Der Wolf im Spannungsfeld von Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Tourismus und Artenschutz von Klaus Hackländer (Herausgeber) – Teil 8
Eine etwas andere Rezension.
Im digitalen Zeitalter und herausgefordert durch eine Ausgangsbeschränkung beschäftigt sich der Mensch gerne mit „Challanges“. Wir nehmen unsere selbst auferlegte Herausforderung an und … lesen ein Buch. Jeden Tag ein Stückchen weiter und parallel dazu lassen wir Euch an unseren Eindrücken, Gedanken und Ergänzungen dazu teilhaben. Wer Fragen hat, darf fragen. Wer sich auch äußern mag oder ergänzen, darf das auch gerne.
Wir überspringen das Kapitel „Die Rückkehr des Wolfes aus Sicht den WWF“ (C. Pichler).
Wolf ODER Artenvielfalt auf Almen: Ist das die Frage?
Von Monika Kriechbaum, Bernhard Splechtna, Josef Pennerstorfer, Fabian Pröbstl, Margit Seiberl
Die Autoren betonen die Bedeutung, die Almen für die Artenvielfalt haben können. Die Rückkehr von großen Beutegreifern bringt die Gefahr, dass Weidetiere von Wölfen gerissen werden. Eine entsprechende Zäunung um dem entgegenzuwirken ist sehr aufwendig. Bringt der Wolf eine Einstellung der Almwirtschaft und einen damit verbundenen Artenrückgang?
Trends zur Aufgabe und Intensivierung der Almbewirtschaftung
Allgemein fallen seit Jahren Almflächen brach. Ihre Bewirtschaftung ist ohnehin oftmals mühselig. Es gibt unterschiedliche Förderprogramme dem entgegenzuwirken. Viele Faktoren spielen ein Thema, darunter ganz konkrete wie Hofnachfolge, Wirtschaftlichkeit, Änderung in der Bewirtschaftung, Förderungen, Einkünfte aus Tourismus. Hinzu kommen wenig greifbare Aspekte wie Traditionsbewusstsein, Identität, Anerkennung. Anpassungen und Änderungen waren schon immer Teil der Bewirtschaftung. Anmerkungen: Wie es auch für die meisten anderen Berufszweige zutrifft.
Als Beispiel wird z.B. die Wandlung von Jungviehalmen zu Sennereien (Milch, Milchverarbeitung) und dann wieder zurück zu Jungvieh-Weiden aufgeführt. In den 1960er Jahren wurden Tallagen intensiviert. Die Anzahl der (kleinen) Betriebe nahm ab (Aufgbae, Nebenerwerb), die Viehbestandszahl für mehr größere Betriebe nahm zu. Anmerkung: Dies gilt im groben auch für den vergleichbaren bayerischen Alpenraum. Die Autoren beziehen sich auf Österreich.
Die Autoren sehen trotz allgemeinem Rückgang eine Intensivierung der noch beweideten Flächen. Obwohl die Datenlage vorsichtig zu interpretieren ist, gehen Sie davon aus, dass die aufgetriebenen Tiere pro Flächeneinheit zugenommen haben.
Wie hoch ist der naturschutzfachliche Wert von Almen?
Was ist naturschutzfachlich wertvoll? Arten-, Lebensraumvielfalt, Seltenheit, natürliches Vorkommen. Diese Kriterien sind manchmal schwer nachvollziehbar und allgemeingültig darzustellen. Rechtlich werden Kriterien der FFH Richtlinie herangezogen. Artenvielfalt soll durch den erhalt natürlicher Lebensräume mit dazugehörigen Pfalzen und Tieren gesichert werden.
Gibt es einen Konflikt zwischen verschiedenen schützenswerten Tierarten in Lebensräumen? Auch der Wolf wird in der FFH Richtlinie aufgelistet.
Biodiversität ist ein vielschichtiges Thema
Biodiversität ist Teil des Naturschutzes, ein gesellschaftliches und politisches Anliegen, dass in verschiedenen Abkommen behandelt wird. Der Begriff beinhaltet die Vielfalt von Ökosystemen, Lebensgemeinschaften, Arten, Genetik.
Almen und ihre Bedeutung im Kontext der europäischen Schutzregelungen
Einige Pflanzenarten die in den FFH Richtlinien aufgelistet werden, haben ihren Lebensraum auf Almflächen. Sie sind weniger abhängig von einer Beweidung, als von einer offenen Landschaft in diesem Ökosystemen bzw. in den dortigen Lebensräumen. Übermäßige Trittschäden und Überdüngung (großflächig) können die Lebensräume negativ beeinflussen. Bis auf den Lebensraumtyp „Bürstlingsrasen“ sind die Lebensraumtypen und FFH relevanten Arten nicht von landwirtschaftlicher Beweidung abhängig. Die Autoren würden durch den Rückgang dieser Bewirtschaftungsform nicht zwangsweise eine Auswirkung auf die FFH relevanten Arten befürchten. Dennoch spielt die Bewirtschaftungsform natürlich eine wichtige Rolle.
Almen und ihre Bedeutung für die Biodiversität
Das Besondere auf Almflächen ist die Vielfalt auf kleinem Raum. Wichtig ist die räumlich und zeitlich begrenzte Nutzung. Die Lebensraumvielflat bedingt die Vielfalt von Pfalzen und Tieren.
Vom richtigen Maß: welche Beweidung brauchen artenreiche Almen?
Die Autoren zitieren aus einer Broschüre des Ländlichen Fortbildungsinsitutes (Österreich): „ Almen beitzen eine höhe Biodiversität.“ Gleich wohl diese aber von Nutzngsform und Intensität abhängig ist. Aufgabe und Übernutzung verändern die Artenzusammensetzung und -vielfalt. Falsches Weidemanagement trägt dazu bei. Eine „standortgerechte Bewirtschaftung“ ist notwendig, um die Almen und ihren vielfältigen Lebensraum zu erhalten. Hier wird auch nochmal die Bedeutung der arbeitsintensiven Behirtung und der gezielten Beweidung, auch in abgelegenen Gebieten oder Teilbereichen in denen das Vieh nicht gerne weidet, angesprochen.
Eine Studie im Nationalpark Gesäuse (Österreich) stellt fest, dass an manchen Orten Beweidung so intensiv stattfindet, das sich für die Untersuchten Insekten (Zikaden, Wanzen, Spinnen) kein geeigneter Lebensraum gestaltet. Hier wurde aus naturschutzfachlicher Sicht eine Entwicklung hin zum Naturwald besser bewertet. Eine punktuelle Verbuschung/Brachfallen wird ebenfalls positiv gesehen, da so Rückzugsräume entstehen.
Jene, die jetzt noch auftreiben sind hochmotiviert
In diesem Abschnitt geht es um die Bewirtschafter er Almflächen. “Idealismus ist die zentrale Voraussetzung für Almbauern.“ Wirtschaftlich gesehen entlasstet der Auftrieb auf die Alm die Betriebe im Tal. Futterflächen können anderweitig (Winterfutter) genutzt werden. In Umfragen unter Almbauern wurde angegeben, dass nebenzu entweder die weiteren Einnahmen durch Tourismus oder, wenn diese gering ausfallen, auch die Förderprogramme Anreiz bieten, diese Bewirtschaftungsform aufrecht zu erhalten. Die wichtigste Motivation ist der Erhalt der Tradition und Kulturlandschaft.
Warum geben manche auf? Welche Rolle könnte die Rückkehr des Wolfes dabei spielen?
Die Bewirtschaftungsform Alm geht schon seit geraumer Zeit zurück. Strukturänderungen, Änderungen bei Fördermaßnahmen, gesellschaftlicher Wandel (Betriebsaufgabe) werden hier als Gründe genannt. Hauptgrund war oftmals die Änderung im Viehbestand (Anzahl; Tierart), hoher Aufwand, Alternative in tieferen Lagen zu beweiden. Bei allem Idealismus ist natürlich immer eine Kosten-Nutzen-Rechnung dabei, auch wenn diese oftmals subjektiv („gesundes Almleben“) ist.
Der Einfluss der Wölfe auf eine tatsächliche Almauflassung ist den Autoren nach schwer einzuschätzen.
Wolf oder Artenvielfalt auf Almen: ist das wirklich die Frage?
Nein. Die Realität ist sehr viel schwieriger zu bewerten und einzuordnen.
Ja, die Artenvielflat ist gefährdet, allerdings liegen die Gründe nicht nur in der Aufgabe von Almflächen.
Ja, Wölfe stellen eine Gefahr für Weidetiere auf Almen dar. Wie etwa auch Unwetter, Muren, Abstürze etc. für einen von Rissen betroffenen Betrieb scheint das den Autoren kein Trost, für eine Gesamtheitliche Betrachtung, ob und welche Rolle der Wolf bei einer Aufgabe spielt, ist es allerdings interessant.
Die Autoren rufen dazu, auf die Rückkehr des Wolfes als Chance dazu zu sehen eine zukunftsfähige Almwirtschaft zu entwickeln.
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Der Wolf im Spannungsfeld von Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Tourismus und Artenschutz von Klaus Hackländer (Herausgeber) – Teil 7
Teil 7 Reguliert der Wolf das Schalenwild von Christine Miller
Dr. Christine Miller ist Wildtierbiologin und Journalistin aus Bayern. http://www.christine-miller.de/
Christine Miller sieht den Wolf als Projektionsfläche – für Gut und Böse. Den übertriebenen (gute) Einfluß auf Waldentwicklung und tropische Kaskaden sieht sie kritisch. Da Studien oft nur kurze Aspekte im Gesamtsystem betrachten. Zentral ist natürlich die gegenseitige Einflussnahme zwischen Jäger und Beute. In einer Untersuchung an der Universität für Bodenkultur in Wien wurde versucht die Vielzahl an weltweiten Studien zusammenzutragen und die Einflussnahme von Wölfen auf Schalenwild herauszuarbeiten. 200 Studien wurde dazu näher betrachtet.
Einfluss von Beutegreifern
Fünf ebenen definiert Miller, auf denen Wölfe direkte und indirekt Einfluss auf Beutetiere nehmen.
- Stressreaktionen mit Auswirkungen auf Stoffwechsel, Immunsystem, Fortpflanzung
- Verhaltensreaktion mit Auswirkung auf Einstände, Wachsamkeit, Raum- Zeit-Nutzung, Sozialgefüge
- Dynamik Beutepopulation mit Auswirkung auf Sterblichkeits- und Geburtenrate
- Konkurrenzverhältnisse mit Auswirkung auf das Artengefüge
- Evolutionsprozesse mit Auswirkung auf genetische Veränderung/Erbanlagen
Gerade die letzten beiden Punkte bedürfen eines langen Betrachtungszeitraumes.
Können Wölfe krank machen?
In der Wildbahn ist es ein ewiges fressen und gefressen werden. Miller ergänzt hier den schönen Satz “Das Leben in der Natur ist kein Ponyhof.“
Anmerkung am Rande: Wer schonmal auf einem Ponyhof war, weiß, dass es auch hier ein Hauen und Stechen gibt. Zwischen den Ponys und auch zwischen den großen und kleinen PonyliebhaberInnnen…
Kurz: Stress gehört zur Natur der Sache. Es gibt wenige Studien, eine davon in Polen, die sich mit der Auswirkung von Stress (und ob dieser in wie weit überhaupt erfolgt und wie lang er anhaltend ist) auf Stoffwechsel, Immunsystem, Nahrungsaufnahme etc. befassen. Die polnische Studie zeigte, dass Rot und Rehwild in Wolfsgebieten weniger Stresshormone freisetzte als in Gebieten mit hohem menschlichen Jagddruck.
Anmerkung: Im Nationalpark Bayerischer Wald läuft derzeit eine Arbeit über das Verhalten von Schalenwild in Gebieten mit und ohne Beutegreifer und it und ohne Jagd. Mehr dazu hier: https://www.nationalpark-bayerischer-wald.bayern.de/forschung/projekte/raubtiere_wald_wild_konflikt.htm
Wölfe als Auslöser von Verhaltensänderungen
Beutegreifer wollen nicht gefressen werden. Ganz logisch eigentlich. Dafür bildeten sich im Lauf der Zeit grundlegende Verhaltensmuster heraus:
- Aufmerksamkeit, wenn notwendig: fliehen
- Wahl der Aufenthaltsorte (Ruhe, Fressen) nach Aspekten: guter Überblick oder gute Versteckmöglichkeit
- Änderung Sozialgefüge: größere Gruppen oder auch kleiner Gruppen
- Raum-Zeit Gefüge: andere Zeiten, Flächen variieren, um „unerechenbar“ zu bleiben
All diese Möglichkeiten können in unterschiedlicher Intensität und Zeitdauer auftreten. Ob sich Hirsche nach erfolgtem Riss dauerhaft aus einem Gebiet zurückziehen oder kaum reagieren ist nicht pauschal vorhersehbar.
Haben Wölfe einen Einfluss auf die Auswahl von Gebieten ihrer Beutetiere? Wieder zieht Miller die polnische Studie heran: hier meidet Rotwild dichte, unübersichtliche Bereiche zum Fressen. Nicht zu unterschätzen ist auch der menschliche Einfluss. „…Wolfsgebiete werden von Rotwild nicht generell gemieden.“
Beispiel aus den Karpaten zeigt, dass es im Sommer keine Strategieänderung gab. Im Winter gab es zwei Varianten: Verbleib in Hochlagen über 700m mit Aufsuchen risikoarmer Gebiete oder Schutz durch größere Gruppe. Oder Abwanderung in niedrigere Lagen mit weniger Futterverfügbarkeit, aber geringerem Risiko eines Wolfsangriffes.
Anmerkung: Sicherlich stellen Wildtiere keine klassische Kosten-Nutzen Kalkulation auf. Dennoch gibt es eine Art Abwägen zwischen Risiko und Vorteil, die das Verhalten der Tiere beeinflusst.
Es gibt Studien die zeigen, dass Beutetiere /Rotwild/Wapiti bei Wolfspräsenz Offenflächen eher nutzen, aber auch die Untersuchungen, die das Gegenteil herausgefunden haben.
Wir merken an (wie schon oft in dieser Reihe): alles Natur… es kommt eben drauf an…
Erfahrungen aus Niederachsen zeigen, dass die Rotwildgruppen eher in offenes Flächen wandern. Ein natürliches Verhalten, dass ihnen besseren Überblick und Fluchtmöglichkeiten schafft. Untersuchungen aus dem italienischen Alpenraum zeigt allerdings, dass Risse v.a. in steilem offenem Geländer stattfand. Daraufhin verschoben sich die Aktivitäten der Beutetiere in waldreichere Gebiete.
In Deutschland werden eher größere Rotwildrudel beobachtet, im Vergleich zur Zeit vor der Wiederbesiedlung durch den Wolf. Dies gilt vor allem für offenen Landschaften. Es scheint aber unterschieldich hohe Dichten in unmittelbarer Nähe zueinander zu geben, wie aus Befragungen von Jägern, Förstern und Wissenschaftlern in Deutschladn und der Solwakei hervorgeht. Einheitlich ist, dass die Tiere aufmerksamer werden und vermehrt sichern. Sie zeigen größere fluchtdistanzen und reagieren auf geringe Störungen. Ihr verhalten wird unregelmäßiger. Manchenorts bilden sich Großrudel, die sich teils nur zur Futteraufnahme zusammenschließen, dann wieder aufteilen. Es kommt aber auch zur Bildung kleinerer Rudel, die mobiler und weniger sichtbar sind.
Die Verteilung vieler Winterfütterungen erscheint Miller sinnvoll, da nach Rissereignissen die Tiere die Futterstelle wechseln können. Wintergatter seien nicht emrh sinnvoll. Eine gute Zäunung der Flächen ist nahezu unmöglich.
Mehr Wölfe weniger Wild?
Die Entwicklung der Rotwildpopulation ist nicht klar vorhersehbar. Viele Faktoren spielen eine Rolle. Da die Populatioszahl der Beutetiere oftmals schlecht zu analysieren ist, ich auch eine Einwirkung auf die Anzahl durch den Wolf schwer zu sagen.
Einfluss besteht nicht nur durch das Gefressenwerden, sondern auch durch Risikoeffekte, wie sie Miller nennt: Verhaltensänderung, Energieaufwand, Auswirkungen auf Fitness der Beutetiere (in Folge dann Parasiten, Krankheiten). Auch dei Bejagung durch den Menschen spielt eine Rolle.
Einfluss auf kleinere Schalenwildarten
Damwildvorkommen in Ostdeutschland sind mit Anwesenheit der Wölfe zurückgegangen. Hier spielt wohl Die „Ortstreue“ der Tiere eine Rolle.
Gämsen sind laut Miller rückläufig. Unabhängig vom Wolf. Die Anweseneheit großer Beutegreifer wird diese Populationen weiter belasten.
Muffelwild verschwindet in Regionen mit Wölfen.
Wildschweine sind gerade in den Westalpen und dem Apenin eine Hauptbeute der Wölfe. Wölfe richten ihre Hauptbeute nach der Verfügbarkeit. Ob Wölfe hier einen Einfluss auf die opulationsentwicklung der Wildschweine haben ist nicht klar.
Trophische Kaskade
Wölfe als Hetzjäger selektieren. Schwache Tiere fallen ihnen leichter zum Opfer. Wölfe können Strukturen in der Landschaft (auch menschengemachte) nutzen, um Beute zu machen. Die Gesundheitswirkung (in dem schwache Tiere herausgenommen werden) von Wölfen ist also wieder abhängig von Landschaft, Aufenthalt der Beutetiere, Dichte.
„Wir sollten uns hüten, einzelne Arten mit unseren Vorstellungen, Wünschen und Sehnsüchten zu belasten.“
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Der Wolf im Spannungsfeld von Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Tourismus und Artenschutz von Klaus Hackländer (Herausgeber) – Teil 6
Eine etwas andere Rezension.
Im digitalen Zeitalter und herausgefordert durch eine Ausgangsbeschränkung beschäftigt sich der Mensch gerne mit „Challanges“. Wir nehmen unsere selbst auferlegte Herausforderung an und … lesen ein Buch. Jeden Tag ein Stückchen weiter und parallel dazu lassen wir Euch an unseren Eindrücken, Gedanken und Ergänzungen dazu teilhaben. Wer Fragen hat, darf fragen. Wer sich auch äußern mag oder ergänzen, darf das auch gerne.
Teil 6 Die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen der Rückkehr des Wolfes
Anna Hinterseer, Andreas Niedermayr, Martin Kapfer, Jochen Kantelhardt
Heut wird’s betriebswirtschaftlich. Ein wichtiger Aspekt, denn Weidetierhaltung wird zwar in der Mehrheit als Liebhaberei betrieben (kleine Schafzüchter seltener Rassen etc.). Klassische landwirtschaftliche Betriebe müssen aber haushalten, abwägen und wirtschaften. Auch wenn Herzblut drinsteckt: auch hier kann keiner von Luft und Liebe (allein) leben. Das Kapitel ist sehr lang. Der interessierte Leser wird es selbst lesen. Wir fassen die einzelnen Abschnitte zusammen.
In Österreich werden 460.000 Tiere aus 40.000 Betrieben auf Almen getrieben. Es gibt 160 reine Schafalmen, Schafe kommen aber mitunter auch auf anderen Almen in gemischter Beweidung vor. Das Risiko eines Wolfsangriffes sinkt mit zunehmender Köpermasse des Beutetieres und Größe der Herde.
Herdenschutzmaßnahmen
Individuell muss abgeklärt und abgestimmt werden welche Maßnahme in welcher Kombination umsetzbar ist.
Herdenschutzzäune sollten optische und mechanische Abwehr sein. Strom ist unerlässlich. Jedes Land empfiehlt und fordert andere Maßstäbe hinsichtlich Höhe, Mindestspannung, Anzahl der Litzen etc. Wichtig ist v.a. einen möglichst geringen Abstand zum Boden zu halten. Offizielle Vorgaben für Bayern gibt es ausführlich beim Landesamt für Umwelt und in Kurzform bei uns auf der Homepage Bayern Wild.
Neben dem Bodenabstand muss auch die Höhe im Auge behalten werden: Einsprunghilfen wie Hang, Holzstapel etc. müssen ausgeschlossen werden.
Herdenschutzhunde sind eine weitere (zusätzliche) Option. Die Autoren erwähnen eventuelle Schwierigkeiten in stark touristischen Gebieten. Die Bevölkerung muss hier ausreichend aufgeklärt werden, diese Schutzmaßnahme verstehen und akzeptieren. Die Länder haben unterschiedliche Struturen zur Zucht und Prüfung von Herdenschutzhunden. Die Schweiz ist da weit vorne.
In Deutschland beschäftigen sich folgende Verbände damit:
https://www.ag-herdenschutzhunde.de/
https://www.va-herdenschutzhunde.de/
http://arbeitende-herdenschutzhunde.de/
Dauerhafte Behirtung kostet viel Zeit und Lohn. Trotzdem zeigt sich u.a. in der Schweiz eine gute Wirkung von Behirtung, Nachtpferch und Hunden.
Für Österreich wurde für Modellbetriebe eine Umsetzung und Kostenaufstellung hypothetisch versucht: Grundsätzlich sind Materialien für Zäue auf den Betrieben vorhanden, oftmals geht es um eine Aufrüstung nach Herdenschutzmaßstäben. Es werden nur die Differenzkosten betrachtet. Eine Generalisierung ist nicht möglich.
Anmerkung: Es werden ein paar Beispiele aufgeführt (Schafalm in zwei Varianten, Jungvieh, gemischte Almbeweidung). Wir erwähnen hier nur ein Beispiel.
Ein Beispiel ist die steile Hochalm mit Schafbeweidung. Verreichbarket nur zu Fuß. Bestoßung liegt bei 0,53 GVE/ha. (GVE Großvieheinheit; im Durchschnitt ist das eine Kuh). Gesamtalmfläche 588 ha, davon 135ha zu Beweidung nutzbar. 17 Betriebe treiben Tiere auf. Zaun nur im unteren Bereich auf Grundstücksgrenze.
Als geeignete Schutzmaßnahmen wird eine permanente Behirtung (2 Hirten) gesehen. Die Tiere werden nachts gepfercht. Die Hirten brauchen eine Unterkunft. Weiterer Schutz kommt durch Herdenschutzhunde. Konfliktpotential zwischen Herdenschutzhunden und Wanderern wird durch anwesendes Personal minimiert.
Für die jährlichen Differenzkosten werden zusätzliche Hilfsmittel für Personal aufgelistet: Unkosten für 3 Hütehunde, Zaunmaterial (Strom, Kabel, etc) Nachpferch. Die Hütehundkosten werden nur für die Dauer der Almzeit berechnet, da die Hunde den Hirten gehören. Für das Personal selbst fallen Kosten für die Unterkunft und Lohn an. Im Gegenzug fallen Fahrten und Zeit vom Betrieb zur Weidekontrolle weg.
Die Herdenschutzhunde sind betriebseigen und werden damit für das gesamte Jahr berechnet.
Durchschnittliche Mehrkosten pro Jahr für diesen Betrieb: 25.000€; (350€/GVE).
Anmerkung: Solche rein wirtschaftlichen Rechnungen sind wichtig, um in der Umstrukturierung von Weidesystemen einen Anhaltspunkt für notwendige Förderungen (und Forderungen) zu haben. Die Beispiele zeigen auch, wie wenig vergleichbar Aufwand und Kosten ist, je nach Tierarten, Voraussetzungen durch Lage, bereits vorhandenen Weidesystemen etc.
Schadensersatzzahlung bei Nutztierrissen
Die Autoren hantieren mit verschiedenen Wertansätzen: Verkaufs-, Ersatz, Ertragswert. Verkaufswert meint den Marktwert des Tieres. Ersatzwert meint die Kosten die durch Neubeschaffung/Neuproduktion entstehen. Ertragswert meint den Wert, der durch die Nutzung der Sache entsteht (also die Produktion von Lämmern, Fell, Fleisch…)
Die Schäden die durch Rissen entstehen werden in den Ländern unterschiedlich (oh Wunder… ;-( ) beglichen. Im Regelfall wird der Marktwert gezahlt. In Italien 60%, Schweiz 100%, Frankreich 110%. Hinzu kommen Kosten für Begutachtung, Bergung, Entsorgung… Verlammung (also Totgeburten), Ausfall weiterer Lämmer, Tierarztkosten, geringere Fitness und Leistung der Tiere (Zunahme, Milch…). Nicht alle Länder berücksichtigen bei der Entschädigung diese zusätzlichen „indirekten“ Kosten.
Anmerkung: Auch in Bayern orientiert sich die Schadensausgleichszahlung am Mark wert und kann unterschiedlich ausfallen, je nach Tierwert und Jahr. Zuständig dafür ist das Landesamt für Umwelt. Hier mehr darüber: https://www.lfu.bayern.de/natur/wildtiermanagement_grosse_beutegreifer/ausgleichsfonds/index.htm
Schlussfolgerung und Ausblick
Wie bereits beschrieben ist die Umsetzbarkeit von Herdenschutzmaßnahmen (unter wirtschaftlichen Aspekten) abhängig von den Grundvoraussetzungen (vorhandene Weidestruktur, Weideflächen) des Betriebes. Arbeitskosten, Investitionen uns laufende Kosten müssen in unterschiedlicher Höhe zusätzlich geleistet werden. Die Wirtschaftlichkeit sinkt mit höherer Investition. Es ist also eine Abwägung zwischen Investition und Schaden im Fall eines Risses. Investition in Herdenschutz ist keine Garantie, dass Risse gänzlich ausbleiben.
Derzeit sehen die Autoren keine ausreichende Kapazität an Arbeitskräften, Herdenschutzhunden und für zusätzliche Mehraufwand der Betriebe. Klar definierte Rahmenbedingungen fehlen.
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Der Wolf im Spannungsfeld von Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Tourismus und Artenschutz von Klaus Hackländer (Herausgeber) – Teil 5
Eine etwas andere Rezension.
Im digitalen Zeitalter und herausgefordert durch eine Ausgangsbeschränkung beschäftigt sich der Mensch gerne mit „Challanges“. Wir nehmen unsere selbst auferlegte Herausforderung an und … lesen ein Buch. Jeden Tag ein Stückchen weiter und parallel dazu lassen wir Euch an unseren Eindrücken, Gedanken und Ergänzungen dazu teilhaben. Wer Fragen hat, darf fragen. Wer sich auch äußern mag oder ergänzen, darf das auch gerne.
Teil 5 Weidewirtschaft und Wolf – geht das? Von Daniel Heindl
Dipl. Ing. Daniel Heindl für den Niederrösterreichischen Bauernbund die Landwirtschaftskammer Niederösterreich.
In früheren Zeiten ging es oftmals um Leib, Leben und Existenz, wenn der Wolf zusätzlich zu anderen Gefahren (strenge Winter, Krankheiten, Kriege) in Regionen vorkam und Nutztiere riss. So war es nicht verwunderlich, dass diesen Raubtieren massiv nachgestellt wurde, bis hin zur völligen Ausrottung. Heute, Heindl ergänzt „derzeitig“, sind Leib und Leben vom Wolf nicht bedroht. Für unmittelbar betroffene Landwirte seien „Zahlenspiele kein Trost“.
Situation bevor die Wölfe kamen
Verluste von Nutztieren gab es durch Wetter, Krankheiten und Unfälle. Wenig Personal und geringe Schutzmaßnahmen reichten aus, um Tiere gut durch die Almsaison zu bringen. Früher waren die Almflächen wichtige Futterquellen, um die Tiere im Sommer hier weiden zu lassen und in den Tallagen Futter für den Winter zu gewinnen. Mit Drahtzäunen und Strom konnten Tiere einfach gelenkt werden. Hirten waren damit nicht mehr notwendig. Arbeitskräfte fanden (leichtere) Arbeit in anderen Berufszweigen. „Ein Schutz gegen äußere Eingriffe war nicht mehr nötig.“
Alm- und Weideflächen sind nicht nur zur Nahrungsgewinnung wichtig. Auch den Tourismus und die Biodiversität führt Heindl auf. Wichtig ist auch die Vermarktung in der oftmals auch die Weidetierhaltung hervorgehoben wird.
Anmerkung: Almflächen werden heutzutage durch Agrarsubventionen unterstützt. Wirtschaftlich ist der große Aufwand hier nicht. Ohne Subventionen wäre sicherlich ein noch viel größerer Teil als ohnehin schon bereits nicht beweidet. Nutztiere auf Weiden zu halten ist aufwändiger, als sie im Stall mit Sojaschrot durchzufüttern., überspitzt ausgedrückt. Weidetierhaltung spielt eine wichtige Rolle in der Offenhaltung von Flächen. (Aber auch in der Gesundhaltung der Tiere.) Weidenutzung ist nicht Weidenutzung. Ganz pauschal kann man nicht behaupten, dass jede Beweidungsform einen Beitrag zur Biodiversität leistet. Es gibt Untersuchungen wonach behirtete, spricht geleitete, Herden einen größeren Beitrag leisten, da sie gezielt an wichtige Stellen geführt werden und nicht selektieren. Denn Weidetiere auf großer Flächen suchen, solange sie die Möglichkeit haben, immer ihr Lieblingsfutter. Den Rest lassen sie stehen. Machen wir ja auch nicht anders… Außerdem gibt es bevorzugte Lagerstätten etc. etc. Also ja: Weidetierhaltung ist für die Tiere selbst und auch für einen Naturschutz-Beitrag wichtig. Es kommt aber drauf an… Beispiel: http://www.alpfutur.ch/src/2012_schafalp_biodiversitaet.pdf
In Regionen Europas in denen Wölfe nach wie vor Vorkommen ist ein Hauptaufgabenpunkt der Halter der Schutz von Weidetiere mit verschiedenen Maßnahmen.
Situation aktuell in Europa
Nach Ländern aufgelistet berichtet Heindl über die Auswirkung die die Anwesenheit/Rückkehr auf die Weidetierhaltung hat. Einheitlich zeigt sich laut Heindl, dass die Weidetierhaltung stark zurückgeht durch die Wölfe. Für Österreich befürchtet er eine noch dramatischere Entwicklung ob der bäuerlichen Kleinstrukturen.
Spanien war nie gänzlich wolfsfrei. Schutzmaßnahmen und Jagd waren stets Teil. Nördlich des Flusses Duero lebt ein Großteil der Wolfspopulation, nach Anhang V FFH auch immer bejagt. Südlich des Flusses werden größere Viehbestände gehalten. Die Wölfe hier werden nicht bejagt, es sind nach Heindl 15% der Wolfpopulation die hier leben und 85% der Weidetierschäden zu verantworten haben.
Italien war nie gänzlich wolfsfrei. Im Apennin kamen Wölfe immer vor.
Heindl nennt die Tötung von Wölfen als Teil des Herdenschutzes(in Ländern wie Spanien, Italien, Osteuropa und Balkan), neben Behirtung, Nachpferch und Herdenschutzhunden.
Frankreich hat seit 1992 wieder ansässige Wölfe. Der Schafbestand hat sich von 1988 bis 2010 von 80000 Schafen auf 425000 reduziert in den franz. Alpen. V.a. Kleinbetriebe sind davon betroffen. Heindl erwähnt, dass in der Statistik nicht der Grund der Aufgabe oder Reduzierung erhoben wird. In großen Herden findet Herdenschutz mit verschiedenen Maßnahmen statt. Für 2017 wurden folgende Zahlen veröffentlicht: 360 Wölfe, 3000 Attacken auf Nutztiere, 11.000 Risse. 92% der Angriffe erfolgten auf geschützte Herden 50% davon am Tag.
Deutschland hat mit seinem ersten Rudel im Jahr 2000 wieder Wölfe. Die Regelungen zum Umgang (Monitoring, Rissgutachten, Zahlungen…) sind Ländersache.
In Sachsen gingen die Schafbestände seit Auftauchen der Wölfe um 50% zurück. Ob Rückgang durch Mehraufwand oder soziale Belastung bedingt ist wurde nicht erfasst. Aus Risstabellen ist abzulesen, dass Übergriffe zunehmen obwohl Schutzmaßnahmen umgesetzt werden. Schutzmaßnahmen heißt behördlich Vorgaben des jeweiligen Landes. „Hier war in Deutschland ein Wettrüsten zwischen Behördenvorgaben, Tierhalteraufwand und Wolfshunger schon vorgezeichnet.“
Einen wichtigen Beitrag leistet die Weidetierhaltung (v.a. Schaf und Ziege) bei der Landschaftspflege. Für viele Betriebe sind Gelder dafür ein wichtiges Standbein des Betriebes. In größerer Stückzahl sind auch Rinder, Pferde, Gatterwild und Hunde in Risstabellen zu finden.
Anmerkung: Wir kommentieren dies nicht weiter, sondern weisen auf die Rissstatistiken der Ländern hin, exemplarisch zwei Bundesländer mit vielen Wolfs-Territorien. „Bei den von Wölfen von 2002 bis 2018 getöteten oder verletzten Nutztieren in Deutschland handelte es sich zu 85,5% um Schafe oder Ziegen, 8,8% um Gatterwild und in 5.3% um Rinder (meist Kälber).“ (Quelle: https://dbb-wolf.de/wolfsmanagement/herdenschutz/schadensstatistik)
Schadensstatistik Sachsen (2018/2019 27 Wolfsterritorien) https://www.wolf.sachsen.de/schadensstatistik-4169.html
Schadensstatistik Brandenburg (2018/2019 49 Wolfsterritorien) https://lfu.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.407130.de
Schadensstatistik NIedersachsen (2018/2019 31 Wolfsterritorien): https://www.nlwkn.niedersachsen.de/wolfsburo/nutztierschaden_karten_und_tabellen/nutztierschaeden-174005.html
Die Schweiz betreibt großen Aufwand bei Monitoring, Rissgutachten, Schutzmaßnahmen etc. Nutztierrisse finden zu 90% in ungeschützten Herden statt. Auch in der Schweiz ist die Zahl der Schafalpen rückläufig. Gerade die Bewirtschaftung durch Kleinherden nimmt ab. Herden wurden teils zusammengelegt. Es wird festgelegt welche Schutzmaßnahmen umzusetzen/umsetzbar sind. Auch in der Schweiz treten Probleme bei der Haltung und dem Schutz mit Herdenschutzhunden auf. Diese versucht man mit zeitweiser Einschränkung der Beweidung oder touristischen Nutzung zu lösen.
Heindl geht davon aus, dass viel Geld für den Schutz der Wölfe zur Verfügung steht. Er stellt aber die Frage, wie viel tatsächlich beim „Einzig Betroffenen, dem Tierhalter“ ankommt.
Es gibt keine Konfliktfreien und verlustfreien Lösungen in den Ländern. Die Aussage „wir brauchen keine Wölfe“ müsse man verstehen und es sei Verpflichtung der bäuerlichen Bevölkerung zur Not Nutztiere mit Gewalt zu verteidigen. Dies geschehe nicht aus Begeisterung.
Vermarktungsprogramm mit Wolf
Ein kurzer Abschnitt befasst sich mit der Idee Produkte aus Wolfgebieten zu vermarkten und durch höhere Preise den Mehraufwand mit zu finanzieren. Ein derartiges Projekt startete 2018 in Spanien. Ergebnisse dazu liegen dem Autor noch nicht vor.
Auftretende Probleme
Die Rückkehr einer Art birgt immer Veränderungen in sich. Die grundsätzliche Ablehnung gegen den Wolf erklärt Hendl mit der Tatsache, dass von Weidetierhaltern der Wolf nicht gewünscht wurde. Arbeit und Verantwortung bleiben nur an Bauern hängen. Lösungen führten oft über steinge Wege, Misserfolg und Rückschläge.
Zäune als Barriere
Heindl führt auf welchen Aufwand es bedeuten kann Zäunungen gut aufzustellen und diese auch zu pflegen. Es gibt (Alm) Flächen die nicht gezäunt werden können. Bereits jetzt müssen Zäune täglich kontrolliert werden. Ein Schaden führt nicht zwangsweise zum Schaden am Tier. Bei Anwesenheit von Wölfen steigt das Risiko dafür. In Sachsen gibt es verschiedene Erfahrungswerte mit den Flächengrößen. Mit den Zäunen könnten andere Wildtierarten von Futterflächen ausgezäunt werden.
Herdenschutzhunde
Heindl spricht die Problematik an, was mit ungeeigneten Herdenschutzhunde geschehen solle. Zwangsverpflichtung zur Haltung von Herdenschutzhunden sind kontraproduktiv.
Herden brauchen permanente Behirtung. Dafür muss eine Kraft eingestellt werden, arbeitsrechtiche Belange berücksichtigt werden. Hierfür braucht es gut ausgebildetes Personal.
Nutztiere sind mehr als Ohrmarken
Angriffe auf Nutztiere können die Tiere, deren Verhalten und die Herdenstruktur verändern. Die kann von erschwertem Umgang bis hin zu weniger Leistungsfähigkeit führen. Mehrfachtötung durch Wölfe wird erwähnt, ebenso die Problematik, dass ausgebrochene Herden Schäden anrichten können.
Heindl geht im Folgenden darauf ein, dass Weidewirtschaft zahlreiche Vorteile hat für Tierwohl, Landschaft, Arbeit), aber eben auch Schwierigkeiten, wenn im Nebenerwerb geführte Betriebe durch Mehraufwand des Herdenschutzes, ggf. Angriffe, Versprengte Tiere etc. Zeit und Geld und Abwesenheit vom Arbeitsplatz leisten müssen. „ Der Tierhalter wird es hinsichtlich seiner Nutztiere wohl immer falsch machen, je nachdem, worauf die Absicht der Gegenseite abzielt.“
Raumnutzung
„Weidehaltung wird man auch zukünftig als Produktionsform bei Wolfsvorkommen finden. Verschwinden werden die kleinen Herdeneinheiten.“ Derzeit werden Kleinstrukturen aus Naturschutzsicht gefördert.
„Herdenschutzmaßnahmen funktionieren nicht, wenn man den absoluten Anspruch stellt.“ Absoluter Anspruch werde aber an die Bauern gestellt (Tierschutz, Ausgleichszahlungen, …). Man müsse auch der räumlichen Einschränkung des Wolfes zustimmen. Es sei nicht nur Überlebenskampf für Almen sondern langfristig auch für den ländlichen Raum.
Anmerkung: In Bayern ist das Landesamt für Landwirtschaft Ansprechpartner und für Regelungen in Sachen Herdenschutz zuständig. Hier der Link für alle die es genauer wissen wollen oder müssen: https://www.lfl.bayern.de/itz/herdenschutz/index.php
Hier noch die Haftungsfrage, sollte es zu Schäden nach Herdenausbruch auf Grund von Wolfsangriff kommen. Weidetierhalter müssen ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen. (Ohnehin, auch ohne Wolf.) Ganz klar ist die Rechtslage allerdings nicht. Im Fall der Fälle wird das ein Gericht klären müssen. https://www.lfl.bayern.de/itz/herdenschutz/241149/index.php
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Der Wolf im Spannungsfeld von Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Tourismus und Artenschutz von Klaus Hackländer (Herausgeber) – Teil 4
Eine etwas andere Rezension.
Im digitalen Zeitalter und herausgefordert durch eine Ausgangsbeschränkung beschäftigt sich der Mensch gerne mit „Challanges“. Wir nehmen unsere selbst auferlegte Herausforderung an und … lesen ein Buch. Jeden Tag ein Stückchen weiter und parallel dazu lassen wir Euch an unseren Eindrücken, Gedanken und Ergänzungen dazu teilhaben. Wer Fragen hat, darf fragen. Wer sich auch äußern mag oder ergänzen, darf das auch gerne.
Teil 4 Wolfsvorkommen in Österreich und seinen Nachbarländern von Georg Rauer
Dr. Georg Rauer ist Wolfsbeauftragter der Koordinierungsstelle für Braunbär, Wolf und Luchs am Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie an der Vet.med Uni in Wien.
Quellen der Wolfsausbreitung
Die Entwicklung der Wolfpopulationen in neuen Gebieten erfolgt rasch: 20 Jahre nach Bestätigung des ersten Wolfspaares in Deutschland sind 75 Rudel (2017/2018) in Deutschland ansässsig. Anmerkung: 2018/2019 sind es 105 Rudel. Auch in Italien und Slowenien steigen die Zahlen an, wenn auch weniger stark. In Italien leben Wölfe in den Westalpen. Sie wanderten aus dem Apennin ein. Auch in den Ostalpen leben Wolfsrudel. In Slowenien lebten 2016/2017 10-14 Rudel (dinarisches Gebirge). Die Angaben aus der Slowakei sind unterschiedlich. Rauer nennt die Spanne aus der Jagdstatistik mit bis zu 2200 Wölfen und den Schätzungen der Naturschutzbehörde von bis zu 600 Tieren. Wolfsvorkommen und „Quellen“ für Bayern
Der Wolf im Spannungsfeld: Zielland Österreich
Jungtiere verlassen mit Erreichen der Geschlechtsreife ihre Rudel und können weite Strecken zurücklegen. Wölfe sind im Neubesiedeln von Gebieten sehr gut. Gute „Kolonisatoren“, nennt Rauer das. Damit liegt Österreich für Wölfe aus diversen Regionen gut. Anmerkung: Ebenso Bayern!
Genetische Analysen lassen Rückschlüsse auf Herkunft, manchmal sogar auf das Ursprungsrudel zu. (Siehe weiter unten im Text „Genetische Herkunftsbestimmung“)
Der Wolf im Spannungsfeld: Die Situation in Deutschland
Wölfe wurden vereinzelt schon zu DDR Zeiten geschossen. Vollkommen wolfsleer war das Gebiet damit nicht. Nur dauerhafte Ansiedlung und Reproduktion wurde nie nachgewiesen. Wölfe sind sehr anpassungsfähig. Mit dem Sesshaftwerden des ersten Paares (aus Ostpolen), nahm eine schnelle Entwicklung ihren Lauf, im Durchschnitt um 30% jährlicher Zuwachs. Wölfe nutzen, trotz Anpassungsfähigkeit an unsere Kulturlandschaft, gerne ruhige Rückzugsräume wie bspw. auf den Truppenübungsplätzen. Rauer sieht das Populationswachstum gekoppelt an die Möglichkeiten der Ausbreitung, die bislang in Deutschland ausreichend bestehen. Die Ausbreitung erfolgte v.a. ist Richtung Nord-West. Mittlerweise gibt es auch vereinzelt Wandungen in südliche Gebiete. Das ist für die hier angrenzenden Länder wichtig.
Der Wolf im Spannungsfeld: Situation in der Schweiz
1995 kam es zu ersten Wolfsbeobachtungen in der Schweiz. Die Tiere kamen aus dem Apennin. Dennoch dauerte es 15 Jahre bis eine Reproduktion nachgewiesen wurde. Jan2017/Dez 2018 wurden 48 Wölfe genetisch bestätigt. Im Calanda bildete sich das erste Wolfsrudel. Weitere siedeln im Tessin und im Wallis. Von Mehreren Regionen können Wölfe in die Schweiz gelangen. Eine Verpaarung scheint es noch nicht gegeben zu haben.
Im Bayerischen Wald gründeten eine Wölfin aus den Westalpen und ein Rüde aus Sachsen das erste Rudel. Bei Verona verpaarten sich einen Wölfin aus den Westalpen mit einem Wolfsrüden aus Slowenien. Weitere „Mischehen“ sind nicht bekannt.
Der Wolf im Spannungsfeld: Situation Südtirol
Im Trentino gab es das erst Rudel 2013, mittlerweile gibt es 6-7 Rudel. Seit 2017 gibt es in Südtirol ein Rudel. In Italien gibt es Rudel die Rinder attackieren. Das Südtiroler Rudel tut das bislang nicht.
Genetische Herkunftsbestimmung
Genetische Proben kann man aus Blut, Speichel oder Gewebe entnehmen und untersuchen. Untersucht wird die mitochondriale DNA (mtDNA). Diese wird nur über die Mütter vererbt. Aus dieser DANN werden bestimmte Bereiche analysiert.
Anmerkung und Exkurs: mtDNA. Lange her, aber man hebt so manches auf und kann dann auch Wissen wieder auffrischen. Danke „Lehrbuch der Molekularen Zellbiologie“ (B. Alberts et al; Verlag Wiley-VCH) Mitochondrien sind sogenannte Kraftwerke der tierischen Zellen. Sie haben eine eigene DNA, was daher kommt, dass sie in einer früheren Form mal eigenständig waren und im Laufe der Entwicklung dann in tierische Zellen aufgenommen wurden. Mitochondrien oxidieren (vereinfacht heißt das sie brauchen dazu Sauerstoff) Nährstoffmoleküle und produzieren Adenosintrophosphat, einen wichtigen Stoff für viele Vorgänge in der Zelle. Im Regelfall (Es gibt wohl auch seltene Ausnahmen) wird diese DNA von den Muttertieren auf den Nachwuchs übertragen (also bei allen mit tierischen Zellen, uns eingeschlossen). Warum? Im Kopf der Samenzellen wird nur die Zellkern-DNA transportiert, Eizellen beinhalten zusätzlich noch die mtDNA. Es verschmelzen nur der Kopf der Samenzelle und die Eizelle.
Innerhalb einer Art kann es Varianten auf den zur Bestimmung herangezogenen DNA Abschnitten geben. Diese werden dann in verschiedene Haplotypen aufgeteilt. Daran kann man Tiere z.B. aus den Westalpen und der Tierflandpopulation unterscheiden.
Die Wanderfreudigkeit von Wölfen ist nicht neu. Rauer begründet die vermehrte Ausbreitung und Wanderung der Wölfe heutzutage damit, dass in früheren Zeiten der Nachwuchs Verluste in den Ursprungsgebieten ausgeglichen hat, damit das Fortgehen nicht notwendig war.
Der Wolf wird alltäglich/Erste Rudel in Österreich
Ab 2009 wurden in Österreich jährlich mehrere Wölfe nachgewiesen. Rauer führt das auch darauf zurück, dass ab diesem Jahr ein geregeltes Monitoring stattfand und Wolfmeldungen systematisch überprüft wurden. Anmerkung: Das ist natürlich immer die Frage: gibt es mehr Tiere oder schaut man nur besser hin? Vermutlich bedingt sich das auch gegenseitig. Auch in Bayern wird besser hingesehen und Nachweisen nachgegangen. Dafür mussten sich erst Strukturen bilden. Diese sind aber gerade in der Anfangszeit der Wiederbesiedlung dringend notwendig, um einen guten Umgang mit der Tierart zu finden. In Bayern gibt es regelmäßig Wolfsnachweise, auch außerhalb der bekannten Wolfsterritorien. Das Landesamt für Umwelt listet die Nachweise hier auf. https://www.lfu.bayern.de/natur/wildtiermanagement_grosse_beutegreifer/wolf/monitoring/index.htm
2016 gründete sich das erste österreichische Rudel auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig. Rauer geht davon aus, dass die nicht nur ein guter (Rückzug, Nahrung) Lebensraum ist, sondern die Elterntiere auch auf Truppenübungsplätzen aufgewachsen sind, sich also ähnliche Strukturen wieder gesucht haben. 2018 kam es zu zwei neuen Rudelbildung im Waldviertel. Anmerkung: 2019 scheint es in Österreich nur mehr ein Rudel gegeben zu haben.
WEITER ZU TEIL 5
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Der Wolf im Spannungsfeld von Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Tourismus und Artenschutz von Klaus Hackländer (Herausgeber) – Teil 3
Eine etwas andere Rezension.
Im digitalen Zeitalter und herausgefordert durch eine Ausgangsbeschränkung beschäftigt sich der Mensch gerne mit „Challanges“. Wir nehmen unsere selbst auferlegte Herausforderung an und … lesen ein Buch. Jeden Tag ein Stückchen weiter und parallel dazu lassen wir Euch an unseren Eindrücken, Gedanken und Ergänzungen dazu teilhaben. Wer Fragen hat, darf fragen. Wer sich auch äußern mag oder ergänzen, darf das auch gerne.
Teil 3 Biologie und Ökologie des Wolfes von Andreas Daim
Andreas Daim, Msc., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut von Prof. Hackländer.
In eigener Sache weisen wir hier erstmal auf unser Homepage hin, auf der wir kurz, knapp und knackig den Wolf: https://www.bayern-wild.de/kompaktwissen/wolf/ vorstellen. Und wer dann tiefer einsteigen will dem steht eine Vielzahl an guten Internetseiten und Büchern zur Verfügung. Oder eben auch unsere Zusammenfassung von Andreas Daims Beitrag:
Der Wolf ein Rudeltier
Ein Rudel ist ein Familienverband: Zwei Elterntiere, Nachwuchs aus dem aktuellen und dem vergangenen Jahr. Bis zu elf Welpen nennt, Daim, im Durchschnitt sind es 4-6. Anmerkung: Die Zahlen und Angaben schwanken immer. Es kommt auf das Alter (erster Wurf?) und die Fitness der Mutter an, bei der Aufzucht selbst beeinflussen dann neben Nahrungsverfügbarkeit auch Wetter und Krankheiten die Überlebensrate der Wölfe. Unterschiedliche Angaben sind also keine falschen Zahlen. Und pauschale Zahlen geben zwar einen Eindruck, lassen aber nicht ohne weiteres „einfache“ Hochrechnungen der Bestandesentwicklung zu.
In Europa besteht ein Rudel im Durchschnitt aus 7 Tieren. Im Rudel herrscht eine Rangordnung. In der Regel pflanzen sich nur die Elterntiere fort.
Jungtiere wandern meist im zweiten Jahr, mit Erreichen der Geschlechtsreife, ab. Auch eine niedrige Stellung im Rudel scheint eine Rolle zu spielen. Diese Tiere kommen beim Futter zu kurz. Der Hunger lässt sie dann also neue Wege gehen. Und wer seine Stellung im Rudel verliert, neigt auch dazu lieber auszuziehen. Ansonsten ist es im Rudel recht ruhig. Durch die klare Hierarchie gibt´s da selten was zu meckern. Seine Position bestärkt sein Wolf über sein Verhalten, Geruch und Laute.
Der Wolf im Jahreslauf
Wie bei allen Lebewesen ist das Leben auf Fortpflanzung ausgerichtet. Wie das Territorium genutzt wird hängt ganz maßgeblich von den Jungtieren ab. Kurz vor und nach der Geburt im April/Mai sind Wölfe ziemlich eingeschränkt in ihrem Aktionsradius und halten sich am Bau auf. Ab etwa 3 Wochen werden Wolfswelpen zunehmend aktiver und verlassen dann mit ca. 8 Wochen den Bau. Auf sogenannten Rendezvou-Plätzen verbringen die Wolfs Welpen ihre Zeit, während die „Großen“ auf Jagd gehen. Hier werden sie versorgt. Am Anfang halten sich die Tiere ca. 20 Tage an einem Platz auf, bevor ein neuer bezogen wird. Später im Jahr (August/September) sind es dann nur noch ca. 7 Tage. Die jungen Wölfe werden immer fitter und können im Spätherbst mit den Erwachsenen mitziehen.
Der Tageslauf der Wölfe dreht sich ums Fressen. In der Abenddämmerung geht es zur Jagd, in der Nacht, spätestens in den Morgenstunden geht es ins (schattige) Tageslager. Dies gilt vor allem für die heißen Sommermonate. Die Aktivitätsmaxima der Wölfe bezeichnet Daim als nicht vom Menschen beeinflusst sondern beeinflusst durch die Aktivität der Beutetiere. Da diese aber oftmals auf menschliches Verhalten reagieren und dämmerungs- und nachtaktiv sind, verhalten sich auch die Wölfe dementsprechend.
Wölfe laufen bekanntlich weit: Bis zu 1000km auf der Partnersuche. In Finnland (Tundra) sind Wölfe mal 200km am Tag gelaufen. In den USA weiß man, dass gerade im Winter Tageswanderungen von 50-70km vorkommen. Im Schnee schön im Gänsemarsch um Energie zu sparen. Ansonsten ist ein Tagesdurchschnitt bei 25km, ohne Welpen. Je höher die Beutetierdichte, desto geringer natürlich die Distanzen, die zurückgelegt werden müssen. Da wird sich die Tundra von hiesigen Wäldern unterscheiden.
An einem Tag wird ungefähr ein Zehntel des Revieres genutzt. Am nächsten Tag ein weitestgehend anderer Bereich usw. usw. Das hat mehrere Vorteile: Beutetiere werden aufmerksamer wenn Wölfe jagen, das schmälert den Jagderfolg. Also lieber in ein Gebiet, dass die Wölfe schon länger nicht mehr genutzt haben. Hier sind Reh, Hirsch und Co unvorsichtiger und damit leichter zu erbeuten. Außerdem kommt man, also Wolf, so im Laufe der Wochen fast einmal rum und kann Markierungen auffrischen. Wölfe nutzen gerne Wechsel anderer Wildtiere und Wege der Menschen.
Essen
Gefressen wird, was vorhanden und am einfachsten zu erbeuten ist. Rehwild, Rotwild, Schwarzwild, Damwild, Gämsen, Muffel. Auch Biber, Dachs, Hasen, Maus, Fische, Insekten, Aas, Abfälle… der Wolf ist da flexibel. Schafe, Ziegen, Rinder, Pferde können, wenn nicht zu riskant und wehrhaft, auch gerissen.
Wer schwach (krank), jung (unvorsichtig, unerfahren) oder alt (langsam) ist, wird leichter Opfer eines Wolfsangriffes. Auch die Paarungszeit ist nach Daim eine gefährliche für Beutetiere.
Hohe Schalenwilddichten und geschützte Nutztiere lassen Wölfe weitestgehend Schalenwild fressen und Nutztiere verschonen. In diesem kurzen Abriss geht Daim aber nicht weiter auf die Schutzmaßnahmen, Studienort, Anzahl Weidenutzung bzw. Weidesystem ein. Wohl aber merkt er an, dass Rissraten an Nutztieren nicht vorhersehbar sind. Ja, es gibt Regionen in denen die Nutztierrisse mit etablierten Rudeln zurückgehen, in anderen Regionen mit weniger Schalenwild werden fast ausschließlich Nutztiere gerissen (Portugal). Anmerkung: Wichtig ist Daims Aussage, dass eine Generalisierung und Übertragung auf andere Gebiete und Gegebenheiten nahezu unmöglich ist. Wir können davon lernen und sollten Beispiele im Hinterkopf haben, sie müssen aber nicht zwingend die Variante und Lösung bei uns sein.
Habituierung, also Gewöhnung der Wölfe an den Menschen muss vermieden werden. Die Wildtiere dürfen den Menschen nicht mit positivem, wie z.B. Futter verbinden. Das birgt starke Konflikte in sich und wird im Fall der Fälle zum Tod des Wolfes führen müssen.
Wieviel Beute braucht der Wolf?
Wölfe sind Hetzjäger. Im Rudel können sie durch gute Zusammenarbeit große wehrhafte Tiere erlegen. Mit Bissen in Hinterbeine und Flanken wird die Beute gestoppt, runtergezogen und im Regelfall mit einem Kehlbiss getötet. Kleine und junge Tiere können komplett gefressen werden, bei größerer Beute bleiben schon mal Wirbelsäule, Schädel zurück. Bei Tieren auf gezäunten Weiden und in Gattern kann es zu Mehrfachtötungen kommen. Das wir einmal durch ein wenig ausgeprägtes Fluchtverhalten der Weidetiere erklärt (v.a. für Schafe trifft das zu) und durch die eingeschränkte Fluchtmöglichkeit. 2016 waren im Durchschnitt in Deutschland 3,8 Nutztiere die pro Angriff getötet wurden. Anmerkung: 2018 waren es im Durchschnitt 3,2 getötete Tiere. Die Zusammenstellung der Wolfsübegriffe in Deutschland von 2002-2018 zeigt, dass zu 86,5% Schafe und Ziegen handelt, gefolgt von 8,8% Gatterwild und 5,3% Rinder (Kälber). Quelle: https://www.dbb-wolf.de/wolfsmanagement/herdenschutz/schadensstatistik
Die Angaben zu Nahrungsbedarf und Rissrate schwanken stark. Das stellt Daim fest und sicherlich auch jeder, der dazu schon verlässliche Zahlen gesucht hat, hat dies bereits bemerkt. Sie reichen von 1,7-10,0 kg Fleisch pro Tag und Wolf. Anmerkung: Puh, mit welchen Zahlen kann man da dann sinnvoll rechnen? Sinnvoll ist als erstes die Tatsache: wir haben es mit natürlichen Vorgängen zu tun, und die sind selten in eindeutige, immer gültige fixe Zahlen zu packen. Es ist einfach so: es kommt drauf an… Region, Beutetiere, Wolfsindividuen (Größe, Alter, Geschlecht, Jahreszeit), auch Aufnahmekriterien der jeweiligen Studie, wurde reine Fleischasse berechnet oder Biomasse (Gesamtgewicht Knochen, Fell, Innereien, Fleisch)…? Um es vereinfacht dazustellen haben wir uns für den durchschnittliche Angabe 5kg entschieden, wenn jemand eine Zahl genannt bekommen will. https://www.bayern-wild.de/kompaktwissen/wolf/ Immer mit dem Zusatz „es kommt drauf an“ und unseren Ausführungen dazu in diversen Gesprächen.
Beispiel Studie: Bialowieza: durchschnittlich 5,3kg Fleisch pro Wolf und Tag. Zum Überleben ausreichend: 2-3 kg. Durchschnittlich 7,7kg Biomasse pro Wolf und Tag.
Lebensraumeignung Österreich
Wir sind so frei und ersetzen dieses Kapitel weitestgehend mit Daten für Bayern.
Grundsätzlich können Wölfe bei uns überall vorkommen, zumindest alle Regionen durchziehen. Wo letztendlich ein Rudel dauerhaft ansässig wird ist dann nochmal eine andere Frage. Es gibt wohl Hinweise, dass waldreiche Gebiete und Gebiete mit wenig menschlicher Störung bevorzugt werden. Anmerkung: Aber wir kennen die Geschichten der Wolfsrudel aus Italien und Rumänien, die durchaus menschliche Strukturen nutzen, Müllkippen als Futterquellen aufsuchen und sich von Menschen nicht weiter stören lassen. Auch die Truppenübungsplätze in Sachsen sind nicht für ihr undurchdringliches Dickicht bekannt. Allerdings finden Wölfe hier ruhige Rückzugsräume und Futter.
Wichtig sind die Faktoren Nahrung und Jungenaufzucht. Daim nennt eine ungestörte Kernzone für die Jungenaufzucht von 10km².
In Untersuchungen kam man zum Ergebnis, dass Wölfe in Gebieten mit einer Bevölkerungsdichte von 0-3050Menschen/km² vorkommen, im Durchschnitt 36,7 Menschen/km². Anmerkung: Das sind wieder Spannen, mit denen in Gesprächen über den Wolf kein Blumentopf zu gewinnen ist. Sie sind wichtig für eine faktische, wissenschaftliche Grundlage. Aber ehrlich: in einer Diskussion darüber, ob der Wolf bei uns geeigneten Lebensraum findet oder nicht, sind Zahlen oft hinfällig. Da geht es um Gefühle. Wir finden: wenn sich eine Tierart irgendwo zeigt, dauerhaft anwesend ist und auch noch Nachwuchs aufzieht, dann ist das ein ganz elementares Zeichen, dass der Lebensraum geeignet ist. Zumindestens aus Sicht des Tieres. Das er aus menschlicher Sicht ungeeignet erscheint, ist dann nochmal was andere.
Wie viele Wölfe haben in Österreich Platz?
Auch hier erlauben wir uns die bayerische Ergänzung zum Kapitel.
Wolfsterritorien können sich in Randbereichen überlappen. Prinzipiell werden die Gebiete aber verteidigt und natürlich gerade an den Außengrenzen mit „besetzt“ (Urin und Kot) markiert. Anmerkung: In Bayern ist es so, dass das Paar in Grafenwöhr durchaus in das Territorium des Veldensteiner Rudels wechselt. Es gibt auch Berichte in denen einzelne Wölfe eine ganze Zeit in besetzten Rudel Territorien geduldet werden.
Auch die Angaben zu den Größen der Territorien schwanken. Denn wir wissen: Es kommt drauf an…nämlich auf:
Nahrungsverfügbarkeit (Anzahl, Beutetierart), Topographie, Rudelgröße. Streifgebiete können sich auch ändern und verschieben. In Deutschland liegt die durchschnittliche Reviergröße eines Rudels (Lausitz) bei 215km². Das österreichische Rudel in Allentsteig durchstreift 157km². Streifgebiete in Sommer sind meist kleiner, als die im Winter. Wie viele Rudel in einem Gebiet vorkommen wird durch Nahrungsverfügbarkeit, Konkurrenz und Territorialverhalten bestimmt.
Wachstumraten in den ersten Jahren nach der Rückkehr können sehr hoch sein. Beispielsweise in Gebieten der USA von 1993.1996 um 90% mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von 50%. In Frankreich war die Spanne (seit 1992) zwischen 5-25 jährlichen Zunahme. In Deutschland stellte man von 2016 auf 2017 eine Zunahme von 30% fest.
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Der Wolf im Spannungsfeld von Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Tourismus und Artenschutz von Klaus Hackländer (Herausgeber) – Teil 2
Eine etwas andere Rezension.
Im digitalen Zeitalter und herausgefordert durch eine Ausgangsbeschränkung beschäftigt sich der Mensch gerne mit „Challanges“. Wir nehmen unsere selbst auferlegte Herausforderung an und … lesen ein Buch. Jeden Tag ein Stückchen weiter und parallel dazu lassen wir Euch an unseren Eindrücken, Gedanken und Ergänzungen dazu teilhaben. Wer Fragen hat, darf fragen. Wer sich auch äußern mag oder ergänzen, darf das auch gerne.
Teil 2 Der Wolf kommt zurück – und jetzt? Von Klaus Hackländer
Prof. Dr. Klaus Hackländer arbeitet am Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft der BOKU in Wien. Er geht in diesem Kapitel auf den Schutzstatus des Wolfes und den Einfluss durch den Wolf ein.
In Europa geht man von 17.000 Wölfen aus. Weiterhin nehmen die Bestände wieder zu. Woran das liegt? Hackländer sieht 3 Faktoren: Zunahme der Beutetierbestände. Landflucht der Bevölkerung. Schutzstatus und dessen Umsetzung.
In den meisten EU Ländern seien die Rotwildbestände seit den 1960er Jahren um 400-700% angestiegen. Anmerkung: Das klingt unglaublich, wenn man Deutschland betrachtet. Hier werden Rothirsche auf sogenannte Rotwildbezirke beschränkt. Außerhalb müssen sie abgeschossen werden. Um natürliches Wanderverhalten im Winter aus höheren Lagen zu verhindern werden vielerorts Futterstellen und Wintergatter betrieben. Nun gut, aber Deutschland ist ja auch nur ein Teil der gesamten EU.
Verbreitung Hirsch in Deutschland: hier.
Nach einigen internationalen und nationalen Gesetzten, die Hackländer auflistet, die wir uns hier aber sparen, da schon sehr oft erwähnt, ist der Wolf streng geschützt. Wer alle Gesetze wissen will klicke hier: https://www.bayern-wild.de/kompaktwissen/wolf/
Oft werde Stimmen laut, dass der Wolf in seiner europäischen Gesamtheit nicht gefährdet ist. Und die Tendenz der Wolfsbestände auch in Deutschland ist stetig zunehmen. In der FFH Richtlinie Anhang IV ist der Wolf streng geschützt. In Einzelfällen kann es zu Ausnahmen kommen. Dabei muss sichergestellt sein, dass es keine andere Lösung gibt und der Gesamtbestand im natürlichen Verbreitungsgebiet nicht gefährdet ist. Anmerkung: Ja, im Gesamten betrachtet scheint des den Wölfen in Europa nicht schlecht zu gehen. Doch ist das ein Argument zu sagen andere Länder sollen sich mit den Problemen herumschlagen, im Gesamten betrachtet braucht es die Wölfe bei uns aber nicht? Bisserl unsozial, finden wir. Was „braucht“ es schon? Wir persönlich brauchen auch keine Eichkatzerl, irgendwelche Bläulinge auf irgendwelchen Magerwiesen, keine Energiemais Monokulturen, keine Supermarktverkäufer und Ärzte, denn in der Gesamt-EU gibt es sicherlich genug davon. Ironie Ende. Es ist, Gott sei Dank oder leider, zu kurz gesehen, wenn nur das unmittelbare positive wie negative der Rückkehr von Wölfen betrachtet wird.
Nun aber zurück zum Kapitel „Der Wolf kommt zurück – was jetzt?“: Hackländer beleuchtet kurz unsere Emotionen rund um den Wolf. Er ist ein kräftiges Raubtier, zweifelsohne eine potentielle Gefahr für alles Schwächere. Auf der anderen Seite verdanken wir seiner Linie unser liebstes Haustier. (Katzenfreunde mögen uns diese Anmerkung nicht übel nehmen – Katzen (und Luchse!) sind auch toll 😉) Die relativ wenigen unmittelbaren Übergriffe und Gefahren durch Wölfe auf Menschen leitet Hackländer daraus ab, dass Länder in denen der Wolf nie ausgerottet war, den Wolf durch Jagd, legal wie illegal, (Anmerkung: und andere Schutzmaßnahmen und Vergrämungen) auf Abstand gehalten haben. Es sei nicht verwunderlich, dass Wölfe ihre Grenzen ausloten und dann dem Menschen auch näher kommen können Wirkliche Gefahr sieht Hackländer nur bei erkrankten Tieren.
Gefährlich sind Wölfe aber natürlich für Weidetiere. Vergrämung und Schutzmaßnahmen waren bei uns lange Zeit nicht mehr notwendig. Weder Landbewirtschafter noch die zuständigen Behörden sind auf den Umgang mit dem Wolf im erforderlichen Maß vorbereitet. „Kompensation und Prävention von Schäden hinken der Realität hinterher…“. Anmerkung: Da hat er leider recht. In manchen deutschen Bundeländern ist man schon weiter, Bayern – sonst immer gern ein Vorreiter – hatscht da weit hinterher!
Und dann ist da noch die Jagd. Natürlich fressen Wölfe nicht nur Schafe. Anmerkung Wenn man ehrlich ist, auch nur zu einem ganz kleinen prozentualen Anteil: Was aber irrelevant ist, wenn diese 1% auf unter anderem auf meiner Schafweide stattgefunden haben und dann doch 50 Schafe tot sind.
Jäger waren bislang (bis auf ein paar Luchsgebiete) die einigen Raubtiere. Nun spielen die Wölfe mit. Nach anderen Kriterien und Maßstäben. Anmerkung: Das kann natürlich problematisch werden: wie handhaben wir das mit den Rotwildgebieten? Wie mit Wintergattern? Wie mit den Sau-Rotten die sowieso schon gut genährt durch die Maisschläge ziehen?
Hackländer erwähnt in diesem Zusammenhang die Landschaft der Furcht („Landscape of fear“). Diese besagt, dass direkte und indirekte Faktoren das Verhalten der Tiere beeinflussen. Mehr dazu auch hier: https://www.bayern-wild.de/beutegreifer-und-beute/ Interessant: Das Stresshormonlevel der Rothirsche in Wolfsgebieten scheint niedriger zu sein als in stark vom Menschen gestörten Gebieten. Irgendwas machen die Wölfe „entspannter“… Allerdings ändert sich das Verhalten gerade beim Rotwild schon: sie können sich zu größeren Rudeln zusammenschließen und übersichtlichere Äsungsflächen aufsuchen. Außerdem können sie ihr Verhalten dahingehend ändern, dass sie zu anderen Zeiten an anderen Orten fressen oder ruhen. Anmerkung: Eine Anpassung an Wolfspräsenz und damit eine Überlebensstrategie der Wölfe. Also ganz schön schlau. Nur für menschliche Jagd und auch die Forstbewirtschaftung kann das natürlich auch bedeuten, dass sie sich anpassen müssten, wenn sie können und wollen.
Wölfe, Wolfsmischlinge
Hackländer geht hier nur kurz darauf ein. „Der Streit darum ist müßig, denn es ist davon auszugehen, dass es seit der Domestizierung des Wolfes immer wieder Rückkreuzungen zwischen Hunden und Wölfen gab.“ Natürlich ist das interessant aus genetischer und akademischer Sicht. Für den Umgang mit dem Wolf scheint es Hackländer aber irrelevant und „nicht zielführend“. Anmerkung: Auch Wolfshybride unterliegen einem strengen Schutz. Daher ist das Argument, die Wölfe bei uns seien keine Wölfe, damit nicht schützenswert und abzuschießen rechtlich gesehen nichtig. Auch für ihre Entnahme ist eine arteschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung notwendig.
„Verschiedene Blickwinkel erweitern den Horizont.“
Unsere Rede! Daher freuen wir uns auf die nun folgenden Kapitel des Buches!
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Der Wolf im Spannungsfeld von Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Tourismus und Artenschutz von Klaus Hackländer (Herausgeber) – Teil 1
Der Wolf: Eine etwas andere Rezension.
Im digitalen Zeitalter und herausgefordert durch eine Ausgangsbeschränkung beschäftigt sich der Mensch gerne mit „Challenges“. Wir nehmen unsere selbst auferlegte Herausforderung an und … lesen ein Buch. Jeden Tag ein Stückchen weiter und parallel dazu lassen wir Euch an unseren Eindrücken, Gedanken und Ergänzungen dazu teilhaben. Wer Fragen hat, darf fragen. Wer sich auch äußern mag oder ergänzen, darf das auch gerne.
Der Wolf: Teil 1 Vorwort
„Der Wolf“ ist kein herausragender Buchtitel in der Summe der Wolfsbücher die den Markt erfüllen. Und dass es nicht das einzige Wolfsbuch ist, stellt der Herausgeber Klaus Hackländer auch gleich in seiner Einleitung klar. Da gibt es Märchen von Wölfen, Teambuilding für Manager im Stil der Wölfe, Zerstörung unserer Traditionen durch die Wölfe etc. etc. „Weder Verherrlichung noch Verdammung der Wölfe ist angebracht…“ meint der Herausgeber und das können wir nur unterstreichen. Auch wir versuchen ein Gesamtbild des Wolfes zu vermitteln, als beeindruckendes Raubtier, aber durchaus mit Schwierigkeiten bei unserer Weide- und Gattertierhaltung.
Die Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) hat in zwei Projekten die Rückkehr der Wölfe aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet: Landwirtschaft, Freizeitgestaltung, Jagd, Forst. Im vorliegenden Buch wurden die verschiedenen Themen aufgearbeitet. Wir folgen ihnen nun Tag für Tag.
Über den Wolf gibt es eine Vielzahl an pro und contra Büchern, Bücher über Verhaltensbiologie, Märchen, Management- und Selbstfindung. Wichtig für den Umgang mit Wölfen bei uns ist eine Beleuchtung aller Sichtweisen und Faktoren.
Dies war der 1. Teil und damit nur die Einführung in die Rezension von „Der Wolf im Spannungsfeld von Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Tourismus und Artenschutz“, geschrieben von Klaus Hackländer.
In den nächsten Beiträgen auf unserem Blog Bayern Wild werden wir das Buch nach und nach näher betrachten. Wer interessiert ist, sollte also auf gar keinen Fall vergessen auf diesen Link zu klicken…
WEITER ZU TEIL 2
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Umgang mit dem Wolf – Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes
von Stefanie Morbach
In den kommenden Tagen soll im Bundestag über die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes abgestimmt werden.
Ändern soll sich:
- In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 45 folgende Angabe eingefügt: „§ 45a Umgang mit dem Wolf“.
- § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 1 wird wie folgt gefasst: 1.„ zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei- oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster Schäden,“.
- Nach § 45 wird folgender § 45a eingefügt: „§ 45a Umgang mit dem Wolf“
Unter „§ 45a Umgang mit dem Wolf“ werden verschiedene Umstände beschrieben unter denen ein oder mehrere Wölfe dann entnommen oder geschossen werden können, siehe dazu.
Dies alles bezieht sich auf den Wolf und im Anschreiben aus dem Bundestag entsteht der Eindruck es ginge hier einzig und alleine um den Wolf.
Allerdings soll auch folgender Abschnitt abgeändert werden:
(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen
1. zur Abwendung erheblicher land-, forst-, fischerei-, wasser- oder sonstiger erheblicher wirtschaftlicher Schäden, (…)
Die Wortwahl „erhebliche Schäden“ soll dann in „ernste Schäden“ umformuliert werden. Und das würde sich nicht alleine auf den Wolf beziehen, sondern alle streng geschützten Wildtierarten, die dieser Gesetzesregelung unterliegen.
Der Wolf mag ein prominentes, medienwirksames Beispiel sein, aber schwerwiegende Auswirkungen könnte das auch für andere „unliebsame“ Arten wie z.B. dem Fischotter haben.
Ginge es nur um den Wolf, mag der ein oder andere sagen: Ausbreitungstendenz passt, Vermehrungstendenz passt … Da brauchen wir kein Aufheben um die Gesetzesänderung machen. Noch immer ist er eine streng geschützte Tierart, es gelten internationale Abkommen, der Allgemeinheit der Wölfe tut das keinen Abbruch.
Zeitgleich nutzen weitere Akteure genau diesen populären Wolf, um gegen die Gesetzesänderung zu protestieren. Ja, auch hier kann man den Wolf als „Leuchtturmart“ nutzen. Nur täuscht man damit auch diejenigen, die dem Wolf gänzlich kritisch gegenüberstehen, die grundsätzlich aber eine Verwässerung der Gesetzeslage auch für andere wichtige Wildtierarten nicht befürworten würden.
Es ist verzwickt. Wir sind gespannt, wie der Bundestag sich – hoffentlich nach intensiver, reiflicher Überlegung – entscheiden wird. Letzten Endes werden dann wohl erste Klagen und richterliche Entscheidungen die Interpretation und den weiteren Weg zeigen müssen.
Weitere Informationen: Stellungnahme Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
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Wolf – Änderung Bundesnaturschutzgesetz
Und da kochen sie wieder die Emotionen! Am 21.5. 2019 wurde der „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes“ im Bundeskabinett beschlossen. …und zack hatte jeder einen Kommentar. Wir halten uns zurück und versuchen den Inhalt zusammenzufassen – mit ein paar Hinweisen. Und natürlich den offiziellen Gesetzesentwurf.
Änderung Bundesnaturschutzgesetz… doch…
Was steht drin?
- Das Füttern von Wölfen soll verboten werden
- Auch wenn unklar ist welches Individuum einen Nutztierriss verursacht hat, sollen künftig Entscheidungen zum Abschuss erleichtert werden.
- Freiwillige Mitwirkung von Jagdausübungsberechtigten bei der Entnahme soll geregelt sein.
- Entnahme von Hybriden durch zuständige Naturschutzbehörde
Fütterungsverbot
Leider ist es dem gesunden Menschenverstand nicht zumutbar, dass selbstverständlich KEINE Wildtiere – schon gar keine Beutegreifer angefüttert werden sollten. Tauben und Enten tut es bekanntlich nicht gut, Wildschweine werden durch diese Gewöhnung an Futter in Menschennähe eine Plage und Gefahr und ebenso auch die Wölfe. Warum neigt der Mensch dazu alles füttern zu müssen…? Man weiß es nicht. Wenn also die Vernunft das nicht klärt, muss es wohl ein Gesetz tun.
Somit wird die Fütterung zur Ordnungswidrigkeit und kann verfolgt werden.
Anmerkung: Allerdings sollte man auch die nicht gezielten Fütterungen – allen voran beispielsweise Luderplätze – überdenken. Zumindest deren Standort sollte so gewählt sein, dass möglicherweise vorbeikommende Wölfe diese nicht mit Menschennähe verknüpfen.
Artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung
Der Gesetzentwurf sieht vor, „dass wenn Schäden bei Nutztierrissen keinem bestimmten Wolf eines Rudels zugeordnet worden sind, der Abschuss einzelner Mitglieder (…) in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang bei bereits eingetretenen Rissereignissen auch ohne Zuordnung zu einem bestimmten Einzeltier (…)“ möglich sind. So zumindest formuliert in § 45 (2), S. 3 des Gesetzentwurfes. Ergänzt wird dies allerdings im Anhang „Begründung B. Besonderer Teil“ durch den Satz „…dass der Ausnahmegrund erfordert, dass der drohende oder bereits eingetretene Schaden „ernst“ (…) ist.“ In der Gesetzesformulierung ist also von einer „Wiederholungstat“ die Rede. Im Anhang lässt sich die Formulierung „drohender Schaden“ eher präventiv verstehen. Letztendlich wird es im konkreten Fall dann im Ermessen der zuständigen Behörde sein.
Es handelt sich für die streng geschützte Tierart Wolf stets um eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung. Dabei kann die Genehmigung nicht ausschließlich für einen bestimmten riss-verursachenden Wolf gelten, wie oben erwähnt. Grundsätzlich soll aber weiterhin in erster Linie das Tier abgeschossen werden, dass die Schäden verursacht hat. Ist der Abschuss erfolgreich, soll, wenn möglich und eine Vergleichs-DNA vorliegt, ein genetischer Abgleich klären, ob es sich um den Verursacher handelt. Stellen sich die Risse ein, gilt die Ausnahmegenehmigung als genutzt und läuft mit sofortiger Wirkung aus. Werden weiterhin Schäden dokumentiert, kann ein weiterer Wolf geschossen werden. Ein Riss durch Hund oder bloße Nachnutzung durch den Wolf soll dem Entwurf nach mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein. Heißt aber: Nutztierriss – es kann sukzessive eine Abschussgenehmigung für sich dort aufhaltende Wölfe ausgesprochen werden. Bislang musste die Tat einem Wolf (genetisch) zugeordnet werden.
Anmerkung: Laut bayerischem Aktionsplan Wolf wird eine Entnahme nur erteilt, wenn Herdenschutzmaßnahmen wiederholt überwunden werden, es Risse in nicht schützbaren Weidegebieten gibt oder Menschen in Gefahr sind. („nicht schützbare Weidegebiete“ werden hier im Artikel nicht weiter diskutiert siehe Blogbeitrag) Die Mindestanforderung Herdenschutz in Bayern werden voraussichtlich 90cm Netzhöhe bzw. min. 4 Litzen auf 20, 40, 65, 90 cm; 1 Joule, min. 4000 Volt sein. Die dringlich ausstehende Förderrichtlinie muss nun von Seiten der EU abgesegnet werden. Bislang gibt es sie für Bayern nicht. Allerdings ist sie zwingend notwendig, um letztendlich über erhoffte Sinnhaftigkeit eines Abschusses entscheiden zu können.
Gleiche Entnahmeregelung gilt bei Gefahr für den Menschen (Verletzung durch einen Wolf, Verfolgung oder Aggressivität ohne Provokation).
Beteiligung von Jagdausübungsberechtigten beim Abschuss von Wölfen
Jagdausübungsberechtigte sollen zukünftig bevorzugt bei der Entnahme einbezogen werden. Dies soll für die Jäger freiwillig bleiben. Bislang konnten Wölfe nur von eigens benannten Personen geschossen werden. Sicherlich verfügen Jäger aus der Region über bessere Ortskenntnisse. Ob dadurch auch ein Abschuss leichter wird, bleibt abzuwarten. Zudem müssen sich auch Jäger finden –den gesellschaftlichen/sozialen Druck sollte man da nicht unterschätzen. Dulden muss der Jagdausübungsberechtigte die Entnahme in seinem Revier, selbst wenn er nicht aktiv werden möchte.
Umgang mit Hybriden
Grundsätzlich unterliegen Hybride bis in die 4. Generation dem gleichen Schutzstatus wie der Wolf. In Deutschland traten zwei Fälle (2013, 2017) auf. Nun soll die Entscheidung für eine Entnahmegenehmigung die zuständige Regierungsbehörde treffen. Hybride sollen, auch wenn sie keinen Schaden anrichten, entnommen werden. Bei erwachsenen Tieren wird dies im Regelfall die Tötung sein, da ein Leben in Gefangenschaft für diese Tiere oftmals unerträglich ist.
Mehr über Hybride in Deutschland können Sie hier nachlesen.
Herdenschutz
In der Begründung zur Gesetzesänderung wird mit einem Satz auf die Bedeutung des Herdenschutzes „zur Abwehr von Schäden an Nutztieren“ eingegangen. In der Pressemeldung aus dem BMU heißt es „Voraussetzung bleibt, dass die Weidetierhalter ihre Herden ausreichend schützen. Nur so lernen Wölfe Nutztiere gar nicht erst als leichte Beute kennen. Abgeschossen werden dürfen nur Wölfe, die Herdenschutzzäune mehr als einmal überwinden. Das ist bereits gängige Praxis in den Bundesländern, die in jedem Einzelfall den Abschuss anordnen müssen.“ Siehe: https://www.bmu.de/pressemitteilung/schulze-neuregelung-zum-wolf-ist-vernuenftiger-interessenausgleich-zwischen-artenschutz-und-weidetie/
Änderung Bundesnaturschutzgesetz: Das Bundesnaturschutzgesetz regelt nicht den Herdenschutz. ABER weiterhin müssen alle Register der Naturschutz- und Landwirtschaftsverbände gezogen werden, um Herdenschutz zu fördern und den Erhalt der Weidewirtschaft zu fordern. Die Politik ist hier gefragt Regelungen festzusetzen und dementsprechend zu unterstützen. Herdenschutz ist längst noch nicht etabliert. Hier reden wir nicht von Hochsicherheitsarealen für Weidetiere, sondern von grundsätzlich guter Weidezaunpraxis.
Außen vor ist das Thema Vergrämung, so dass nicht nur durch ausreichende Weidezäune, sondern auch weitere Maßnahmen übergriffige Wölfe vertrieben werden können. Dringend muss auch dies geregelt werden, um Weidetierhaltern eine Möglichkeit zu geben Wölfe, die sie in flagranti erwischen nachdrücklich abzuwehren. Letztendlich dient dies dem Schutz der Weidetiere und der Wölfe.
Wie die Ergänzungen im Bundesnaturschutzgesetz – nach in Kraft treten – dann interpretiert und umgesetzt werden, werden wir alle wohl erst im Fall der Fälle sehen.
Es ist naiv zu glauben Wölfe könnten durch Abschuss daran gehindert werden wieder durch unsere Lande zu streifen oder Weidetiere zu reißen. Dies gilt nur für den getöteten Wolf. „Zur Abwehr von Schäden an Nutztieren ist der Herdenschutz von ausschlaggebender Bedeutung.“ (Begründung A. Allgemeiner Teil „Zielsetzung und Notwendigkeit“) Ein wahrer Satz, dem aber zu Grunde liegen muss, dass Abschuss von Wölfen (zumal präventiv), kein Herdenschutz ist.
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