Film „Auf der Jagd“ – wem gehört die Natur wirklich?

Beeindruckende Szenen und erfreulich unideologische Betrachtung der Jagd, aber in der zentralen Eingangsfrage auf der falschen Fährte…

Ein Kommentar vor Claus Obermeier

Auf der Jagd – der Film

Auf der Jagd – wem gehört die Natur?

Ein beeindruckender Film, der viele Fragen rund um die Jagd, das Töten von Tieren für den menschlichen Verzehr und den Konflikt Wald-Forst-Schalenwild hervorragend filmisch bearbeitet und daher absolut sehenswert. Mit beeindruckenden Tieraufnahmen, Jagdszenen von traditionellen Jägern, modernen Jägern und dem Wolf sowie interessanten Statements ganz unterschiedlicher Akteure vom Forstbetriebsleiter bis zum Wolfsbeauftragten. Viele  kommen aus Bayern, bei den zentralen Fragen werden Beispiele aus dem Bayerischen Bergwald eingespielt. Ein Film, der  die Lanze für eine ausgewogenene Betrachtung von Jagd und Jägern bricht. Aber leider führt er bei den zentralen Fragen der Ankündigung (Wem gehört die Natur? Den Tieren? Den Menschen? Oder sollte sie einfach sich selbst überlassen sein? Und gibt es sie überhaupt noch, die unberührte Natur?)  in die Irre und blendet in teilweise naiver Weise fast alles aus, was in den letzten 100 Jahren dazu geforscht, geschrieben und an Fortschritten erkämpft wurde..

Die Beantwortung dieser Fragen wird angekündigt, aber leider nicht einmal ansatzweise eingelöst. Gerade zu diesen spannenden Themen bleibt der Film bei Parolen stecken, wo seit Jahrzehnten die ökologische Forschung und diverse Naturschutzkonzepte Antworten geliefert haben – sowohl auf der wissenschaftlichen Ebene als auch anwendungsorientiert zum Management von Zielkonflikten in der Landnutzung bzw. zwischen Landnutzung und Wildtierschutz. So ist (weltweit) vielen Akteuren klar, dass in einer offenen demokratischen Gesellschaft diese Fragen mit teils weitreichenden Eingriffen in Eigentumsrechte nur in Grosschutzgebieten mit entsprechender Verordnung geklärt werden können, so zum Beispiel mit der die Beschränkung der maximalen forstlichen Nutzung in manchen Bereichen sowie mit der Einrichtung grosser Wildnisgebiete zugunsten des Wildtierschutzes im Staatswald. Klar ist aber auch, dass in anderen Bereichen großflächig eine effektive Forstwirtschaft möglich sein muss, um unseren Bedarf nach diesem nachhaltigen Rohstoff regional zu decken.

Dass die praktische Lösung bei besonders anspruchsvollen Themen wie dem Rotwild im Bergwald nicht einfach ist, sondern gut durchdachte und mit Elan umgesetzte großräumige Konzepte erfordert, wird zwar gestreift, aber eben nicht ausreichend dargestellt und führt daher zu einer unsinnigen Polarisierung.

Elch in Tschechien März 2014

Wild lebender Elch im Bayerischen Wald. Elch und Rothirsch können in Nutzwäldern hohe wirtschaftliche Schäden verursachen, indem sie die Triebe junger Bäume fressen oder die Rinde schälen. Alka Wildlife, Trans Lynx.

Statt also als Antworten auf die Eingangsfragen kompetente und ambitionierte Naturschutzkonzepte für den Staatswald und auch private Forste einzufordern, führt er die nicht weiter belegte Parole ein, dass mit der Erreichung des sogenannten Anthropozäns es keine „echte“ Natur mehr gäbe, sondern nur vom Menschen gesteuerte Systeme. Dazu blendet der Film zum zentralen Thema des Naturverständnisses des modernen Menschen fast alles aus, was in den letzten Jahrzehnten dazu im Zusammenhang mit der Wildnisdebatte an praktischen und ethischen Konzepten sowie philosophischen Betrachtungen geschrieben und diskutiert wurde, und versucht sie durch allgemeine extreme Parolen zu ersetzen.

Als Erstsemesterstudent im Studiengang Landschaftsökologie wurde mir vor vielen Jahren das schon damals ziemlich alte Büchlein „Ökologische Grundlagen des Umweltschutzes“ von Prof. Wolfgang Haber empfohlen, das auf entsprechende Veröffentlichung aus des 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts zurückgeht. Dort und in seinen umfassenden Veröffentlichungen zu Zielkonflikten in der angewandten Landschaftsökologie sowie aktuellen Studien zur großräumigen Interaktion von Wald, Schalenwild und großen Beutegreifern  aus dem Nationalpark Bayerischer Wald finden sich zum Beispiel die Grundlagen, um Antworten auf fachlich seriöser Weise zu den im Film dargestellten Konfliktlinien finden zu können. Denn diesen Anspruch sollten wir als moderne, in einer demokratischen offenen Gesellschaft arbeitenden Naturschützer haben.

Claus Obermeier ist Vorstand der Gregor Louisoder Umweltstiftung und vertritt sie auch im Netzwerk „Wildnis in Deutschland“.

Infos zum Film: http://www.wemgehoertdienatur.de 


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