Umweltministerkonferenz (November 2023): Einstimmige Änderung Praxisleitfaden Wolf

von Franziska Baur

Eurasischer Grauwolf (R. Simonis)

 

Bundesumweltministerin Lemke hat der Prozess zu einer Abschussgenehmigung bisher zu lange gedauert – nun soll der Verwaltungsaufwand reduziert werden. Die Bundesländer selbst sollen jetzt bestimmte Regionen mit vermehrten Rissen durch Wölfe festlegen. Künftig darf nach einem dortigen Riss eines Weidetieres 21 Tage lang auf Wölfe geschossen werden, die sich im Umkreis von 1.000 Metern von einer Rissstelle aufhalten. Anders als bisher, müsse dafür nicht das Ergebnis einer DNA-Analyse abgewartet werden. Diese Schnellabschüsse seien unbürokratisch und praktikabel umsetzbar. Langwierige Gesetzesänderungen auf nationaler oder europäischer Ebene seien dafür nicht nötig. Mit dieser Lösung soll den Sorgen der betroffenen Weidetierhalter*innen Rechnung getragen werden, ihnen mehr Schutz und Sicherheit gegeben und ein wichtiges Signal der Versöhnung ausgesendet werden. Die Umweltminister hoffen, auf diese Weise eine Balance von Wildtier- und Weidetierschutz zu schaffen.

 

Über diese Neuregelung wird sich vermutlich besonders die bayerische Staatsregierung freuen: Seit 1. Mai 2023 regelte diese den Umgang mit einer eigenen Wolfsverordnung. Neben einer spezifischeren Auslegung der Gefährdungen für den Menschen, ermöglicht die Verordnung dem Landratsamt eine Abschusserlaubnis zu erteilen, wenn es die Gesundheit des Menschen oder die öffentliche Sicherheit gefährdet sieht – etwa, wenn Wölfe sich mehrfach Menschen auf unter 30 Meter nähern oder wenn sie über mehrere Tage in einem Umkreis von weniger als 200 Metern von geschlossenen Ortschaften, Gebäuden oder Stallungen gesehen werden. Möglich ist der Abschuss nun auch “zur Abwendung ernster landwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden” – dies zielt konkret auf die Alm- und Weidewirtschaft in den Bergen. Dort können Wölfe geschossen werden, wenn sie in “nicht schützbaren Weidegebieten” ein einziges Nutztier töten. Das sind Gebiete, “bei denen ein Herdenschutz entweder nicht möglich oder nicht zumutbar ist”. Die Landratsämter können über den Abschuss selbstständig entscheiden. Bislang waren dafür die Bezirksregierungen zuständig.

 

Sowohl die Neuregelung des Praxisleitfadens Wolf als auch die bayerische Wolfsverordnung muss jedoch mit geltendem Bundes- sowie EU-Recht vereinbar sein. Ein Gutachten des wissenschaftlichen Diensts des Bundestags bezweifelt, dass Wölfe getötet werden können, obwohl erfolgte Schäden an Weidetieren diesen nicht eindeutig zugeordnet wurden oder werden können. Das von der Bundestagsfraktion der FDP in Auftrag gegebene 16-seitige Gutachten macht außerdem geltend, dass der Europäische Gerichtshof den Abschuss nur unter sehr strengen Auflagen erlaube. Darum dürfte eine letale Entnahme nach nur einem Riss mit den unionsrechtlichen Artenschutzvorgaben und dem Bundesnaturschutzgesetz grundsätzlich nicht vereinbar sein.

 

Desweiteren ist aus wissenschaftlicher Sicht eine willkürliche Entnahme nicht als effektives Mittel gegen Nutztierrisse geeignet. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie reduziert eine laxere Gesetzgebung bezüglich der Wolfsjagd nicht das Rissrisiko. Es wurde analysiert, wie sich die saisonale Wolfsbejagung in der Slowakei auf die Anzahl an Weidetierverlusten ausgewirkt hat. Der statistischen Auswertung zufolge, gibt es keinen Zusammenhang zwischen der Anzahl an gerissenen Weidetieren und der Anzahl an geschossenen Wölfen in der Vorjahressaison. In der Slowakei ist der Wolf dem Artikel V der FFH-Richtlinie zugeordnet und unterliegt dem Jagdrecht. Im betrachteten Zeitraum wurden Wölfe aufgrund eines damals geltenden Gesetzes in den Wintermonaten quotenmäßig bejagt. Zwar hatte diese Bejagung keinen Effekt auf die Nutztierrisse, doch es konnte ein anderer Zusammenhang festgestellt werden. Demnach nahmen die Übergriffe der Wölfe auf Schafe und Rinder zu, wenn deren natürlichen Beutetiere wie Rehe und Wildschweine seltener wurden. Insgesamt machten Nutztiere mit 0,5% jedoch nur einen geringen Anteil der Wolfsnahrung aus. Gleichzeitig empfehlen die Wissenschaftler die weitläufige Anwendung und Unterstützung von Maßnahmen wie Herdenschutzhunden oder Zäunen, um die Koexistenz von Wölfen und Viehzüchtern zu erleichtern. Die Studie wurde im Fachjournal „Conservation Letters“ veröffentlicht.

 

Foto: R. Simonis (Nationalpark Bayerischer Wald)


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Der Biber in Bayern – Ein Nager auf Abwegen?

von Franziska Baur

…wohl eher endlich wieder “on track”!

Biber wurden nach ihrer Ausrottung durch den Menschen im 19. Jahrhundert wieder aktiv angesiedelt, da sie für unser Ökosystem essentiell sind. Die Naturingenieure renaturieren gratis Flusslandschaften – Hochwasserschutz inklusive – und schaffen als Schlüsselart Habitate für viele seltene Flora- und Fauna-Arten. Legale Entnahmen sind mittlerweile gängige Praxis, jedoch aus ökologischer Sicht meist sinnfrei: denn stellt sich ein Gebiet als passendes Biberrevier heraus, wird dieses zeitnah durch den nächsten Baumeister besetzt. Über eine Wiederansiedlung in den 1960er und bis in die 1980er Jahre ist er hierzulande wieder heimisch geworden. Derzeit wird der bayerische Biberbestand auf mindestens  22.000 Tiere in ca. 6.000 Revieren geschätzt. Bayern ist zwischenzeitlich fast flächendeckend besiedelt.

Das Bayerische Umweltministerium hat das bayerische Bibermanagement etabliert, dessen Ziel es ist, schadensbedingte Konflikte möglichst zu verhindern oder zu minimieren und gleichzeitig einen günstigen Erhaltungszustand der bayerischen Biberpopulation sicherzustellen. Die Zuständigkeit für das Bibermanagement liegt bei den unteren Naturschutzbehörden an den Kreisverwaltungsbehörden. Eine Unterstützung dazu bieten vor Ort rund 400 lokale ehrenamtliche und fachlich geschulte Biberberater. Diese werden von zwei Bibermanagern unterstützt:

 

Südbayern:

Herr Gerhard Schwab, Tel. 0172 / 6826653

GerhardSchwab@online.de

 

Nordbayern:

Frau Berit Arendt, Tel. 0160 / 5675302

Berit.Arendt@bund-naturschutz.de

 

Für die durch Biber entstandenen Schäden im Bereich der Land-, Teich- und Forstwirtschaft leistet der Freistaat Bayern freiwillige finanzielle Ausgleichszahlungen. Statt bisher 450.000 stehen nun jährlich nun 550.000 Euro Verfügung, um Biberschäden in Bayern auszugleichen. Der Schadensausgleich ist ein wichtiges Element im bayerischen Bibermanagement und wird vor allem den heimischen Erzeugern zu Gute kommen. Je nach Schadensaufkommen wird eine Ausgleichsquote berechnet und in der ersten Hälfte des Folgejahres ausgezahlt. Falls die gängigen Lösungen nicht wirksam oder nicht zumutbar sind, sind Entnahmen von Bibern möglich. Über den Arbeitskreis des Obersten Naturschutzbeirats werden Lösungen schwieriger Fallkonstellationen gesucht und die Weiterentwicklung des Bibermanagements fortgeführt.

 

 

Biologie

 

Biber (Castoridae) sind eine Familie in der Ordnung der Nagetiere (Rodentia). Sie sind die zweitgrößten lebenden Nagetiere der Erde – nach den südamerikanischen Wasserschweinen (Capybaras). Die Familie besteht heute aus einer einzigen Gattung, Castor, der zwei Arten angehören: der Europäische oder Eurasische Biber (Castor fiber) und der Kanadische Biber (Castor canadensis).

Foto: Fotolia

 

Schutzstatus

Der Europäische Biber ist in Europa durch die FFH-Richtlinie (Anhänge II und IV) besonders geschützt. Er unterliegt in Deutschland nicht dem Jagdrecht nach dem Bundesjagdgesetz. Trotz des strengen Schutzstatus wurden innerhalb des Managements knapp 2000 Individuen 2019/2020 legal entnommen.

 

Illegale Tötungen

Neben den legalen Entnahmen haben wir es jedoch auch immer wieder mit illegalen Tötungen und Nachstellungen zu tun. In Bayern wurden fünf Fälle illegaler Verfolgung zwischen 2019-2020 (Illegaler Abschüsse und Zerstörung des Biberdammes) gemeldet. Davon wurden zumindest zwei der tot aufgefundenen Biber nachweislich illegal geschossen. Drei wurden tot aufgefunden mit dem Verdacht auf eine unnatürliche Todesursache. Im November 2019 wurde ein Jagdpächter in Oberbayern wegen der illegalen Tötung eines Bibers mit Schlagfalle (siehe Foto), vor Gericht gestellt und schuldig gesprochen – allein basierend auf dem wachen und hartnäckigen Auge eines engagierten Zeugen. Dies war 2019-2020 der einzige Naturschutzkriminalitätsfall Bayerns mit rechtskräftiger Verurteilung.

Download des Bayerischen Naturschutzreports von Tatort Natur über illegale Tötung heimischer Wildtiere.

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Foto: Kutschenreiter

 

Im November 2021 wurde vor dem Amtsgericht Landau a. d. Isar (Lkr. Dingolfing-Landau) ein Jäger wegen einer illegalen Reusenfalle, in welcher ein geschützter Biber gefangen wurde, nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG schuldig gesprochen und zu 30 Tagessätzen à 100€ verurteilt. Der Richter sah es als erwiesen an, dass der 73-Jährige im April 2021 in seinem Jagdrevier bei Tunzenberg eine illegale Lebendfalle unmittelbar neben einen Biberbau aufgestellt und ein Tier damit gefangen hatte. Aufgeflogen war die Tat, nachdem Mitarbeiter des Komitee gegen den Vogelmord e.V. das Revier nach einem Hinweis durchsucht und die Falle entdeckt hatten. Bei der anschließenden Überwachung des Fangplatzes durch Mitglieder der LBV-Kreisgruppe Straubing-Bogen konnte der Jagdpächter als Verdächtiger ermittelt und ein gefangener Biber glücklicherweise unversehrt befreit werden. 

 

Zu Guter Letzt empfiehlt sich die folgende Seite, um sich über aktuelle Entwicklungen zu informieren: www.biber-info.de


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Newcomer Goldschakal in Bayern!

von Franziska Baur

 

Canis aureus ist zwar nicht ganz neu in Bayern, denn er wurde in der Vergangenheit immer wieder gesichtet (u.a. bei Freising oder im Nationalpark Bayerischer Wald). Er gehört dennoch zu den „Zugroasten“: von manchen fälschlicherweise als invasive Art („Neobiota“: gebietsfremde Arten, vom Menschen nach dem Kolumbus-Stichjahr 1492 eingeführt) bezeichnet, betreibt er tatsächlich eine Habitat-Erweiterung ausgehend von Südosteuropa, vermutlich ausgelöst durch die menschengemachte Klimaerwärmung. Hierzulande bleibt die Spezies derzeit noch unbemerkt, auch wenn sie häufiger ist, als die meisten von Euch vermuten würden. Der Bestand in Europa wird von der Large Carnivore Initiative for Europe (LCIE) auf 97.000-117.000 Tiere geschätzt. Das entspricht einer deutlich größeren Population als die der Wölfe. Während diese jedoch Bewohner der Nordhalbkugel sind, sind Schakale auch auf der südlichen Hemisphäre zuhause. Bis nach Asien und Afrika kommen sie in Form verschiedener Unterarten vor, wie z.B. die Schabrackenschakale in Namibia (Foto: Franziska Baur).

Schabrackenschakal

Scharbrackenschakal im Norden Namibias (Foto: Franziska Baur)

 

Die ursprünglichen Lebensräume sind offene und halboffene Landschaften, dichte Wälder werden eher gemieden. Goldschakale leben gesellig in Familienterritorien, welche gegenüber anderen Familien verteidigt werden. Ihr Nahrungsspektrum ist breit: neben Insekten, Reptilien und Kleinsäugern werden auch schwache, alte oder junge Huftiere erbeutet. Bei der Jagd auf Kleinlebewesen ähnelt das Jagdverhalten demjenigen des Fuchses (Anschleichen, in hohem Bogen Anspringen), größere Tiere werden durch Hetzjagd im Rudel erbeutet – ähnlich wie bei ihrem „großen Bruder“ Wolf. Wie diese verständigen sie sich ebenfalls durch gemeinsames Heulen, auch wenn dieses deutlich schwächer tönt.

 

In Deutschland ist der Goldschakal nicht in der Liste der jagdbaren Arten in Bundesjagdgesetz § 2 aufgeführt und stellt somit kein jagdbares Wild dar. In Österreich hingegen ist er nicht geschützt und darf außerhalb der Schonzeit bejagt werden. Die Sinnhaftigkeit dessen darf bezweifelt werden, denn er könnte – als natürlicher Antagonist der Füchse – durchaus ökologisch hilfreich sein.

 

Körperlänge

80-95 cm  

Gewicht

8-12 kg

Paarungszeit (Ranz)

Oktober

Wurfzeit

Januar

Anzahl Jungtiere

5-10

Rechtlicher Status

 FFH-Richtlinie Anhang V

Im Herbst 2021 kam es bei den Goldschakalen zu Liebeleien: In Baden-Württemberg ist nach Angaben des Landesumweltministeriums erstmals Nachwuchs in Deutschland nachgewiesen worden. Eine genetische Untersuchung von Kotproben hat ergeben, dass es eine Familiengruppe mit mindestens zwei Welpen gibt.

Mehr Infos hier!


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Länder kooperieren beim Umgang mit Wölfen – wird sich Bayern anschließen?

von Franziska Baur

Der Baden-Württembergische Umweltminister Franz Untersteller hat Anfang März eine enge Zusammenarbeit der Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland im Umgang mit Wölfen angekündigt. „Mit unserem länderübergreifenden Konzept erweitern wir unser Wolfsmanagement um einen wesentlichen Faktor und tragen dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung und der Landwirtschaft Rechnung“, statiert der für den Natur- und Artenschutz im Land zuständige Minister.

Umgang mit Wölfen

Herdenschutzhund Maremmano Abruzzese

Baden-Württemberg steht – wie auch Bayern – vor der Herausforderung, dass sich Wölfe weiterhin ausbreiten. Da diese Tiere sehr mobil sind und sehr weiter Strecken zurücklegen können, liegt eine länderübergreifende Zusammenarbeit nahe. Ziel des gemeinsamen Konzepts sei ein umfassendes Wolfsmanagement, das sowohl Nutztierhalterinnen und -halter und deren Tiere und wirtschaftliche Existenz schütze, als auch dem Artenschutz gerecht werde. „Wir haben vereinbart, uns dabei gegenseitig zu unterstützen, Kenntnisse auszutauschen, Erfahrungen und Knowhow zu teilen sowie Personal bereitzustellen.“, kommentiert Untersteller.

Eine gemeinsame Managementgruppe soll den gegenseitigen Informationsaustausch – über Wolfssichtungen oder das Verhalten einzelner Tiere – gewährleisten und Aktivitäten zum Schutz von Nutztieren und Menschen koordinieren. Dabei geht es darum, wandernde Wölfe im Rahmen des Monitorings effektiver zu beobachten. Einzelne Wölfe sollen besendert werden, um ihre Wege nachvollziehen zu können oder auch um verhaltensauffällige und potenziell gefährliche Tiere bei Bedarfsfall leichter entnehmen zu können. Die Entscheidung, ob eine Ausnahme nach dem Bundesnaturschutzgesetz möglich ist und ein Wolf geschossen werden kann, bleibe aber weiterhin jedem Bundesland selbst überlassen. Die Kosten für den Einsatz des Eingreifteams würden untereinander aufgeteilt.

Nach Untersteller könnten sich weitere Bundesländer jederzeit an der Zusammenarbeit beteiligen, er könne sich beispielsweise vorstellen, ein Land wie Bayern in die Kooperation einzubeziehen.

Das erste Rudel ist in Bayern seit 2017 bestätigt und mit weiteren Rudelgründungen ist dieses Jahr zu rechnen. Gerade für Weidetierbetriebe erfordert dies eine Umstellung und ein Umdenken. Die bayerische Politik und insbesondere die zuständigen Behörden (LfU, LfL) sind jetzt in der Pflicht zu handeln. Dazu müssen Präventionsmaßnahmen, die landesweite Beratung der Weidetierhalter und ein professionelles Wolfsmanagement etc. umgehend in Kraft gesetzt werden. Dies alles kostet Geld und Zeit, daher müssen die Nutztierhalter umfassend und professionell von den Behörden unterstützt werden.

Leider lässt diese Umsetzung nach der bitteren Kabinettsentscheidung Ende Januar weiterhin auf sich warten und dies auf Kosten der bayerischen Weidetierhalter.

Umgang mit Wölfen: Ein länderübergreifendes gemeinsames Management, bei dem sich auch Bayern anschließt, wäre eine neue Chance und von unserer Seite ausdrücklich zu befürworten.

 


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Erstes Wolfsrudel in Bayern: 3 Jungtiere im Bayerischen Wald nachgewiesen

von Franziska Baur

Wolfsrudel in Bayern - Wolfswelpen Bayern

 

Wolfsrudel in Bayern: Behörden hatten 10 Jahre Zeit, sich mit professionellen Strukturen und Angeboten im Bereich Herdenschutz vorzubereiten

Nach der Bestätigung zweier Wolfspaare in Bayern – auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr und im Bayerischen Wald – hat sich nun der erste Nachwuchs dreier Welpen von letzterem Pärchen gezeigt. Im Februar 2017 wurden dort erstmals zwei Wölfe gemeinsam mit einer Wildtierkamera abgelichtet. Weitere genetische Analysen ergeben die Anwesenheit von einer Fähe aus der zentraleuropäischen Tierlandpopulation und einem Rüden aus der südwestlichen Alpenpopulation. Eine baldige Rudelbildung wurde erwartet und hat sich nun durch das Video einer automatisierten Wildtierbeobachtungskamera bestätigt.

Wir freuen uns über die erste Rudelgründung, ist sie doch ein Zeichen für jahrelange Artenschutzbemühungen. Wölfe brauchen, anders als oftmals propagiert, keine menschenleere Wildnis. Möglich, dass der Mensch sie lieber dort hätte, richten sie für ihn dort weniger Schäden an und sind fernab seiner Komfortzone.

Nichts desto trotz müssen wir uns weiterhin naturschutzfachlich und politisch mit der Rückkehr und Wiederansiedlung befassen. Wölfe werden nicht überall und für jeden unsichtbar und unbemerkt bleiben. Laut einer NABU Umfrage sprechen sich 80% der Bevölkerung in Deutschland für Wölfe in Deutschland aus (https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/wolf/wissen/19530.html). Mag sein, dass diese 80% (vermutlich weitaus mehr) niemals direkten oder indirekten Kontakt mit Wölfen haben werden. Dennoch ist dies kein Argument gegen das Ergebnis. Es entspricht einer Demokratie, den Wunsch der Mehrheit gerecht zu werden. Was durchaus nicht bedeutet, dass die Minderheit, die tatsächliche Probleme und Umstände haben könnte, allein gelassen werden soll.

Was machen wir nun mit dem ersten Wolfsrudel in Bayern?
Nichts. Wie in den anderen Bundesländern, in denen bereits Wölfe und Rudel ansässig sind, werden sich auch die hiesigen Wölfe vermehren und deren Nachkommen neue Gebiete besetzen, sofern sie geeignet sind und man sie lässt. Die Rudelgründung ist keine Überraschung. Bayern ist umringt von Wolfsgebieten (Sachsen und andere Bundesländer, Tschechien, Österreich, Italien, Slowenien, Slowakei, Schweiz). Somit war es nur eine Frage der Zeit bis sich einzelne Tiere hier sehen lassen. Seit vielen Jahren werden immer wieder Einzeltiere nachgewiesen, seit 2014 mehrmals jährlich. Wölfe sind bei uns streng geschützt. Solange der hohe Schutzstatus (EU Recht) besteht, ist die Störung, das Nachstellen und Töten verboten. Ausnahmen regelt der Managementplan: https://www.bestellen.bayern.de/application/eshop_app000009?SID=1968470597&ACTIONxSESSxSHOWPIC(BILDxKEY:%27stmugv_nat_00073%27,BILDxCLASS:%27Artikel%27,BILDxTYPE:%27PDF%27)

Konfliktpotenzial
So freudig diese Meldung für viele sein wird, so wird sie bei manchen Tierhaltern auf Missmut stoßen. Gerade für Weidetierbetriebe kann die Rückkehr des Wolfes eine Umstellung und ein Umdenken erfordern. Hierzu haben wir mehrfach umfangreiche Forderungen an die bayerischen Behörden zur sofortigen Etablierung von professionellen Förder- und Beratungsstrukturen erhoben. Leider haben es diese in den letzten 10 Jahre versäumt, einen Managementplan Stufe 3 für etablierte Wolfspopulationen – und den damit verbundenen notwendigen Herdenschutz – zu erstellen. Um Konflikte abzumildern, Lösungen zu finden und einen vernünftigen Umgang mit dem Wolf zu erreichen, gibt es in Bayern die Steuerungs- und Arbeitsgruppe „Große Beutegreifer“ aus Naturschützern, Umweltverbänden, Schafhaltern, Berufsjägern und Behörden, aber auch hier wurde bisher keine Einigung erzielt. Weitere umfangreiche Infos zu diesem Thema Herdenschutz.

Was ist ein Rudel?
Als Rudel wird ein Familienverband von Wölfen verstanden, der im Regelfall aus den Elterntieren, den Welpen und den Jungtieren des Vorjahres besteht. Pro Wurf werden im Durchschnitt 5 Welpen geboren. Die Sterblichkeit bis zum Erreichen der Selbstständigkeit (1-2 Jahre) liegt bei bis zu 60-80 %, im ersten Lebensjahr bei 20-30 %, je nach Informationsquelle. Im Alter von 1-2 Jahren verlassen die Jungwölfe ihre Familie und suchen einen Partner und ein eigenes Revier. Dabei können sie viele 100 km zurücklegen.

Welche Reviergröße braucht ein Wolfsrudel in Bayern?
Wie so oft ist die Antwort: kommt drauf an. Ausschlaggebend ist unter anderem die Verfügbarkeit von Nahrung. Rudelgrößen in Ostdeutschland liegen bei etwa 250 km². Der Truppenübungsplatz Grafenwöhr umfasst eine Fläche von 226 km². Der Nationalpark Bayerischer Wald ist 243 km² groß. Natürlich halten sich Tiere nicht an imaginäre Grenzen.

Wie verhält sich ein Rudel?
Rudel können effektiv gemeinsam jagen. Zunächst werden die Welpen ausschließlich gesäugt. Später dann bringen die Eltern oder auch Geschwister Futter zu den Welpen an sogenannten Rendezvous-Plätzen. Gerade junge Wölfe sind, wie alle Jungtiere, neugierig und müssen lernen. Wölfe sind vorsichtig, können aber durchaus auch von Menschen gesehen werden.

Was tun bei einer Begegnung zwischen Wolf und Mensch?
Wölfe sind Wildtiere. Sie sind Raubtiere, keine Fluchttiere. Sie müssen weder dämonisiert, noch dürfen sie verharmlost werden. Grundsätzlich haben Wölfe kein Interesse an einer Begegnung mit Menschen. Einige Aufnahmen zeigen, dass, sollte es zu Begegnungen kommen, der Mensch ignoriert wird. Ausnahmen sind die Nähe zu Beutetieren oder Hunden. Überraschen Sie die Tiere nicht, locken Sie sie nicht an. Für ein gutes Nebeneinander ist es wichtig, dass Wölfe den Menschen und seine Umgebung nicht als Nahrungslieferant kennenlernen. Halten Sie Abstand und halten sie den Wolf auf Abstand.

Was frisst ein Rudel?
Naturgemäß hat ein Rudel mit Welpen und Jungtieren einen höheren Bedarf an Fleisch als ein einzelner Wolf oder ein Wolfspaar. Ein ausgewachsener Wolf braucht ca. 2-3 kg Fleisch pro Tag, das bedeutet in der Natur: an manchen Tagen, je nach Verfügbarkeit, mehr, an anderen Tages gar nichts. Hauptnahrung bei uns sind Rehe, auch (wo vorhanden) Rotwild, Wildschwein und Nager. Ebenso Nutztiere, allen voran Schafe und Ziegen, können Beute der Wölfe werden. Übergriffe auf alle Weidetiere können nicht ausgeschlossen werden. Daher gilt es möglichst zeitig und sorgfältig Herdenschutz (Elektrozäune, auch Hunde etc.) zu betreiben.

 

Weitere häufig gestellte Fragen zum ersten Wolfsrudel in Bayern werden vom zuständigen Landesamt für Umwelt beantwortet: https://www.lfu.bayern.de/natur/wildtiermanagement_grosse_beutegreifer/wolf/doc/faq_wolf.pdf

 

Steckbrief Wolf: http://woelfeindeutschland.de/steckbrief-wolf/

 

Das Foto wurde uns von Biologe Axel Gomille zur Verfügung gestellt, welcher die Rückkehr der Wölfe in Deutschland seit einigen Jahren sachkundig begleitet und mit seinem Buch “Deutschlands Wilde Wölfe” zu einem möglichst konfliktfreien Nebeneinander von Menschen und diesen faszinierenden Tieren beitragen möchte. Die Welpen auf dem Foto sind nicht aus dem Wolfsrudel in Bayern.

von Franziska Baur


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