Wozu brauchen wir den Wolf?
von Franziska Baur
Hierzu der verstorbene Wolfsexperte Ulrich Wotschikowsky: „Wir brauchen auch keine Mehlschwalbe, keinen Enzian und kein Edelweiß, keine Opern und keine Kunstwerke. Aber die Welt wäre doch viel ärmer ohne sie. Außerdem, wie können wir es uns erlauben, die Schöpfung in Frage zu stellen? Wir haben die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, sie zu erhalten.“
Diese Frage wird hierzulande immer wieder gestellt, je mehr sich der Rückkehrer Wolf wieder ausbreitet und kontrovers diskutiert wird. Die Krux ist hierbei, dass die Mehrheit der Bevölkerung grundsätzlich Biodiversität und Umweltschutz befürwortet (Forsa Umfrage vom NABU 2021: 77% der Befragten fanden es „erfreulich, dass Wölfe wieder hier leben“) – in der Theorie. Hierbei verfestigt sich jedoch – gerade unter den Wolfsgegnern – das Prinzip „NIMBY“: Not In My Backyard. Außerdem, so die Argumentation, kosten sie die Gesellschaft (zu) viel Geld: Nutztierhalter müssen investieren, um ihre Tiere zu schützen. Vor solchen Kosten-Nutzen-Fragen steht jedoch eine ganz andere Frage: Was gibt uns eigentlich das Recht, die Daseinsberechtigung einer bei uns seit Jahrtausenden natürlich vorkommenden Spezies in Frage zu stellen? Dahinter steht ein weit verbreiteter, anthropozentrischer Ansatz, Lebewesen in „nützlich“ und „schädlich“ zu unterteilen und dementsprechend zu selektieren, welche Tiere bei uns leben dürfen und welche nicht. Gleichzeitig offenbart sich die Natur des Menschen, der alles abwehren möchte, was das eigene Wohlbefinden vermeintlich gefährden könnte. Wozu der Wolf gut ist? Hierauf gibt es nicht die eine Antwort. Wir Menschen prägen unsere Umwelt derart stark, dass wir durch Landwirtschaft, Jagd, Freizeitaktivitäten und Fragmentierung einen größeren Einfluss auf natürliche Lebensräume haben, als Wölfe ihn jemals haben könnten. Unser heutiges – als normal empfundenes –Landschaftsbild kann sich aufgrund von Flurbereinigungen und massivem Pestizideinsatz nicht einmal mehr Kulturlandschaft schimpfen. Vielmehr ist die eine funktionsgerechte, artenentleerte und durch Agrochemikalien gesteuerte Agrarlandschaft. Eine erneute, flächendeckende Wolfsanwesenheit könnte sich hier tatsächlich positiv auswirken, wenn sie denn gesellschaftsfähig werden würde.
Ökologische Aspekte
Je vollständiger und vielfältiger ein Ökosystem ist, desto stabiler und robuster ist es – in Zeiten von Klimawandel, Pandemien und Kriegen ein unersetzbares Gut und Basis unseres eigenen Überlebens: Stürme, Dürre, Parasitenbefall und andere Folgen des Klimawandels könnten merklich abgemildert werden. In der Land- und Forstwirtschaft ein nicht unerheblicher ökonomischer Wert. Wilmers et al. (2013) fanden heraus, dass die Ausbreitung neuer Infektionskrankheiten durch eine hohe Biodiversität geringer ist: Einzelne Arten und damit auch deren Viren haben es schwerer, sich durchzusetzen und übertragen sich seltener auf neue Wirte. Der Wolf spielt hierbei eine wichtige Rolle: Zuallererst für seine Beutetiere und mittelbar auch für weitere Arten wie Aasfresser, welche sich von den Überresten ernähren, sowie für den gemeinsamen Lebensraum. Wolfsrisse fördern zudem den Nährstoffreichtum, indem sie ganzjährig Mikroorganismen und Insekten einen Nährboden durch verwesende Kadaver bieten. Im Yellowstone (Nationalpark) fanden Wissenschaftler heraus, dass Wölfe ihre Beute nicht vollständig auffressen und übrig gebliebenes Aas in sehr kurzer Zeit zu hochkonzentrierten Nährstoffinseln für Bodenbewohner wie Bakterien, Pilze und Insekten umgewandelt wird. Dort sind die Konzentrationen an Stickstoff, Phosphor, Kalium und Natrium deutlich höher als in ihrer Umgebung: Beispielsweise trägt ein 30 kg schwerer Kadaver 4 kg Stickstoff in 1 Quadratmeter Boden ein. Das entspricht in etwa einer landwirtschaftlichen Düngung über 100 Jahre hinweg. Auch dortige Untersuchungen unter Bison- und Wapitirissen zeigen diese Nährstoffkonzentration in der Vegetation, ebenso eine erhöhte Bodenatmung. In den Böden lebten zudem andere Artengesellschaften aus Bakterien und Pilzen als in den Kontrollfächen. Auch die großen tierischen Aasfresser (z.B. Kolkrabe oder Seeadler) profitieren von Wolfsrissen: Das regelmäßige Angebot an Kadavern durch die Wiederansiedlung von Wölfen ließ die Populationen von 13 Aasfresser-Tierarten ansteigen. Der Wolf ist als Lieferant großer Kadaverüberreste also ein entscheidendes Bindeglied im Ökosystem. So erhält und fördert er als Ökosystemdienstleister pflanzliche, tierische und mikrobielle Diversität. Die Rückkehr der Wölfe nach Bayern ist folglich ein wichtiger Baustein zur Renaturierung heimischer Ökosystemen.
Waldverjüngung
„Wo der Wolf jagt, wächst der Wald.“ – ganz so simpel ist es in der Realität leider nicht. Gemeint ist mit diesem alten russischen Sprichwort jedoch, dass Wölfe Rothirsche, Rehe und Wildschweine jagen, wodurch Verbissschäden kleiner werden. Die Beziehung zwischen Wolf, Wild und Wald ist in unserem Kulturraum aufgrund erwähnter zivilisatorischer Einflüsse deutlich komplexer als das Sprichwort vermitteln möchte. Eine Beobachtung ist jedoch allen wissenschaftlichen Untersuchungen zum Einfluss von Wölfen auf ihren Lebensraum gemein: Wo Wölfe leben, beeinflussen sie, wie lange und wo sich das Wild aufhält. Ihre Beutetiere müssen schlichtweg mobiler sein: Sie wechseln häufiger die Futterplätze und bilden teils kleinere Gruppen, was das Risiko verkleinert. Da die Tiere zwischendurch häufiger ihre Umgebung scannen, verkürzt sich außerdem die Äsungszeit. Und wo wenig Hirsche, Rehe und anderes Beutewild kürzer grasen und knabbern, wird Verbiss reduziert. Berühmte Studien aus dem Yellowstone Nationalpark konnten zeigen, dass es seit der Wiederansiedlung von Wölfen, wieder mehr Weiden und Espen gibt (Wilmers et al. 2013). Auch in anderen Wolfsgebieten wurde festgestellt, dass die Ökosysteme bessere Verjüngungschancen haben, was vielfältigere Lebensräume und mehr Artenreichtum nach sich zieht. Selbst wenn sich der Verbiss in unseren Breiten in einigen Fällen zunächst nur verlagert, dürfte er bei konstanter Wolfspräsenz auch hier zurückgehen, so eine Studie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft in der Schweiz. Durch ihre Beutejagd helfen Wölfe zudem bei den Anstrengungen, einen angepassten Wildbestand zu erreichen, welcher der Kapazität des jeweiligen Lebensraumes entspricht. Auch das führt dazu, dass der Wald sich besser verjüngen kann. Das Angebot der Beutetiere bestimmt die Zahl der Beutegreifer und somit werden sich Schalenwildbestände und Wölfe langfristig gegenseitig beeinflussen.
Natürliche Selektion
Einen unmittelbaren Einfluss haben Wölfe auf ihre Beutetiere: Sie jagen bevorzugt junge und unerfahrene, alte oder kranke Tiere. Erwachsene, kraftvolle Tiere, die wichtig für die Fortpflanzung sind, haben bessere Chancen, den Nachstellungen der Wölfe nicht zum Opfer zu fallen. Damit verbessert sich ganz natürlich die Fitness des Beutewilds, denn anders als der menschliche Jäger erkennen Wölfe Erkrankungen bereits in sehr frühen Stadien und können so die Verbreitung von Infektionskrankheiten eindämmen.
Im Folgenden einige Ergebnisse aus einer Studie zum Thema „Welche Effekte haben große Beutegreifer auf Huftierpopulationen und Ökosysteme?“ (Heurich et al.):
- Infolge der Rückkehr der großen Beutegreifer (GB) in Europa und Nordamerika in den letzten Jahren wurden zahlreiche Forschungsarbeiten über ihren Einfluss auf Huftiere und Ökosysteme veröffentlicht.
- Diese zeigen, dass Wolf, Luchs, Bär und Co. das Potential haben, die Bestände von Huftieren und Mesoprädatoren unter die Lebensraumkapazität zu senken und auch deren Verhalten signifikant zu beeinflussen.
- Über diese Effekte hinaus können sie eine Vielzahl von Prozessen im Ökosystem beeinflussen, die sich über mehrere trophische Ebenen (Nahrungsketten-Stufen) auswirken. Damit sind sie Schlüsselarten, die einen weit größeren Einfluss haben, als es aufgrund ihrer schieren Biomasse (Gesamtheit der Masse organischer Stoffe GB innerhalb eines bestimmten Gebiets) zu erwarten wäre.
- Die meisten Studien zu diesem Themenkomplex stammen aus wenig vom Menschen beeinflussten, naturnahen Ökosystemen und weisen oft methodische Schwächen auf, sodass unklar ist, in wie weit sie auf mitteleuropäische Verhältnisse, mit stark anthropogen überprägten Ökosystemen, übertragen werden können.
- Die Rückkehr von GB stellt einen wichtigen Ansatz zur Renaturierung von Ökosystemen dar. Insbesondere in Großschutzgebieten sollte es das Ziel sein, die natürliche Artenausstattung an Prädatoren wieder herzustellen, um einen sinnvollen Prozessschutz (Naturschutzstrategie, die auf dem Nicht-Eingreifen in natürliche Prozesse beruht) zu gewährleisten.
- In welchem Ausmaß Wölfe ihre Beutetierpopulationen damit die Ökosysteme in Mitteleuropa beeinflussen und welchen konkreten Beitrag sie zur Lösung des Wald-Wild-Konflikts leisten, muss noch gründlicher erforscht werden.
Ökonomische Aspekte
Seit der Wolf wieder durch unsere Breiten streift, verstärken Nutztierhalter den Schutz ihrer Tiere. Das bedeutet z.B. für die schweizerischen Bergregionen, dass Schäfer zwar in Schutzmaßnahmen investieren müssen – wofür sie von der Gesellschaft über öffentliche Gelder ausreichend unterstützt werden müssen. Sie sehen aber auch häufiger nach ihren Tieren, um die Wirksamkeit des Herdenschutzes durch Elektrozäune zu prüfen oder die Herdenschutzhunde zu versorgen. So sind die Schafe nicht mehr über längere Zeiträume sich selbst überlassen, wie das zuvor der Fall war. Unfälle oder Krankheiten der Tiere führten deshalb oft unweigerlich zu deren Tod – neben der emotionalen Komponente war das auch immer ein wirtschaftlicher Verlust. Dem Züricher Ethnologen B. Tschofen zufolge, sind vor der Rückkehr der Wölfe auf den Schweizer Bergalmen jährlich rund 10.000 Schafe durch Unfälle oder Krankheiten verstorben. Heute seien die Verluste um die Hälfte geringer – Risse durch Wölfe eingerechnet. Und auch in ebeneren Regionen könnte Herdenschutz den Geldbeutel entlasten, indem es in den geschützten Bereichen weniger Schäden durch Wildschweine, wildernde Hunde oder auch Menschen gibt. Von den Millionen, die aktuell in Maßnahmen wie z.B. Schutzzäune gegen Wildschweinschäden und Verbiss durch Schalenwild gehen, dürfte durch den Wolf ebenso einiges eingespart werden. Immerhin ist er hierzulande der einzige natürliche Feind der Wildschweine. In einigen Gebieten konnte sogar schon die Anpflanzung von Aufforstungen ohne Wildschutzzäune durchgeführt werden.
Potential Tourismus
Trotz aller Kontroversen: Wölfe faszinieren seit jeher. Und die Mehrheit der Deutschen freut sich, dass sie wieder bei uns heimisch sind. Für touristische Angebote zum Wolf gibt es damit Potenzial, wie auch schon bestehende Angebote zum Wolfwatching, Wolftracking etc. zeigen. Besonders strukturschwache Regionen können Besucherzahlen und Übernachtungen mit solchen Angeboten steigern. Doch das Potenzial hat Grenzen: Zum einen gibt es keine Garantie, auf einer solchen Tour auch wirklich einen Wolf zu Gesicht zu bekommen. Wölfe nehmen uns Menschen schon lange wahr, bevor wir sie im Fernglas- oder Kamerasucher haben und machen dann üblicherweise einen großen Bogen um uns. Zum anderen ist die Anwesenheit von Wölfen schon bald Normalität hierzulande. Als wirklicher Tourismusfaktor würde der Wolf dann wohl nicht mehr ziehen. Eher als charismatisches Symboltier, mit dem sich im Naturtourismus werben lässt.
Herdenschutz: unumgänglich
Auffällig ist, dass intensive Forschungsarbeiten zur ökologischen Bedeutung des Wolfes auf das Schalenwild laufen oder noch dringend notwendig sind. Klar ist aber schon jetzt: Nur wenn wir ihm die Rückkehr in seinen natürlichen Lebensraum gestatten und gleichzeitig die Tierhalter ausreichend beim Schutz ihrer Tiere unterstützen, so dass die artgerechte Weidetierhaltung erhalten bleibt, gewinnen wir einen essentiellen Baustein für ein zukunftsfähiges Ökosystem. Hier soll nicht unerwähnt bleiben, dass weder Bejagung noch eine Obergrenze etwas an der Notwendigkeit eines wirksamen und flächendeckenden Herdenschutzes ändern, da dies nicht von der Zahl der Wölfe abhängt, sondern schlichtweg von deren generellen Präsenz (https://conbio.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/conl.12994). Wenn sich erst einmal eine Selbstverständlichkeit hinsichtlich Herdenschutzmaßnahmen durchgesetzt hat, wird sich die Lage entspannen und der Wolf zum Alltag gehören. Es wird immer wieder Risse geben. Aber Wölfe, die ordnungsgemäß geschützte Herden immer wieder angreifen und für große Verunsicherung in der Bevölkerung sorgen, dürfen bereits jetzt nach strenger Einzelfallprüfung geschossen werden. Die Rechtsgrundlage dafür gibt das Bundesnaturschutzgesetz her.
Herdenschutzhunde...
… schützen die ihnen anvertrauten Herde gegen Übergriffe von zwei- und vierbeinigen Räubern. Die Methode ist uralt und hat sich weltweit bewährt.
… sind immer bei ihrer Herde – egal zu welcher Jahreszeit und bei welchem Wetter.
… binden sich sowohl an das Territorium als auch an die Herdentiere.
… zeigen durch Bellen und körperliches Imponiergehabe an, dass sich der Tierherde etwas Unbekanntes (Mensch oder Tier) nähert.
… sprechen die gleiche Sprache wie Wölfe. Die Wölfe verstehen das Bellen als Machtdemonstration und riskieren lieber keinen Angriff.
… werden nicht nur zum Schutz von Schafen eingesetzt, sondern auch bei Rindern, Pferden, Gatterwild oder Geflügel.
… sind keine Hütehunde. Deren Aufgabe ist es, die Herde zusammen zu treiben.
… sehen nicht alle gleich aus – es gibt weltweit über 50 verschiedene Rassen.
… stellen keine Gefahr für Touristen und Haushunde dar, sofern diese außerhalb des Zaunes bleiben.
Wolfsmanagement – Prävention
Um Konflikte mit Menschen zu verhindern, sollten unbedingt zugängliche Nahrungsquellen (Mülldeponien/-container, achtlos weggeworfene Wurstsemmel etc.) entfernt werden, da diese direkt mit dem Menschen assoziiert werden könnten. Lebensmittel und Abfälle müssen sicher aufbewahrt werden, wie es etwa in Nationalparks der USA schon üblich ist, um große Beutegreifer wie Bären, Wölfe oder Luchse nicht anzuziehen. In Deutschland ist die gezielte Anfütterung von Wölfen nach §45a BNaSchG verboten. Unter keinen Umständen darf es eine aktive Anfütterung etwa für Fototourismus etc. geben.
Monitoring
Wichtig bleibt das aktive Monitoring, um potentiell gefährliches Verhalten frühzeitig zu erkennen und eine Eskalation der Situation zu verhindern. Hierbei sind Behörden u.a. auf Meldungen aus der Bevölkerung angewiesen. Deshalb müssen zuständige Stellen leicht zu finden und deren Ansprechpartner*innen erreichbar sein. Die Besenderung von (auffälligen) Wölfen mit GPS-Halsbändern kann neben wissenschaftlichen Erkenntnissen über Lebensraum und Wanderverhalten ein Eingreifen erleichtern, wenn nötig.
Die Wahrscheinlichkeit eines Wolfsangriffs ist auch trotz gestiegener Wolfsbestände äußerst gering (NINA Studie 2021, Linell et al.). Wir fordern deshalb eine sachliche Debatte von der Politik, anstatt Wolf-Populismus. Sorgen und Ängste müssen trotz Allem ohne jeglichen Zweifel ernst genommen werden.
Rechtlicher Rahmen
Um das ganze Thema final in einen rechtlichen Rahmen zu gießen, darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Tierart Wolf durch den EU-weiten Artenschutz, konkret durch die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, streng geschützt ist und das voraussichtlich auch bleibt: Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen. Die FFH-Richtlinie hat zum Ziel, wildlebende Arten, deren Lebensräume und die europaweite Vernetzung dieser Lebensräume zu sichern und zu schützen. Die Vernetzung dient der Bewahrung, (Wieder-)herstellung und Entwicklung ökologischer Wechselbeziehungen sowie der Förderung natürlicher Ausbreitungs- und Wiederbesiedlungsprozesse. Sie basiert auf der von den EU-Mitgliedstaaten 1992 eingegangenen Verpflichtungen zum Schutz der biologischen Vielfalt (Biodiversitätskonvention, CBD, Rio 1992).
Ethischer Ansatz
Zur eingehenden Frage „Wozu wir den Wolf überhaupt brauchen?“ soll noch eine kulturanthropologische Sichtweise zum Denken anregen. Zu allererst sollte man bedenken, dass diese Frage in einem gewissen Kontext nur rhetorisch gemeint sein kann und daher keine ernsthafte Antwort benötigt. Die Meinung derjenigen, die diese Frage stellen, ist grundsätzlich contra-Wolf und basiert auf folgenden Annahmen: Wölfe gehören nicht hierher und passen auch nicht uns unsere Kulturlandschaft Schrägstrich Heimat. Diese Meinung tritt am häufigsten unter Jägern und Weidetierhaltern auf, die verständlicherweise auch die meisten Berührungspunkte und potentielle Konflikte mit dem Rückkehrer haben. Die meistern derer, sehen sich durchaus als naturverbunden, jedoch ist ihr Verständnis eher anthropozentrisch geprägt, stellt also den Menschen und die vom Menschen gestaltete, geordnete und kontrollierte Natur in den Mittelpunkt. Für diese Art von Natur scheinen Wölfe zu „wild und unkontrolliert“, denn sie gefährden die gewohnte Ordnung.
Konträr hierzu sind dogmatische Wolfsbefürworter zu sehen, die sich selbst häufig als naturverbunden bezeichnen. Viele verspüren eine regelrechte Sehnsucht nach einer „wilderen“ Natur, die eben nicht geordnet, kontrolliert oder gar dominiert wird, sondern ihren eigenen Rhythmus im Gleichgewicht findet. Dabei kann es auch um eine Resonanzerfahrung gehen, also dass man in der Verbindung mit den Wölfen auch ein Stück weit „wilder“ werden kann. Dies hat mit der Realität von Wölfen wenig zu tun: Wild lebende Wölfe sind schlichtweg Kleinfamilien, innerhalb derer sie sehr sozial und fürsorglich ihr Überleben sichern. Auch hat sich zwischen Menschen und Wölfen seit vielen Jahrtausenden eine Koevolution ergeben. Unsere Hunde entstanden in verschiedenen Erdteilen aus der Domestizierung der dort lebenden Wölfe. Um eine nüchterne Perspektive auf die Tierart Wolf und deren Rückkehr in ihren ursprünglichen Lebensraum zu bekommen, empfiehlt sich das Ansehen der Dokumentation „Die Wolfssaga – 20 Jahre Wölfe in Deutschland“ vom Ökologen und Tierfilmer Sebastian Koerner (www.lupovision.de): https://www.facebook.com/watch/?v=179015297198608
Abschließend lässt sich feststellen, dass keine Tierart in Bayern so polarisiert wie der Wolf – von den einen romantisiert, von den anderen verhasst. Könnte der Wolf daher Anlass sein, unser grundsätzliches Verhältnis zur Natur zu überprüfen?
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Aktionsplan Wolf Bayern: Unterwegs in den Abgründen des Artenschutzes
Wir müssen das Erbe der Vorkämpfer des Naturschutzes bewahren und dürfen nicht zulassen, dass es Populismus und Wahlkampf geopfert wird. Ein Statement von Claus Obermeier, Vorstand der Gregor Louisoder Umweltstiftung.
Der jetzt von der Staatsregierung vorgestellte Aktionsplan Wolf ist das traurige Ende eines jahrelangen Niederganges des Naturschutzes in der Staatsregierung. Fachlich oft unsinnig, in weiten Teilen offensichtlich rechtwidrig, gespickt mit juristischen Winkelzügen, um den Artenschutz zu schwächen. Im Einzelfall kann ein Abschuss eines Wolfes allerdings notwendig sein – dafür bietet das bestehende Naturschutzgesetz ein umfassendes und seriöses Verfahren.
„Zu dem uns vorliegenden Entwurf zum so genannten Aktionsplan Wolf ist eine seriöse Stellungnahme auf dem Niveau der internationalen Debatte zum Wolfsmanagement in vielen Punkten leider nicht möglich. Grund sind die teils absurden fachlichen und rechtlichen Widersprüche innerhalb und zwischen den einzelnen Kapiteln. So steht in der Einleitung, dass Grundlage des Aktionsplanes Wolf die nationalen und internationalen rechtlichen Vorgaben sind, also das Bundesnaturschutzgesetz als unmittelbar und uneingeschränkt geltende Rechtsgrundlage und die Europäische Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie sowie die Berner Konvention als mittelbar geltende internationale Rechtsgrundlagen. Bei vielen relevanten Punkten kommen dann aber Phantasiekonstruktionen (zum Beispiel ein abstrakter Bedrohungsbegriff gegenüber Weidetieren) als möglicher Abschussgrund zum Einsatz – dies ist nach unserer Auffassung offensichtlich rechtwidrig. Das dürfte eher der Arbeitsbeschaffung für Richter dienen als dem Schutz der Weidetiere in Bayern. Damit wird kein einziges Schaf wirksam vor Wolfsübergriffen geschützt, aber mit den zu erwartenden Klagen sicher diverse Juristen gut beschäftigt“. Diese Bilanz zieht Claus Obermeier, Vorstand der Gregor Louisoder Umweltstiftung, die mit dem Projekt Bayern wild seit dem Auftreten des ersten Wolfsnachweises im Jahr 2006 mit den Herausforderungen des Wolfsmanagementes beschäftigt.
Auch in weiteren Kapiteln finden sich auf den ersten Blick rechtlich fragwürdige, möglicherweise sogar illegale Passagen. So wird die mehrtätige völlig unbeaufsichtigte Haltung von Weidetieren als „traditionell“ bezeichnet und nicht als nach der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung verboten.
Die bayerische Politik und insbesondere die zuständigen Behörden (Bayerisches Umweltministerium, Bayerisches Landwirtschaftsministerium) waren seit dem ersten Wolfsnachweis im Jahr 2006 und dem Aufbau von Populationen im Alpenraum und Nordosten in der Pflicht, sich auf die Rückkehr des Wolfes umfassend vorzubereiten – wie andere deutsche Bundesländer und unsere Nachbarstaaten auch. Leider sind sie an dieser Aufgabe bisher gescheitert. Dazu hätten schon lange ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen flächendeckend bereitgestellt werden müssen, zum Beispiel für die flächendeckende finanzielle Förderung des Herdenschutzes und die flächendeckende qualifizierte Fachberatung von Weidetierhalter und weiteren betroffenen Akteuren. Dazu Claus Obermeier weiter: „Wir erleben hier ein Versagen der amtierenden Staatsregierung auf Kosten von Mensch, Landwirtschaft und Natur in Bayern“.
Wölfe lebten und leben auch heute meistens in Gebieten mit Schaf- und Ziegenhaltung. Dazu wurden über Jahrhunderte bewährte Schutzmaßnahmen entwickelt, die Tierverluste durch Wölfe minimieren. Besonders bewährt haben sich in Mitteleuropa spezielle Herdenschutzhunde, die die Herde aktiv gegen Wölfe verteidigen. Heute stehen mit mobilen Elektrozäunen weitere technische Mittel zur Verfügung, die Übergriffe von Wölfen weitgehend verhindern können. Dies alles kostet Geld und Zeit, daher müssen die schafhaltenden Betriebe umfassend und professionell von den Behörden unterstützt werden, da der Schutz des Wolfes auf der Basis der Gesetze und internationalen Verpflichtungen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.
Wölfe konnten schon immer in Ausnahmefällen getötet werden – umfassende rechtliche Regelungen dazu liegen schon lange deutschlandweit vor.
Eine Entnahme (Tötung) einzelner Wölfe ist schon immer möglich gewesen, zum Beispiel, wenn festgestellt wurde, dass fachgerechte Präventionsmaßnahmen im betroffenen Bereich nicht greifen, Weidetiere getötet wurden und daher ein unzumutbarer wirtschaftlicher Schaden für den betroffenen Betrieb droht – ein seltener Ausnahmefall. Rechtliche Voraussetzung ist, wie es auch das deutsche Artenschutzrecht (§45 Bundesnaturschutzgesetz) vorgibt, eine ausführliche Einzelfallprüfung und Abwägungsentscheidung der verantwortlichen Naturschutzbehörde. Das ist also seit vielen Jahren Konsens, Rechtslage und unstrittig und hat keinen Neuigkeitswert. Auch wir tragen diese gesetzlichen Regelungen mit.
Es droht das Erbe der Berner Konvention geopfert zu werden
Für den Schutz bedrohter, aber in Schutz und Management unbequemer Arten wie die des Wolfes, haben Generationen von Naturschützern, Juristen und Politiker in allen Ländern Europas ihr Leben lang gekämpft haben und waren letzlich mit der Verabschiedung der Berner Konvention 1979 und der späteren Umsetzung im Naturschutzrecht erfolgreich. Sie formuliert als Begründung immer noch treffend, „dass wildlebende Pflanzen und Tiere ein Naturerbe von ästhetischem, wissenschaftlichem, kulturellem, erholungsbezogenen, wirtschaftlichem und ideellem Wert darstellen, das erhalten und an künftige Generationen weitergegeben werden muss“. Wir dürfen nicht zulassen, dass dies jetzt ausgerechnet in einem der reichsten Ländern der Welt geopfert wird. So wird der Wolf wieder in eine Rolle gedrängt, die er auch früher schon mal hatte – als Symbol für verschiedene Werte, als Lackmustest für die Ernsthaftigkeit von Naturschutzparolen. Wir wollten im Gegensatz dazu immer eine sachliche und ausgewogene Diskussion und ein Wolfsmanagement, bei dem neben dem Schutz des Wolfes auch die berechtigten Bedürfnisse der Weidetierhalter berücksichtigt werden. Wir werden aber auch nicht das Erbe von drei Generationen Naturschutz kampflos aufgeben.
Rechtsgutachten zum bayerischen Aktionsplan Wolf von Prof. Dr. Köck jetzt hier als PDF herunterladen
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Bayern wild TV stellt sich vor
Bayern wild TV ist das neue Videoformat rund um die vielen spannenden Wildtierthemen, die Bayern aktuell zu bieten hat. Unterhaltsam gehen wir darin auf aktuelle Entwicklungen ein, die nicht nur Wolf, Luchs und Bär mit sich bringen.
Denn in unseren Interviews stellen wir die Persönlichkeiten und Akteure hinter Projekten und Organisationen vor und beleuchten so nicht nur nebenbei, sondern mit voller Absicht, Bayerns wilde Seite. Regelmäßiges Reinschauen auf www.bayern-wild.tv lohnt sich also.
Die Themen in unseren bisherigen drei Folgen waren die beiden Präsentationen unserer Lehrmaterialen zu Wölfen und Luchsen in Bayern sowie ein Besuch in der Greifvogel-Auffangstation Freising. Alle Folgen können auf Bayern wild TV angesehen werden.
Folge 1: Lehrmaterial Wölfe in Bayern vorgestellt | Interview mit dem Autor Peter Sürth
In diesem Video stellen wir den Wolfsforscher Peter Sürth und unser soeben erschienenes Lehrmaterial zum Thema Wolf vor. Das Unterrichtsmaterial ist für Realschulen und Gymnasien geeignet. Infos, kostenlose Bestellung und Download gibt es hier.
Folge 2: Greifvogelauffang-Station Freising
Ende November 2017 waren wir bei Willi Holzer, dem langjährigen Leiter der Greifvogel-Auffangstation Freising zu Besuch. In dem Interview schildert er uns von seiner Faszination für Greifvögel und zeigt uns, worauf man achten sollte, wenn man bei einem Spaziergang ein totes Tier entdeckt. Denn leider werden noch immer zahlreiche Greifvögel erschossen, vergiftet und in Fallen gefangen.
Folge 3: Lehrmaterial Luchse in Bayern vorgestellt | Interview mit dem Autor Peter Sürth
In diesem Video stellt unsere Fachreferentin Naturschutz Bayern, Franziska Baur den Luchsforscher Peter Sürth und unser soeben erschienenes Lehrmaterial zum Thema Luchse in Bayern vor. Das Unterrichtsmaterial ist für Realschulen und Gymnasien geeignet. Infos, kostenlose Bestellung und Download hier.
Posted in Allgemein and tagged Bayern wild TV, Luchs Bayern, Wildtiere BAyern, Wolf Bayern, Wölfe Bayern by Andreas Abstreiter with no comments yet.
Zwei bayerische Wolfspaare
von Stefanie Morbach
In den letzten Monaten wurden die Wolfsnachweise in Bayern verifiziert. So konnten im Bayerischen Wald und auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr die jeweils zwei Einzelwölfe als Männchen und Weibchen identifiziert werden. Damit gehen die Behörden und auch wir von den ersten beiden bayerischen Wolfspaaren aus – und wir warten gespannt auf die Meldungen über Nachwuchs. Natürlich muss das dieses Jahr noch nicht soweit sein, aber die Chancen stehen doch sehr gut.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde wohl der letzte Wolf in Bayern erlegt. Mit der Rückkehr, Etablierung von Revieren und anstehenden Rudelbildung kehrt ein echter Ureinwohner Bayerns zurück. Damit verbunden sind legitime Bedenken und Überlegungen aber auch sinnlose Behauptungen, die gerade den unmittelbar Betroffenen (in der Regel Weidetierhalter) überhaupt nicht weiterhelfen.
Aktuelle Wolfsnachweise in Bayern finden Sie hier.
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Der zurückgekehrte Wolf
Seit einigen Wochen ist klar: es ziehen nicht mehr nur einzelne Wölfe durch das Land, mindestens zwei haben sich niedergelassen, einer davon auch einen Partner gefunden. (Monitoring Wolf Landesamt für Umwelt)
Und schon schlagen die (politischen) Wogen hoch. Was seit Jahren, gar Jahrzehnten absehbar war, scheint jetzt bei manchem doch Erstaunen hervorzurufen. Bayern ist umzingelt von Wolfvorkommen: Italien, Österreich (Niederösterreich), Tschechien, Sachsen… Quasi aus allen Richtungen kann der Wolf zurückkommen. Und er tut es auch.
Jüngst, mit Bekanntwerden des Wolfpaares (m, ?) im Bayerischen Wald, brachten alle (!) Landtagsfraktionen Eilanträge im Umweltausschuss des Bayerischen Landtages ein. Dringlichkeitsanträgen finden Sie hier. Stattgegeben wurden den Anträgen der CSU und der FW. Weiteres wird nun diskutiert. Sinnvoll und überfällig ist die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Herdenschutz. Reine Augenwischerei ist die Forderung nach Herabsetzung des Schutzstatus. Sicherlich kann man dies fordern, jedoch unterliegt dem Wolf diversen Schutzbestimmungen, u.a. FFH Richtlinien und damit EU-Recht. Dieses zu ändern dürfte wohl nicht in naher Zukunft möglich sein. Viel wichtiger und dringlicher ist die Prävention vor Übergriffen auf Nutztiere voranzutreiben. Was sind Minimalanforderungen, wie wird hier finanziell unterstützt…? Gefordert wurde „schnellstmöglich Fördermöglichkeiten für Präventionsmaßnahmen zu prüfen“. Die Prüfung allein reicht nicht aus. Daraus muss unmittelbar eine Umsetzung und Festlegung der Förderung hervorgehen.
Nicht zuletzt schlägt jetzt die Bayerische Staatszeitung in die Kerbe: Wolfsabschuss in Bayern Ja oder Nein? Es ist das Recht eines jeden, sich hier zu äußern und abzustimmen. Nur: bringen wird es nichts. Es ist kein Volksbeschluss ob er im Allgemeinen geschossen werden soll oder nicht, ob der Wolf bei uns leben kann oder nicht. Die Meldungen der letzten Jahre zeigen: er kann, will und wird. Nun gilt es vielmehr dies bestmöglich zu begleiten.
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Rückkehr der Wölfe nach Bayern
Die Rückkehr der Wölfe nach Bayern ist kein Geheimnis. Die bestätigten Hinweise nehmen in letzter Zeit zu. Einen Überblick gibt die aktuelle Tabelle des Landesamtes für Umwelt in Bayern. Aus aktuellem Anlass – dem achten Hinweis in diesem Jahr (Stand Sept 2016) – weisen wir gerne nochmals darauf hin.
Anfang September war ein Wolf in eine Fotofalle auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr (Oberpfalz) gegangen. Genaue Angaben zu Abstimmung und Geschlecht konnten (bislang) nicht gemacht werden. Hinweise aus der Region gab es nach Angaben des Landesamtes für Umwelt bereits seit einigen Monaten.
Die immer wieder auftretenden Wolfmeldungen scheinen in Bayern langsam zur Gewohnheit zur werden. Kann man dem Eindruck der Medien glauben, so sind Jäger und Landwirte in der Region entspannt. Je nach Region, Haltungsform von Nutztieren und Vorkommen von Wildtieren wird die Präsenz des Wolfes unterschiedlich ins Gewicht fallen und mögliche Umstellungen in Kopf und Praxis erforderlich machen. In allen Fällen gilt, sich nun mit der Thematik auseinanderzusetzen!
Die offizielle Pressemitteilung Landesamt für Umwelt finden Sie hier.
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