Der Wolf im Spannungsfeld von Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Tourismus und Artenschutz von Klaus Hackländer (Herausgeber) – Teil 4
Eine etwas andere Rezension.
Im digitalen Zeitalter und herausgefordert durch eine Ausgangsbeschränkung beschäftigt sich der Mensch gerne mit „Challanges“. Wir nehmen unsere selbst auferlegte Herausforderung an und … lesen ein Buch. Jeden Tag ein Stückchen weiter und parallel dazu lassen wir Euch an unseren Eindrücken, Gedanken und Ergänzungen dazu teilhaben. Wer Fragen hat, darf fragen. Wer sich auch äußern mag oder ergänzen, darf das auch gerne.
Teil 4 Wolfsvorkommen in Österreich und seinen Nachbarländern von Georg Rauer
Dr. Georg Rauer ist Wolfsbeauftragter der Koordinierungsstelle für Braunbär, Wolf und Luchs am Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie an der Vet.med Uni in Wien.
Quellen der Wolfsausbreitung
Die Entwicklung der Wolfpopulationen in neuen Gebieten erfolgt rasch: 20 Jahre nach Bestätigung des ersten Wolfspaares in Deutschland sind 75 Rudel (2017/2018) in Deutschland ansässsig. Anmerkung: 2018/2019 sind es 105 Rudel. Auch in Italien und Slowenien steigen die Zahlen an, wenn auch weniger stark. In Italien leben Wölfe in den Westalpen. Sie wanderten aus dem Apennin ein. Auch in den Ostalpen leben Wolfsrudel. In Slowenien lebten 2016/2017 10-14 Rudel (dinarisches Gebirge). Die Angaben aus der Slowakei sind unterschiedlich. Rauer nennt die Spanne aus der Jagdstatistik mit bis zu 2200 Wölfen und den Schätzungen der Naturschutzbehörde von bis zu 600 Tieren. Wolfsvorkommen und „Quellen“ für Bayern
Der Wolf im Spannungsfeld: Zielland Österreich
Jungtiere verlassen mit Erreichen der Geschlechtsreife ihre Rudel und können weite Strecken zurücklegen. Wölfe sind im Neubesiedeln von Gebieten sehr gut. Gute „Kolonisatoren“, nennt Rauer das. Damit liegt Österreich für Wölfe aus diversen Regionen gut. Anmerkung: Ebenso Bayern!
Genetische Analysen lassen Rückschlüsse auf Herkunft, manchmal sogar auf das Ursprungsrudel zu. (Siehe weiter unten im Text “Genetische Herkunftsbestimmung”)
Der Wolf im Spannungsfeld: Die Situation in Deutschland
Wölfe wurden vereinzelt schon zu DDR Zeiten geschossen. Vollkommen wolfsleer war das Gebiet damit nicht. Nur dauerhafte Ansiedlung und Reproduktion wurde nie nachgewiesen. Wölfe sind sehr anpassungsfähig. Mit dem Sesshaftwerden des ersten Paares (aus Ostpolen), nahm eine schnelle Entwicklung ihren Lauf, im Durchschnitt um 30% jährlicher Zuwachs. Wölfe nutzen, trotz Anpassungsfähigkeit an unsere Kulturlandschaft, gerne ruhige Rückzugsräume wie bspw. auf den Truppenübungsplätzen. Rauer sieht das Populationswachstum gekoppelt an die Möglichkeiten der Ausbreitung, die bislang in Deutschland ausreichend bestehen. Die Ausbreitung erfolgte v.a. ist Richtung Nord-West. Mittlerweise gibt es auch vereinzelt Wandungen in südliche Gebiete. Das ist für die hier angrenzenden Länder wichtig.
Der Wolf im Spannungsfeld: Situation in der Schweiz
1995 kam es zu ersten Wolfsbeobachtungen in der Schweiz. Die Tiere kamen aus dem Apennin. Dennoch dauerte es 15 Jahre bis eine Reproduktion nachgewiesen wurde. Jan2017/Dez 2018 wurden 48 Wölfe genetisch bestätigt. Im Calanda bildete sich das erste Wolfsrudel. Weitere siedeln im Tessin und im Wallis. Von Mehreren Regionen können Wölfe in die Schweiz gelangen. Eine Verpaarung scheint es noch nicht gegeben zu haben.
Im Bayerischen Wald gründeten eine Wölfin aus den Westalpen und ein Rüde aus Sachsen das erste Rudel. Bei Verona verpaarten sich einen Wölfin aus den Westalpen mit einem Wolfsrüden aus Slowenien. Weitere „Mischehen“ sind nicht bekannt.
Der Wolf im Spannungsfeld: Situation Südtirol
Im Trentino gab es das erst Rudel 2013, mittlerweile gibt es 6-7 Rudel. Seit 2017 gibt es in Südtirol ein Rudel. In Italien gibt es Rudel die Rinder attackieren. Das Südtiroler Rudel tut das bislang nicht.
Genetische Herkunftsbestimmung
Genetische Proben kann man aus Blut, Speichel oder Gewebe entnehmen und untersuchen. Untersucht wird die mitochondriale DNA (mtDNA). Diese wird nur über die Mütter vererbt. Aus dieser DANN werden bestimmte Bereiche analysiert.
Anmerkung und Exkurs: mtDNA. Lange her, aber man hebt so manches auf und kann dann auch Wissen wieder auffrischen. Danke „Lehrbuch der Molekularen Zellbiologie“ (B. Alberts et al; Verlag Wiley-VCH) Mitochondrien sind sogenannte Kraftwerke der tierischen Zellen. Sie haben eine eigene DNA, was daher kommt, dass sie in einer früheren Form mal eigenständig waren und im Laufe der Entwicklung dann in tierische Zellen aufgenommen wurden. Mitochondrien oxidieren (vereinfacht heißt das sie brauchen dazu Sauerstoff) Nährstoffmoleküle und produzieren Adenosintrophosphat, einen wichtigen Stoff für viele Vorgänge in der Zelle. Im Regelfall (Es gibt wohl auch seltene Ausnahmen) wird diese DNA von den Muttertieren auf den Nachwuchs übertragen (also bei allen mit tierischen Zellen, uns eingeschlossen). Warum? Im Kopf der Samenzellen wird nur die Zellkern-DNA transportiert, Eizellen beinhalten zusätzlich noch die mtDNA. Es verschmelzen nur der Kopf der Samenzelle und die Eizelle.
Innerhalb einer Art kann es Varianten auf den zur Bestimmung herangezogenen DNA Abschnitten geben. Diese werden dann in verschiedene Haplotypen aufgeteilt. Daran kann man Tiere z.B. aus den Westalpen und der Tierflandpopulation unterscheiden.
Die Wanderfreudigkeit von Wölfen ist nicht neu. Rauer begründet die vermehrte Ausbreitung und Wanderung der Wölfe heutzutage damit, dass in früheren Zeiten der Nachwuchs Verluste in den Ursprungsgebieten ausgeglichen hat, damit das Fortgehen nicht notwendig war.
Der Wolf wird alltäglich/Erste Rudel in Österreich
Ab 2009 wurden in Österreich jährlich mehrere Wölfe nachgewiesen. Rauer führt das auch darauf zurück, dass ab diesem Jahr ein geregeltes Monitoring stattfand und Wolfmeldungen systematisch überprüft wurden. Anmerkung: Das ist natürlich immer die Frage: gibt es mehr Tiere oder schaut man nur besser hin? Vermutlich bedingt sich das auch gegenseitig. Auch in Bayern wird besser hingesehen und Nachweisen nachgegangen. Dafür mussten sich erst Strukturen bilden. Diese sind aber gerade in der Anfangszeit der Wiederbesiedlung dringend notwendig, um einen guten Umgang mit der Tierart zu finden. In Bayern gibt es regelmäßig Wolfsnachweise, auch außerhalb der bekannten Wolfsterritorien. Das Landesamt für Umwelt listet die Nachweise hier auf. https://www.lfu.bayern.de/natur/wildtiermanagement_grosse_beutegreifer/wolf/monitoring/index.htm
2016 gründete sich das erste österreichische Rudel auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig. Rauer geht davon aus, dass die nicht nur ein guter (Rückzug, Nahrung) Lebensraum ist, sondern die Elterntiere auch auf Truppenübungsplätzen aufgewachsen sind, sich also ähnliche Strukturen wieder gesucht haben. 2018 kam es zu zwei neuen Rudelbildung im Waldviertel. Anmerkung: 2019 scheint es in Österreich nur mehr ein Rudel gegeben zu haben.
WEITER ZU TEIL 5
Posted in Wolf and tagged Der Wolf, Der Wolf im Spannungsfeld, Klaus Hackländer by bayernwild with no comments yet.
Der Wolf im Spannungsfeld von Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Tourismus und Artenschutz von Klaus Hackländer (Herausgeber) – Teil 3
Eine etwas andere Rezension.
Im digitalen Zeitalter und herausgefordert durch eine Ausgangsbeschränkung beschäftigt sich der Mensch gerne mit „Challanges“. Wir nehmen unsere selbst auferlegte Herausforderung an und … lesen ein Buch. Jeden Tag ein Stückchen weiter und parallel dazu lassen wir Euch an unseren Eindrücken, Gedanken und Ergänzungen dazu teilhaben. Wer Fragen hat, darf fragen. Wer sich auch äußern mag oder ergänzen, darf das auch gerne.
Teil 3 Biologie und Ökologie des Wolfes von Andreas Daim
Andreas Daim, Msc., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut von Prof. Hackländer.
In eigener Sache weisen wir hier erstmal auf unser Homepage hin, auf der wir kurz, knapp und knackig den Wolf: https://www.bayern-wild.de/kompaktwissen/wolf/ vorstellen. Und wer dann tiefer einsteigen will dem steht eine Vielzahl an guten Internetseiten und Büchern zur Verfügung. Oder eben auch unsere Zusammenfassung von Andreas Daims Beitrag:
Der Wolf ein Rudeltier
Ein Rudel ist ein Familienverband: Zwei Elterntiere, Nachwuchs aus dem aktuellen und dem vergangenen Jahr. Bis zu elf Welpen nennt, Daim, im Durchschnitt sind es 4-6. Anmerkung: Die Zahlen und Angaben schwanken immer. Es kommt auf das Alter (erster Wurf?) und die Fitness der Mutter an, bei der Aufzucht selbst beeinflussen dann neben Nahrungsverfügbarkeit auch Wetter und Krankheiten die Überlebensrate der Wölfe. Unterschiedliche Angaben sind also keine falschen Zahlen. Und pauschale Zahlen geben zwar einen Eindruck, lassen aber nicht ohne weiteres „einfache“ Hochrechnungen der Bestandesentwicklung zu.
In Europa besteht ein Rudel im Durchschnitt aus 7 Tieren. Im Rudel herrscht eine Rangordnung. In der Regel pflanzen sich nur die Elterntiere fort.
Jungtiere wandern meist im zweiten Jahr, mit Erreichen der Geschlechtsreife, ab. Auch eine niedrige Stellung im Rudel scheint eine Rolle zu spielen. Diese Tiere kommen beim Futter zu kurz. Der Hunger lässt sie dann also neue Wege gehen. Und wer seine Stellung im Rudel verliert, neigt auch dazu lieber auszuziehen. Ansonsten ist es im Rudel recht ruhig. Durch die klare Hierarchie gibt´s da selten was zu meckern. Seine Position bestärkt sein Wolf über sein Verhalten, Geruch und Laute.
Der Wolf im Jahreslauf
Wie bei allen Lebewesen ist das Leben auf Fortpflanzung ausgerichtet. Wie das Territorium genutzt wird hängt ganz maßgeblich von den Jungtieren ab. Kurz vor und nach der Geburt im April/Mai sind Wölfe ziemlich eingeschränkt in ihrem Aktionsradius und halten sich am Bau auf. Ab etwa 3 Wochen werden Wolfswelpen zunehmend aktiver und verlassen dann mit ca. 8 Wochen den Bau. Auf sogenannten Rendezvou-Plätzen verbringen die Wolfs Welpen ihre Zeit, während die „Großen“ auf Jagd gehen. Hier werden sie versorgt. Am Anfang halten sich die Tiere ca. 20 Tage an einem Platz auf, bevor ein neuer bezogen wird. Später im Jahr (August/September) sind es dann nur noch ca. 7 Tage. Die jungen Wölfe werden immer fitter und können im Spätherbst mit den Erwachsenen mitziehen.
Der Tageslauf der Wölfe dreht sich ums Fressen. In der Abenddämmerung geht es zur Jagd, in der Nacht, spätestens in den Morgenstunden geht es ins (schattige) Tageslager. Dies gilt vor allem für die heißen Sommermonate. Die Aktivitätsmaxima der Wölfe bezeichnet Daim als nicht vom Menschen beeinflusst sondern beeinflusst durch die Aktivität der Beutetiere. Da diese aber oftmals auf menschliches Verhalten reagieren und dämmerungs- und nachtaktiv sind, verhalten sich auch die Wölfe dementsprechend.
Wölfe laufen bekanntlich weit: Bis zu 1000km auf der Partnersuche. In Finnland (Tundra) sind Wölfe mal 200km am Tag gelaufen. In den USA weiß man, dass gerade im Winter Tageswanderungen von 50-70km vorkommen. Im Schnee schön im Gänsemarsch um Energie zu sparen. Ansonsten ist ein Tagesdurchschnitt bei 25km, ohne Welpen. Je höher die Beutetierdichte, desto geringer natürlich die Distanzen, die zurückgelegt werden müssen. Da wird sich die Tundra von hiesigen Wäldern unterscheiden.
An einem Tag wird ungefähr ein Zehntel des Revieres genutzt. Am nächsten Tag ein weitestgehend anderer Bereich usw. usw. Das hat mehrere Vorteile: Beutetiere werden aufmerksamer wenn Wölfe jagen, das schmälert den Jagderfolg. Also lieber in ein Gebiet, dass die Wölfe schon länger nicht mehr genutzt haben. Hier sind Reh, Hirsch und Co unvorsichtiger und damit leichter zu erbeuten. Außerdem kommt man, also Wolf, so im Laufe der Wochen fast einmal rum und kann Markierungen auffrischen. Wölfe nutzen gerne Wechsel anderer Wildtiere und Wege der Menschen.
Essen
Gefressen wird, was vorhanden und am einfachsten zu erbeuten ist. Rehwild, Rotwild, Schwarzwild, Damwild, Gämsen, Muffel. Auch Biber, Dachs, Hasen, Maus, Fische, Insekten, Aas, Abfälle… der Wolf ist da flexibel. Schafe, Ziegen, Rinder, Pferde können, wenn nicht zu riskant und wehrhaft, auch gerissen.
Wer schwach (krank), jung (unvorsichtig, unerfahren) oder alt (langsam) ist, wird leichter Opfer eines Wolfsangriffes. Auch die Paarungszeit ist nach Daim eine gefährliche für Beutetiere.
Hohe Schalenwilddichten und geschützte Nutztiere lassen Wölfe weitestgehend Schalenwild fressen und Nutztiere verschonen. In diesem kurzen Abriss geht Daim aber nicht weiter auf die Schutzmaßnahmen, Studienort, Anzahl Weidenutzung bzw. Weidesystem ein. Wohl aber merkt er an, dass Rissraten an Nutztieren nicht vorhersehbar sind. Ja, es gibt Regionen in denen die Nutztierrisse mit etablierten Rudeln zurückgehen, in anderen Regionen mit weniger Schalenwild werden fast ausschließlich Nutztiere gerissen (Portugal). Anmerkung: Wichtig ist Daims Aussage, dass eine Generalisierung und Übertragung auf andere Gebiete und Gegebenheiten nahezu unmöglich ist. Wir können davon lernen und sollten Beispiele im Hinterkopf haben, sie müssen aber nicht zwingend die Variante und Lösung bei uns sein.
Habituierung, also Gewöhnung der Wölfe an den Menschen muss vermieden werden. Die Wildtiere dürfen den Menschen nicht mit positivem, wie z.B. Futter verbinden. Das birgt starke Konflikte in sich und wird im Fall der Fälle zum Tod des Wolfes führen müssen.
Wieviel Beute braucht der Wolf?
Wölfe sind Hetzjäger. Im Rudel können sie durch gute Zusammenarbeit große wehrhafte Tiere erlegen. Mit Bissen in Hinterbeine und Flanken wird die Beute gestoppt, runtergezogen und im Regelfall mit einem Kehlbiss getötet. Kleine und junge Tiere können komplett gefressen werden, bei größerer Beute bleiben schon mal Wirbelsäule, Schädel zurück. Bei Tieren auf gezäunten Weiden und in Gattern kann es zu Mehrfachtötungen kommen. Das wir einmal durch ein wenig ausgeprägtes Fluchtverhalten der Weidetiere erklärt (v.a. für Schafe trifft das zu) und durch die eingeschränkte Fluchtmöglichkeit. 2016 waren im Durchschnitt in Deutschland 3,8 Nutztiere die pro Angriff getötet wurden. Anmerkung: 2018 waren es im Durchschnitt 3,2 getötete Tiere. Die Zusammenstellung der Wolfsübegriffe in Deutschland von 2002-2018 zeigt, dass zu 86,5% Schafe und Ziegen handelt, gefolgt von 8,8% Gatterwild und 5,3% Rinder (Kälber). Quelle: https://www.dbb-wolf.de/wolfsmanagement/herdenschutz/schadensstatistik
Die Angaben zu Nahrungsbedarf und Rissrate schwanken stark. Das stellt Daim fest und sicherlich auch jeder, der dazu schon verlässliche Zahlen gesucht hat, hat dies bereits bemerkt. Sie reichen von 1,7-10,0 kg Fleisch pro Tag und Wolf. Anmerkung: Puh, mit welchen Zahlen kann man da dann sinnvoll rechnen? Sinnvoll ist als erstes die Tatsache: wir haben es mit natürlichen Vorgängen zu tun, und die sind selten in eindeutige, immer gültige fixe Zahlen zu packen. Es ist einfach so: es kommt drauf an… Region, Beutetiere, Wolfsindividuen (Größe, Alter, Geschlecht, Jahreszeit), auch Aufnahmekriterien der jeweiligen Studie, wurde reine Fleischasse berechnet oder Biomasse (Gesamtgewicht Knochen, Fell, Innereien, Fleisch)…? Um es vereinfacht dazustellen haben wir uns für den durchschnittliche Angabe 5kg entschieden, wenn jemand eine Zahl genannt bekommen will. https://www.bayern-wild.de/kompaktwissen/wolf/ Immer mit dem Zusatz „es kommt drauf an“ und unseren Ausführungen dazu in diversen Gesprächen.
Beispiel Studie: Bialowieza: durchschnittlich 5,3kg Fleisch pro Wolf und Tag. Zum Überleben ausreichend: 2-3 kg. Durchschnittlich 7,7kg Biomasse pro Wolf und Tag.
Lebensraumeignung Österreich
Wir sind so frei und ersetzen dieses Kapitel weitestgehend mit Daten für Bayern.
Grundsätzlich können Wölfe bei uns überall vorkommen, zumindest alle Regionen durchziehen. Wo letztendlich ein Rudel dauerhaft ansässig wird ist dann nochmal eine andere Frage. Es gibt wohl Hinweise, dass waldreiche Gebiete und Gebiete mit wenig menschlicher Störung bevorzugt werden. Anmerkung: Aber wir kennen die Geschichten der Wolfsrudel aus Italien und Rumänien, die durchaus menschliche Strukturen nutzen, Müllkippen als Futterquellen aufsuchen und sich von Menschen nicht weiter stören lassen. Auch die Truppenübungsplätze in Sachsen sind nicht für ihr undurchdringliches Dickicht bekannt. Allerdings finden Wölfe hier ruhige Rückzugsräume und Futter.
Wichtig sind die Faktoren Nahrung und Jungenaufzucht. Daim nennt eine ungestörte Kernzone für die Jungenaufzucht von 10km².
In Untersuchungen kam man zum Ergebnis, dass Wölfe in Gebieten mit einer Bevölkerungsdichte von 0-3050Menschen/km² vorkommen, im Durchschnitt 36,7 Menschen/km². Anmerkung: Das sind wieder Spannen, mit denen in Gesprächen über den Wolf kein Blumentopf zu gewinnen ist. Sie sind wichtig für eine faktische, wissenschaftliche Grundlage. Aber ehrlich: in einer Diskussion darüber, ob der Wolf bei uns geeigneten Lebensraum findet oder nicht, sind Zahlen oft hinfällig. Da geht es um Gefühle. Wir finden: wenn sich eine Tierart irgendwo zeigt, dauerhaft anwesend ist und auch noch Nachwuchs aufzieht, dann ist das ein ganz elementares Zeichen, dass der Lebensraum geeignet ist. Zumindestens aus Sicht des Tieres. Das er aus menschlicher Sicht ungeeignet erscheint, ist dann nochmal was andere.
Wie viele Wölfe haben in Österreich Platz?
Auch hier erlauben wir uns die bayerische Ergänzung zum Kapitel.
Wolfsterritorien können sich in Randbereichen überlappen. Prinzipiell werden die Gebiete aber verteidigt und natürlich gerade an den Außengrenzen mit “besetzt” (Urin und Kot) markiert. Anmerkung: In Bayern ist es so, dass das Paar in Grafenwöhr durchaus in das Territorium des Veldensteiner Rudels wechselt. Es gibt auch Berichte in denen einzelne Wölfe eine ganze Zeit in besetzten Rudel Territorien geduldet werden.
Auch die Angaben zu den Größen der Territorien schwanken. Denn wir wissen: Es kommt drauf an…nämlich auf:
Nahrungsverfügbarkeit (Anzahl, Beutetierart), Topographie, Rudelgröße. Streifgebiete können sich auch ändern und verschieben. In Deutschland liegt die durchschnittliche Reviergröße eines Rudels (Lausitz) bei 215km². Das österreichische Rudel in Allentsteig durchstreift 157km². Streifgebiete in Sommer sind meist kleiner, als die im Winter. Wie viele Rudel in einem Gebiet vorkommen wird durch Nahrungsverfügbarkeit, Konkurrenz und Territorialverhalten bestimmt.
Wachstumraten in den ersten Jahren nach der Rückkehr können sehr hoch sein. Beispielsweise in Gebieten der USA von 1993.1996 um 90% mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von 50%. In Frankreich war die Spanne (seit 1992) zwischen 5-25 jährlichen Zunahme. In Deutschland stellte man von 2016 auf 2017 eine Zunahme von 30% fest.
Posted in Wolf and tagged Der Wolf, Klaus Hackländer by bayernwild with no comments yet.
Der Wolf im Spannungsfeld von Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Tourismus und Artenschutz von Klaus Hackländer (Herausgeber) – Teil 2
Eine etwas andere Rezension.
Im digitalen Zeitalter und herausgefordert durch eine Ausgangsbeschränkung beschäftigt sich der Mensch gerne mit „Challanges“. Wir nehmen unsere selbst auferlegte Herausforderung an und … lesen ein Buch. Jeden Tag ein Stückchen weiter und parallel dazu lassen wir Euch an unseren Eindrücken, Gedanken und Ergänzungen dazu teilhaben. Wer Fragen hat, darf fragen. Wer sich auch äußern mag oder ergänzen, darf das auch gerne.
Teil 2 Der Wolf kommt zurück – und jetzt? Von Klaus Hackländer
Prof. Dr. Klaus Hackländer arbeitet am Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft der BOKU in Wien. Er geht in diesem Kapitel auf den Schutzstatus des Wolfes und den Einfluss durch den Wolf ein.
In Europa geht man von 17.000 Wölfen aus. Weiterhin nehmen die Bestände wieder zu. Woran das liegt? Hackländer sieht 3 Faktoren: Zunahme der Beutetierbestände. Landflucht der Bevölkerung. Schutzstatus und dessen Umsetzung.
In den meisten EU Ländern seien die Rotwildbestände seit den 1960er Jahren um 400-700% angestiegen. Anmerkung: Das klingt unglaublich, wenn man Deutschland betrachtet. Hier werden Rothirsche auf sogenannte Rotwildbezirke beschränkt. Außerhalb müssen sie abgeschossen werden. Um natürliches Wanderverhalten im Winter aus höheren Lagen zu verhindern werden vielerorts Futterstellen und Wintergatter betrieben. Nun gut, aber Deutschland ist ja auch nur ein Teil der gesamten EU.
Verbreitung Hirsch in Deutschland: hier.
Nach einigen internationalen und nationalen Gesetzten, die Hackländer auflistet, die wir uns hier aber sparen, da schon sehr oft erwähnt, ist der Wolf streng geschützt. Wer alle Gesetze wissen will klicke hier: https://www.bayern-wild.de/kompaktwissen/wolf/
Oft werde Stimmen laut, dass der Wolf in seiner europäischen Gesamtheit nicht gefährdet ist. Und die Tendenz der Wolfsbestände auch in Deutschland ist stetig zunehmen. In der FFH Richtlinie Anhang IV ist der Wolf streng geschützt. In Einzelfällen kann es zu Ausnahmen kommen. Dabei muss sichergestellt sein, dass es keine andere Lösung gibt und der Gesamtbestand im natürlichen Verbreitungsgebiet nicht gefährdet ist. Anmerkung: Ja, im Gesamten betrachtet scheint des den Wölfen in Europa nicht schlecht zu gehen. Doch ist das ein Argument zu sagen andere Länder sollen sich mit den Problemen herumschlagen, im Gesamten betrachtet braucht es die Wölfe bei uns aber nicht? Bisserl unsozial, finden wir. Was „braucht“ es schon? Wir persönlich brauchen auch keine Eichkatzerl, irgendwelche Bläulinge auf irgendwelchen Magerwiesen, keine Energiemais Monokulturen, keine Supermarktverkäufer und Ärzte, denn in der Gesamt-EU gibt es sicherlich genug davon. Ironie Ende. Es ist, Gott sei Dank oder leider, zu kurz gesehen, wenn nur das unmittelbare positive wie negative der Rückkehr von Wölfen betrachtet wird.
Nun aber zurück zum Kapitel „Der Wolf kommt zurück – was jetzt?“: Hackländer beleuchtet kurz unsere Emotionen rund um den Wolf. Er ist ein kräftiges Raubtier, zweifelsohne eine potentielle Gefahr für alles Schwächere. Auf der anderen Seite verdanken wir seiner Linie unser liebstes Haustier. (Katzenfreunde mögen uns diese Anmerkung nicht übel nehmen – Katzen (und Luchse!) sind auch toll 😉) Die relativ wenigen unmittelbaren Übergriffe und Gefahren durch Wölfe auf Menschen leitet Hackländer daraus ab, dass Länder in denen der Wolf nie ausgerottet war, den Wolf durch Jagd, legal wie illegal, (Anmerkung: und andere Schutzmaßnahmen und Vergrämungen) auf Abstand gehalten haben. Es sei nicht verwunderlich, dass Wölfe ihre Grenzen ausloten und dann dem Menschen auch näher kommen können Wirkliche Gefahr sieht Hackländer nur bei erkrankten Tieren.
Gefährlich sind Wölfe aber natürlich für Weidetiere. Vergrämung und Schutzmaßnahmen waren bei uns lange Zeit nicht mehr notwendig. Weder Landbewirtschafter noch die zuständigen Behörden sind auf den Umgang mit dem Wolf im erforderlichen Maß vorbereitet. „Kompensation und Prävention von Schäden hinken der Realität hinterher…“. Anmerkung: Da hat er leider recht. In manchen deutschen Bundeländern ist man schon weiter, Bayern – sonst immer gern ein Vorreiter – hatscht da weit hinterher!
Und dann ist da noch die Jagd. Natürlich fressen Wölfe nicht nur Schafe. Anmerkung Wenn man ehrlich ist, auch nur zu einem ganz kleinen prozentualen Anteil: Was aber irrelevant ist, wenn diese 1% auf unter anderem auf meiner Schafweide stattgefunden haben und dann doch 50 Schafe tot sind.
Jäger waren bislang (bis auf ein paar Luchsgebiete) die einigen Raubtiere. Nun spielen die Wölfe mit. Nach anderen Kriterien und Maßstäben. Anmerkung: Das kann natürlich problematisch werden: wie handhaben wir das mit den Rotwildgebieten? Wie mit Wintergattern? Wie mit den Sau-Rotten die sowieso schon gut genährt durch die Maisschläge ziehen?
Hackländer erwähnt in diesem Zusammenhang die Landschaft der Furcht („Landscape of fear“). Diese besagt, dass direkte und indirekte Faktoren das Verhalten der Tiere beeinflussen. Mehr dazu auch hier: https://www.bayern-wild.de/beutegreifer-und-beute/ Interessant: Das Stresshormonlevel der Rothirsche in Wolfsgebieten scheint niedriger zu sein als in stark vom Menschen gestörten Gebieten. Irgendwas machen die Wölfe „entspannter“… Allerdings ändert sich das Verhalten gerade beim Rotwild schon: sie können sich zu größeren Rudeln zusammenschließen und übersichtlichere Äsungsflächen aufsuchen. Außerdem können sie ihr Verhalten dahingehend ändern, dass sie zu anderen Zeiten an anderen Orten fressen oder ruhen. Anmerkung: Eine Anpassung an Wolfspräsenz und damit eine Überlebensstrategie der Wölfe. Also ganz schön schlau. Nur für menschliche Jagd und auch die Forstbewirtschaftung kann das natürlich auch bedeuten, dass sie sich anpassen müssten, wenn sie können und wollen.
Wölfe, Wolfsmischlinge
Hackländer geht hier nur kurz darauf ein. „Der Streit darum ist müßig, denn es ist davon auszugehen, dass es seit der Domestizierung des Wolfes immer wieder Rückkreuzungen zwischen Hunden und Wölfen gab.“ Natürlich ist das interessant aus genetischer und akademischer Sicht. Für den Umgang mit dem Wolf scheint es Hackländer aber irrelevant und „nicht zielführend“. Anmerkung: Auch Wolfshybride unterliegen einem strengen Schutz. Daher ist das Argument, die Wölfe bei uns seien keine Wölfe, damit nicht schützenswert und abzuschießen rechtlich gesehen nichtig. Auch für ihre Entnahme ist eine arteschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung notwendig.
„Verschiedene Blickwinkel erweitern den Horizont.“
Unsere Rede! Daher freuen wir uns auf die nun folgenden Kapitel des Buches!
Posted in Wolf and tagged Der Wolf, Klaus Hackländer by bayernwild with no comments yet.
Der Wolf im Spannungsfeld von Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Tourismus und Artenschutz von Klaus Hackländer (Herausgeber) – Teil 1
Der Wolf: Eine etwas andere Rezension.
Im digitalen Zeitalter und herausgefordert durch eine Ausgangsbeschränkung beschäftigt sich der Mensch gerne mit „Challenges“. Wir nehmen unsere selbst auferlegte Herausforderung an und … lesen ein Buch. Jeden Tag ein Stückchen weiter und parallel dazu lassen wir Euch an unseren Eindrücken, Gedanken und Ergänzungen dazu teilhaben. Wer Fragen hat, darf fragen. Wer sich auch äußern mag oder ergänzen, darf das auch gerne.
Der Wolf: Teil 1 Vorwort
„Der Wolf“ ist kein herausragender Buchtitel in der Summe der Wolfsbücher die den Markt erfüllen. Und dass es nicht das einzige Wolfsbuch ist, stellt der Herausgeber Klaus Hackländer auch gleich in seiner Einleitung klar. Da gibt es Märchen von Wölfen, Teambuilding für Manager im Stil der Wölfe, Zerstörung unserer Traditionen durch die Wölfe etc. etc. „Weder Verherrlichung noch Verdammung der Wölfe ist angebracht…“ meint der Herausgeber und das können wir nur unterstreichen. Auch wir versuchen ein Gesamtbild des Wolfes zu vermitteln, als beeindruckendes Raubtier, aber durchaus mit Schwierigkeiten bei unserer Weide- und Gattertierhaltung.
Die Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) hat in zwei Projekten die Rückkehr der Wölfe aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet: Landwirtschaft, Freizeitgestaltung, Jagd, Forst. Im vorliegenden Buch wurden die verschiedenen Themen aufgearbeitet. Wir folgen ihnen nun Tag für Tag.
Über den Wolf gibt es eine Vielzahl an pro und contra Büchern, Bücher über Verhaltensbiologie, Märchen, Management- und Selbstfindung. Wichtig für den Umgang mit Wölfen bei uns ist eine Beleuchtung aller Sichtweisen und Faktoren.
Dies war der 1. Teil und damit nur die Einführung in die Rezension von “Der Wolf im Spannungsfeld von Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Tourismus und Artenschutz”, geschrieben von Klaus Hackländer.
In den nächsten Beiträgen auf unserem Blog Bayern Wild werden wir das Buch nach und nach näher betrachten. Wer interessiert ist, sollte also auf gar keinen Fall vergessen auf diesen Link zu klicken…
WEITER ZU TEIL 2
Posted in Wolf and tagged Der Wolf, Klaus Hackländer by bayernwild with no comments yet.