Traurig aber wahr: noch immer kein staatliches Förderprogramm für Herdenschutz

von Franziska Baur

 

SPD-Umweltexperte Florian von Brunn hakte per Landtagsanfrage beim Landesamts für Umwelt (LfU) vor einiger Zeit nach, was das Projekt „Begleitung, Umsetzung und Weiterentwicklung des Präventivfonds“ der letzten fünf Jahre für das bayerische Wolfsmanagement in Sachen Herdenschutz ergeben haben. Die Antwort liegt nun vor und ist ernüchternd. Trotz einiger Erkenntnisse – und der völlig vorhersehbaren Rudelgründung – steht immer noch kein entsprechendes Förderprogramm zur Verfügung, während der Managementplan für Wolfsrudel (Stufe 3) ebenso nach wie vor auf seine Fertigstellung wartet.

 

Die mit Mitteln des Fonds umgesetzten Pilotprojekte, in welchen Präventivmaßnahmen gegen Wolfsangriffe und Sofortmaßnahmen zum Schutz von Weidetiere getestet wurden (oder getestet werden sollten), beinhalteten u.a. folgende Maßnahmen:

·         Beratung/Fachexkursion/Infoveranstaltung Herdenschutz

·         Zertifizierung Herdenschutzhunde

·         Ankauf/Erprobung Futterspender für Herdenschutzhunde

·         Erfahrungsbericht zur Zäunung

·         Ankauf/Ausleihe Zaunmaterial

·         Erprobung und Optimierung Zäunung (Gehegewild und Weidetiere)

·         Herdenschutzkonzept für Almen

herdenschutz

Aufbau eines Schutzzaunes

Projektpartner waren u.a. Agridea aus der Schweiz, das Büro Ringler, Verein Herdenschutzhunde e.V., eine externe Kynologin sowie der Verein Ortros aus Spanien.

23 Betriebe nutzten bisher das Angebot des LfU zur Ausleihe mobil einsetzbarer Elektrozäune. Das Umweltministerium leitet aus den Erfahrungswerten klare Vorgaben für eine wirkungsvolle Umsetzung eines Wolfschutzzauns ab: mindestens 90 cm hoch sollte er sein, 4-5 elektrische Litzen haben oder dichtmaschig sein. Ein stromloser Zaun muss einen halben Meter höher sein und braucht Untergrabschutz, Zaunschürze oder Elektrolitze. Einen Fördertopf für solche Zäune gibt es dennoch nicht. Zäune allein reichen jedoch vor allem im Alpenraum nicht als Schutz gegen Wolfsrudel aus. Weil die Herden hier verstreuter sind, brauche es auch Schutzhunde. Das LfU will jedes Almgebiet einzeln auf seine Eignung für Herdenschutzhunde prüfen, allerdings erst mittel- und langfristig, heißt es in der Antwort des Umweltministeriums auf die SPD-Anfrage. Bei Bauern und Schäfern ist laut Bericht die Bereitschaft für eine ordentliche Zäunung deutlich höher als für Anschaffung und Haltung von Hunden.

Derzeit sind noch einige Evaluationen sind offen, manche Maßnahmen laufen noch. Was auffällt und leider nicht verwundert, ist der Punkt „Herdenschutz für Almen“, welcher 2014 stattfinden sollte, aber abgebrochen werden musste, da nach Angabe des Ministeriums die „Zustimmung der Almbauern“ fehlte.

Die Erkenntnisse aus dem fünfjährigen Projekt sollen in die bayerische Förderrichtlinie zur Prävention gegen Übergriffe großer Beutegreifer auf Weidetiere einfließen. Die Nutztierhalter wurden über einen Emailverteiler über die Ergebnisse informiert, jedoch baten einige der beteiligten Betriebe um Anonymität. Schade, dass diese Präventivmaßnahmen durch den lokalen Widerstand keine Chancen auf den bayerischen Almen bekamen. Dass trotz jahrelanger Vorbereitung noch immer kein Herdenschutz-Förderprogramm fertig ist, könnte demnach an deren Lobbyverbände (z.B. Bauernverband) liegen.

Faktisch wurde dennoch – auch ohne erneute Erprobung – bereits aus dem früheren Modellprojekt „Zusammenlegung von Herden an der Rotwand mit anschließender Integration von Hüte- und Schutzhunden unter Berücksichtigung der potenziellen Weideführung sowie des hohen Touristenaufkommens“ (2011) die Tauglichkeit der Präventionsmaßnahmen auch im Alm- und Alpgebiet bereits bewiesen. Um diese hierzulande dauerhaft zu implementieren, ist laut Ministerium jedoch eine enge Zusammenarbeit mit den betroffenen Almbauern und Älplern, den Alm- und Alpwirtschaftlichen Verbänden erforderlich. Diese hätten jedoch am liebsten sogenannte „wolfsfreie Zonen“, was hinsichtlich des großzügigen Wanderverhaltens von Wölfen (teilweise bis zu 1000 km) utopisch ist und internationalen Schutzgesetzen widerspricht.

Alm

Auch im alpinen Bereich ist Herdenschutz notwendig und möglich

Dass es im reichsten Bundesland in Anbetracht der aktuellen Lage – wo ein Wolfsrudel aus der weiten Ferne in die reelle Nachbarschaft gerückt ist – nur einen Präventivfonds für Pilotprojekte und nicht für jeden Otto-Normal-Schäfer gibt, zeugt von politischer Entscheidungsarmut. Mal ganz abgesehen von manchen Almbauern, gibt es reichlich Weidetierhalter, die Verantwortung für ihre Tiere übernehmen und Herdenschutzmaßnahmen in Anspruch nehmen würden, aber es finanziell alleine schlichtweg nicht stemmen können.

Herdenschutzhunde

Kangale als Herdenschutzhunde

Ein Beispiel für solch einen engagierten Schäfer, welcher nach eigenen Angaben die Anwesenheit des Wolfes akzeptiert hat und nun einen Weg finden möchte mit ihm zu leben, ist Johannes Rudorf. Er arbeitet erfolgreich mit spanischen Mastins, seltenen Herdenschutzhunden, die bei uns unter die Kampfhundeverordnung fallen. Somit stoßen Schäfer nicht nur bei der kostspieligen Finanzierung, sondern auch bei der Hunderassenwahl auf weitere (tierschutz-)gesetzliche Schwierigkeiten – obwohl das Ziel der Herdenschutzmaßnahme selbst doch Tierschutz sein sollte. Die bisher geltenden Richtlinien und Steuersysteme zum Umgang mit Kampfhunden als Herdenschutzhunde sowie tierschutzrechtliche Haltungsverordnungen bezüglich Herdenschutzhunde allgemein (Schutzhunde, Elektrozaun) sind umstritten. Das Video zum ‚Expertengespräch Wolf‘ der SPD-Landtagsfraktion vom 16. Mai 2017 finden Sie unter folgendem Link: https://www.youtube.com/watch?v=PWq9lvL6gV0SPD

 

Laut LfU befindet sich das staatliche Programm zum Herdenschutz weiterhin „in Vorbereitung“ und soll schließlich den Präventivfonds ersetzen. Wann es soweit sein wird, steht in den Sternen.


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