden welche Maßnahme in welcher Kombination umsetzbar ist.
Herdenschutzzäune sollten optische und mechanische Abwehr sein. Strom ist unerlässlich. Jedes Land empfiehlt und fordert andere Maßstäbe hinsichtlich Höhe, Mindestspannung, Anzahl der Litzen etc. Wichtig ist v.a. einen möglichst geringen Abstand zum Boden zu halten. Offizielle Vorgaben für Bayern gibt es ausführlich beim Landesamt für Umwelt und in Kurzform bei uns auf der Homepage Bayern Wild.
Neben dem Bodenabstand muss auch die Höhe im Auge behalten werden: Einsprunghilfen wie Hang, Holzstapel etc. müssen ausgeschlossen werden.
Herdenschutzhunde sind eine weitere (zusätzliche) Option. Die Autoren erwähnen eventuelle Schwierigkeiten in stark touristischen Gebieten. Die Bevölkerung muss hier ausreichend aufgeklärt werden, diese Schutzmaßnahme verstehen und akzeptieren. Die Länder haben unterschiedliche Struturen zur Zucht und Prüfung von Herdenschutzhunden. Die Schweiz ist da weit vorne.
In Deutschland beschäftigen sich folgende Verbände damit:
https://www.ag-herdenschutzhunde.de/
https://www.va-herdenschutzhunde.de/
http://arbeitende-herdenschutzhunde.de/
Dauerhafte Behirtung kostet viel Zeit und Lohn. Trotzdem zeigt sich u.a. in der Schweiz eine gute Wirkung von Behirtung, Nachtpferch und Hunden.
Für Österreich wurde für Modellbetriebe eine Umsetzung und Kostenaufstellung hypothetisch versucht: Grundsätzlich sind Materialien für Zäue auf den Betrieben vorhanden, oftmals geht es um eine Aufrüstung nach Herdenschutzmaßstäben. Es werden nur die Differenzkosten betrachtet. Eine Generalisierung ist nicht möglich.
Anmerkung: Es werden ein paar Beispiele aufgeführt (Schafalm in zwei Varianten, Jungvieh, gemischte Almbeweidung). Wir erwähnen hier nur ein Beispiel.
Ein Beispiel ist die steile Hochalm mit Schafbeweidung. Verreichbarket nur zu Fuß. Bestoßung liegt bei 0,53 GVE/ha. (GVE Großvieheinheit; im Durchschnitt ist das eine Kuh). Gesamtalmfläche 588 ha, davon 135ha zu Beweidung nutzbar. 17 Betriebe treiben Tiere auf. Zaun nur im unteren Bereich auf Grundstücksgrenze.
Als geeignete Schutzmaßnahmen wird eine permanente Behirtung (2 Hirten) gesehen. Die Tiere werden nachts gepfercht. Die Hirten brauchen eine Unterkunft. Weiterer Schutz kommt durch Herdenschutzhunde. Konfliktpotential zwischen Herdenschutzhunden und Wanderern wird durch anwesendes Personal minimiert.
Für die jährlichen Differenzkosten werden zusätzliche Hilfsmittel für Personal aufgelistet: Unkosten für 3 Hütehunde, Zaunmaterial (Strom, Kabel, etc) Nachpferch. Die Hütehundkosten werden nur für die Dauer der Almzeit berechnet, da die Hunde den Hirten gehören. Für das Personal selbst fallen Kosten für die Unterkunft und Lohn an. Im Gegenzug fallen Fahrten und Zeit vom Betrieb zur Weidekontrolle weg.
Die Herdenschutzhunde sind betriebseigen und werden damit für das gesamte Jahr berechnet.
Durchschnittliche Mehrkosten pro Jahr für diesen Betrieb: 25.000€; (350€/GVE).
Anmerkung: Solche rein wirtschaftlichen Rechnungen sind wichtig, um in der Umstrukturierung von Weidesystemen einen Anhaltspunkt für notwendige Förderungen (und Forderungen) zu haben. Die Beispiele zeigen auch, wie wenig vergleichbar Aufwand und Kosten ist, je nach Tierarten, Voraussetzungen durch Lage, bereits vorhandenen Weidesystemen etc.
Schadensersatzzahlung bei Nutztierrissen
Die Autoren hantieren mit verschiedenen Wertansätzen: Verkaufs-, Ersatz, Ertragswert. Verkaufswert meint den Marktwert des Tieres. Ersatzwert meint die Kosten die durch Neubeschaffung/Neuproduktion entstehen. Ertragswert meint den Wert, der durch die Nutzung der Sache entsteht (also die Produktion von Lämmern, Fell, Fleisch…)
Die Schäden die durch Rissen entstehen werden in den Ländern unterschiedlich (oh Wunder… ;-( ) beglichen. Im Regelfall wird der Marktwert gezahlt. In Italien 60%, Schweiz 100%, Frankreich 110%. Hinzu kommen Kosten für Begutachtung, Bergung, Entsorgung… Verlammung (also Totgeburten), Ausfall weiterer Lämmer, Tierarztkosten, geringere Fitness und Leistung der Tiere (Zunahme, Milch…). Nicht alle Länder berücksichtigen bei der Entschädigung diese zusätzlichen „indirekten“ Kosten.
Anmerkung: Auch in Bayern orientiert sich die Schadensausgleichszahlung am Mark wert und kann unterschiedlich ausfallen, je nach Tierwert und Jahr. Zuständig dafür ist das Landesamt für Umwelt. Hier mehr darüber: https://www.lfu.bayern.de/natur/wildtiermanagement_grosse_beutegreifer/ausgleichsfonds/index.htm
Schlussfolgerung und Ausblick
Wie bereits beschrieben ist die Umsetzbarkeit von Herdenschutzmaßnahmen (unter wirtschaftlichen Aspekten) abhängig von den Grundvoraussetzungen (vorhandene Weidestruktur, Weideflächen) des Betriebes. Arbeitskosten, Investitionen uns laufende Kosten müssen in unterschiedlicher Höhe zusätzlich geleistet werden. Die Wirtschaftlichkeit sinkt mit höherer Investition. Es ist also eine Abwägung zwischen Investition und Schaden im Fall eines Risses. Investition in Herdenschutz ist keine Garantie, dass Risse gänzlich ausbleiben.
Derzeit sehen die Autoren keine ausreichende Kapazität an Arbeitskräften, Herdenschutzhunden und für zusätzliche Mehraufwand der Betriebe. Klar definierte Rahmenbedingungen fehlen.
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