Jahresbilanz im Projekt “Tatort Natur”: Mindestens 25 Fälle von Naturschutzkriminalität in Bayern – Oberpfalz Spitzenreiter 

von Franziska Baur

Zahlreiche Fälle von Naturschutzkriminalität konnten wir im Rahmen des Projekts “Tatort Natur” im Jahr 2023 dokumentieren. Die traurige Bilanz beinhaltet neben 19 nachweislich vergifteten Eulen- und Greifvögeln auch sechs Fälle, in denen geschützte Vogelarten beschossen wurden. Wir gehen darüber hinaus von einer hohen Dunkelziffer an Naturschutzdelikten aus. Besonders betroffen macht uns, dass alle diese Fälle bisher folgenlos für die Täter blieben. Wir setzen uns deshalb auch im kommenden Jahr weiterhin für die Strafverfolgung ein und bringen jeden Fall zur Anzeige. 

Insgesamt 86 tote Vögel wurden im Laufe des Jahres 2023 dokumentiert. In 19 Fällen war die toxikologische Untersuchung positiv. Besonders häufig kam dabei das Nervengift Carbofuran zum Einsatz, welches seit 2007 in der EU verboten ist und bereits bei Hautkontakt ernste gesundheitliche Folgen haben kann – besonders für Kinder und Haustiere. Die meisten vergifteten Greifvögel stammten aus der Oberpfalz, insbesondere aus dem Lkr. Regensburg. Auch in Niederbayern, Oberbayern, Mittel- und Oberfranken konnten Vergiftungsfälle nachgewiesen werden. Darüber hinaus kamen mindestens sechs Mal Schusswaffen gegen streng geschützte Vogelarten zum Einsatz. Ein Weißstorch, ein Graureiher und ein Turmfalke konnten glücklicherweise rechtzeitig gefunden werden und überlebten deshalb. Auch beim Beschuss auf Vögel ist die Oberpfalz trauriger Spitzenreiter, gefolgt von Oberbayern und Niederbayern. Am häufigsten von Naturschutzdelikten betroffen waren Uhu (6), Rotmilan (4) und Mäusebussard (4). Für Aufsehen hatte der Fall eines toten Seeadlers im Lkr. Amberg-Sulzbach gesorgt. Er starb am Rattengift Brodifacoum. Ob es sich dabei um eine vorsätzliche Vergiftung handelt oder der Seeadler möglicherweise ein vergiftetes Tier fraß („Sekundärvergiftung“) ist schwer nachzuvollziehen. In anderen Fällen, wie bspw. dem eines toten Rotmilans im Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen, geht man von einer gezielten Tötung aus: Dort fanden LBV-Aktive neben dem vergifteten Vogel auch eine vergiftete Hauskatze und mehrere präparierte Giftköder.

Naturschutzkriminalität stellt also weiterhin eine ernstzunehmende Gefahr für unsere heimische Tierwelt und auch für uns Menschen und unsere Haustiere dar. Die Sensibilisierung von Gesellschaft, Polizei und Behörden ist entscheidend, um bei der Strafverfolgung tatsächlich Erfolge zu erzielen. Wir hoffen, dass so zukünftig viele der Delikte aufgeklärt werden können. Bisher konnten leider nur in wenigen Fällen Tatverdächtige ausfindig gemacht werden. Die Schwierigkeiten liegen v.a. bei der Prävention und Verfolgung solcher Straftaten: mangelndes Wissen, eine geringe Routine und das Fehlen von Fortbildungsangeboten sind u.a. verantwortlich für die geringe Verurteilungsrate. 

Geschädigte solcher Delikte sind letztendlich – neben den Tieren selbst – auch die Umweltverbände, die seit vielen Jahren mit hohem finanziellen Einsatz um die Erhaltung und Rückkehr bedrohter Tierarten wie Luchse und Greifvögel bemüht sind. Theoretisch könnten auch diese daher künftig als Kläger vor Gericht auftreten und Schadensersatz fordern.

2023 wurden deshalb eine Vielzahl an Schulungen rund um Naturschutzkriminalität, z.B. an Landratsämtern, durchgeführt. Durch die wertvolle Aufklärungsarbeit ist das Thema in vielen Behörden mittlerweile bekannt und die nötigen Abläufe zur Meldung und Dokumentation haben sich etabliert. Zudem gibt es inzwischen einen Handlungsleitfaden für alle Polizeibehörden in Bayern.

Wünschenswert wäre ein juristischer Handlungsleitfaden auch für Staatsanwaltschaften, da der Dschungel von Gesetzen aus dem Natur-, Arten- und Tierschutz- sowie aus dem Betäubungsmittelrecht Anzeigen und Verurteilungen massiv erschwert. Auch bestimmte Gesetzesauslegungen sind äußerst hinderlich für die Verfolgung solcher Straftaten, wie z.B. dass der Besitz von Carbofuran oder von Fallen nicht strafbar ist. Weiterhin sollte der Einsatz von Rodentiziden (z.B. Koagulanzien) deutlich erschwert bzw. strenger reguliert werden.

Unsere kostenlose Tagung „Tatort Natur“ im LBV-Zentrum „Mensch und Natur“ im Oktober gab einen Überblick über die Herausforderung in Deutschland und Österreich, zeigte Defizite auf, stellte konkrete Praxisbeispiele vor und bot reichlich Möglichkeiten für internen Austausch. Die Zielgruppen waren Strafverfolgungsbehörden (Polizei und Staatsanwaltschaft), Jurist:innen (Richter:innen etc.), Naturschutzbehörden, NGOs, Ranger, Gebietsbetreuer:innen etc.

Nachdem unsere sehenswerte Filmreihe in die Thematik der Naturschutzkriminalität einführte, referierten u.a. Inge Roith (Polizeipräsidium Niederbayern, AG Greifvögel), Dr. Felix Knauer (Veterinärmedizinische Universität, Wien), Katja Schnetz (Luchsprojekt Bayern, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf), Mag. Dr. Rainer Raab (LIFE EUROKITE) sowie Dr. Oliver Krone/Dr. Claudia A. Szentiks (Pathologie, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), Berlin). 


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Tagung Tatort Natur – Naturschutzkriminalität stoppen!

von Projektmanagerin und Moderatorin Franziska Baur

Tagung Tatort Natur

Am 15./16 April 2021 fand die erste Online-Tagung zur Naturschutzkriminalität in Bayern statt – mit über 80 Teilnehmer*innen aus Deutschland, Österreich und Spanien. Die Fortbildungsveranstaltung diente als breitgefächerte Plattform für den Expertenaustausch und Wissenstransfer rund um das hochbrisante Thema. Fachleute und Praktiker aus verschiedenen Bereichen berichteten über ihre Erfahrungen, wie diese Straftaten aufgedeckt, untersucht und eingedämmt werden können. Aus diesem internationalen Vergleich wurden Defizite in der Bayerischen Strafverfolgung bei Verdachtsfällen von Naturschutzkriminalität deutlich gemacht und Impulse zur Optimierung bereitgestellt.

 

Projektmanagerin und Moderatorin Franziska Baur stellte im gut besuchten Presseblock den Tatort Natur-Report„Naturschutzkriminalität in Bayern 2019-2020“ vor und bilanzierte: In 75 Fällen sind mindestens 121 geschützte Wildtiere im Freistaat nachgewiesenermaßen oder mit hoher Wahrscheinlichkeit illegal getötet oder verfolgt worden. Die Vergiftung mit Carbofuran war hierbei die am meisten angewandte Methode und der Rotmilan das häufigste Opfer. Die Pilotphase hat gezeigt, dass dieses Kooperationsprojekt wichtige und längst überfällige Schritte eingeleitet hat, welche deutliche Signale setzen, um diesen natur- und tierschutzwidrigen Handlungen entschlossen entgegenzutreten! Das Gemeinschaftsprojekt Tatort Natur von Gregor Louisoder Umweltstiftung und Landesbund für Vogelschutz e.V. hat sich mit seiner Meldeplattform und der interaktiven Map zu einem regelrechten Citizen-Science-Projekt entwickelt. Die Anzahl der Meldungen hat deutlich zugenommen, da der Bekanntheitsgrad kontinuierlich steigt.

 

Manfred Jahn (Polizeipräsident, Niederbayern) freute sich über die öffentliche Anerkennung der Behördenarbeit und betonte, dass die Polizei die Fälle von Naturschutzkriminalität sehr ernst nimmt. Prof. Hermann Ammer (Leiter des Lehrstuhls Toxikologie, LMU) betonte nachdrücklich, wie hochtoxisch das häufig verwendete Carbofuran ist: schon in kleinsten Konzentrationen und in Sekunden wirkt das Insektizid tödlich. Gleichwohl hat sich auch angesichts der mangelnden Ermittlungserfolge bei den dokumentierten Fällen gezeigt, dass es noch erheblichen Bedarf für fachliche Beratung bzw. flächendeckende Expertise sowie themenspezifische Fortbildung bei den bayerischen Ermittlungsbehörden gibt. Optimalerweise sollte in jedem Polizeipräsidium ein Expertenteam zur Verfügung stehen, um die nachgeordneten Polizei-Dienststellen zeit- und ortsnah bei den Ermittlungen in Fällen von Naturschutzkriminalität unterstützen zu können.

 

Diese Dringlichkeit wurde insbesondere nach dem beeindruckenden Vortrag des spanischen Leiters einer Ermittlungseinheit gegen Wildtierkriminalität, Dr. Iñigo Fajardo, klar. In Spanien wird bei Straftaten gegen streng geschützte Arten von Spezialeinheiten ebenso akribisch mit allen kriminalistischen Methoden ermittelt wie bei Mord oder einem Sexualdelikt. Tatorte müssen unmittelbar und gründlich untersucht werden, bevor Spuren und Hinweise durch verschiedene Faktoren (Wetter etc.) verschwinden. Es wird eine akkurate Rekonstruktion der Fakten hergestellt und so die individuelle Handschrift des Täters sichtbar gemacht. Die mittlerweile dadurch erreichte Erfolgsquote ist spektakulär, und die Teilnehmer der Fachtagung waren sich einig, dass der spanische Weg beispielgebend ist.  Die intensive und kontinuierliche Kooperation zwischen den zuständigen Stellen auf Landesebene sah auch Jürgen Hintzmann, ehemaliger Staatsanwalt und Leiter der Stabsstelle gegen Umweltkriminalität am Umweltministerium NRW als Schlüssel zum Erfolg. Er stellte fest, dass ein Problem darin liege, dass bislang weder beim Jurastudium, noch bei der Ausbildung von Polizist*innen das Thema Straftaten im Bereich Natur- und Artenschutz behandelt werde.

 

Eine vorausschauende Bekämpfung solcher Straftaten ist nur möglich, wenn die Fälle gut dokumentiert würden und man mit allen vorhandenen Daten auf Behördenebene konsequent vernetzt sei. Genau daran fehlt es in Bayern derzeit, und es ist nach wie vor sehr schwierig, sämtliche Fälle zu erfassen und vollständig zu dokumentieren.

 

Im Verlauf der Tagung gab es auch eindrucksvolle Berichte über den Einsatz speziell ausgebildeter Hunde beim Aufspüren von Kadavern, Ködern und Fallen. Mit deren Hilfe können Nachweise zu illegalen Aktivitäten wesentlich effektiver und außerdem zeitnah geführt werden, z.B. um weiteren Schaden zu vermeiden, denn besonders bei Gift herrscht Gefahr im Verzug!

 

Zusammenfassung:

  • Dokumentierte Fälle vermutlich nur Spitze des Eisbergs (ca. 10% der Gesamtfälle)
  • Derzeit keine ordentliche Tatort-/Spurensicherung; demnach kaum bis keine Ermittlungsansätze (keine Täterermittlung, keine Präzedenzfälle)
  • Polizei und Justiz dafür nicht ausreichend ausgebildet
  • Speziell geschultes Expertenteam in jedem Polizeipräsidium Bayern nötig
  • Einsatz von Spürhunden sehr erfolgversprechend

 

Mehr Infos und eine Checkliste zum richtigen Verhalten bei einem Totfund mit Verdacht auf illegale Tötung: www.tatort-natur.de. Dort können auch Fälle oder Verdachtsfälle gemeldet werden. Der Report Naturschutzkriminalität in Bayern 2019-2020 steht unter  www.tatort-natur.de/downloads/ zur Verfügung.


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