Jahresbilanz im Projekt „Tatort Natur“: Mindestens 25 Fälle von Naturschutzkriminalität in Bayern – Oberpfalz Spitzenreiter 

von Franziska Baur

Zahlreiche Fälle von Naturschutzkriminalität konnten wir im Rahmen des Projekts „Tatort Natur“ im Jahr 2023 dokumentieren. Die traurige Bilanz beinhaltet neben 19 nachweislich vergifteten Eulen- und Greifvögeln auch sechs Fälle, in denen geschützte Vogelarten beschossen wurden. Wir gehen darüber hinaus von einer hohen Dunkelziffer an Naturschutzdelikten aus. Besonders betroffen macht uns, dass alle diese Fälle bisher folgenlos für die Täter blieben. Wir setzen uns deshalb auch im kommenden Jahr weiterhin für die Strafverfolgung ein und bringen jeden Fall zur Anzeige. 

Insgesamt 86 tote Vögel wurden im Laufe des Jahres 2023 dokumentiert. In 19 Fällen war die toxikologische Untersuchung positiv. Besonders häufig kam dabei das Nervengift Carbofuran zum Einsatz, welches seit 2007 in der EU verboten ist und bereits bei Hautkontakt ernste gesundheitliche Folgen haben kann – besonders für Kinder und Haustiere. Die meisten vergifteten Greifvögel stammten aus der Oberpfalz, insbesondere aus dem Lkr. Regensburg. Auch in Niederbayern, Oberbayern, Mittel- und Oberfranken konnten Vergiftungsfälle nachgewiesen werden. Darüber hinaus kamen mindestens sechs Mal Schusswaffen gegen streng geschützte Vogelarten zum Einsatz. Ein Weißstorch, ein Graureiher und ein Turmfalke konnten glücklicherweise rechtzeitig gefunden werden und überlebten deshalb. Auch beim Beschuss auf Vögel ist die Oberpfalz trauriger Spitzenreiter, gefolgt von Oberbayern und Niederbayern. Am häufigsten von Naturschutzdelikten betroffen waren Uhu (6), Rotmilan (4) und Mäusebussard (4). Für Aufsehen hatte der Fall eines toten Seeadlers im Lkr. Amberg-Sulzbach gesorgt. Er starb am Rattengift Brodifacoum. Ob es sich dabei um eine vorsätzliche Vergiftung handelt oder der Seeadler möglicherweise ein vergiftetes Tier fraß („Sekundärvergiftung“) ist schwer nachzuvollziehen. In anderen Fällen, wie bspw. dem eines toten Rotmilans im Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen, geht man von einer gezielten Tötung aus: Dort fanden LBV-Aktive neben dem vergifteten Vogel auch eine vergiftete Hauskatze und mehrere präparierte Giftköder.

Naturschutzkriminalität stellt also weiterhin eine ernstzunehmende Gefahr für unsere heimische Tierwelt und auch für uns Menschen und unsere Haustiere dar. Die Sensibilisierung von Gesellschaft, Polizei und Behörden ist entscheidend, um bei der Strafverfolgung tatsächlich Erfolge zu erzielen. Wir hoffen, dass so zukünftig viele der Delikte aufgeklärt werden können. Bisher konnten leider nur in wenigen Fällen Tatverdächtige ausfindig gemacht werden. Die Schwierigkeiten liegen v.a. bei der Prävention und Verfolgung solcher Straftaten: mangelndes Wissen, eine geringe Routine und das Fehlen von Fortbildungsangeboten sind u.a. verantwortlich für die geringe Verurteilungsrate. 

Geschädigte solcher Delikte sind letztendlich – neben den Tieren selbst – auch die Umweltverbände, die seit vielen Jahren mit hohem finanziellen Einsatz um die Erhaltung und Rückkehr bedrohter Tierarten wie Luchse und Greifvögel bemüht sind. Theoretisch könnten auch diese daher künftig als Kläger vor Gericht auftreten und Schadensersatz fordern.

2023 wurden deshalb eine Vielzahl an Schulungen rund um Naturschutzkriminalität, z.B. an Landratsämtern, durchgeführt. Durch die wertvolle Aufklärungsarbeit ist das Thema in vielen Behörden mittlerweile bekannt und die nötigen Abläufe zur Meldung und Dokumentation haben sich etabliert. Zudem gibt es inzwischen einen Handlungsleitfaden für alle Polizeibehörden in Bayern.

Wünschenswert wäre ein juristischer Handlungsleitfaden auch für Staatsanwaltschaften, da der Dschungel von Gesetzen aus dem Natur-, Arten- und Tierschutz- sowie aus dem Betäubungsmittelrecht Anzeigen und Verurteilungen massiv erschwert. Auch bestimmte Gesetzesauslegungen sind äußerst hinderlich für die Verfolgung solcher Straftaten, wie z.B. dass der Besitz von Carbofuran oder von Fallen nicht strafbar ist. Weiterhin sollte der Einsatz von Rodentiziden (z.B. Koagulanzien) deutlich erschwert bzw. strenger reguliert werden.

Unsere kostenlose Tagung „Tatort Natur“ im LBV-Zentrum „Mensch und Natur“ im Oktober gab einen Überblick über die Herausforderung in Deutschland und Österreich, zeigte Defizite auf, stellte konkrete Praxisbeispiele vor und bot reichlich Möglichkeiten für internen Austausch. Die Zielgruppen waren Strafverfolgungsbehörden (Polizei und Staatsanwaltschaft), Jurist:innen (Richter:innen etc.), Naturschutzbehörden, NGOs, Ranger, Gebietsbetreuer:innen etc.

Nachdem unsere sehenswerte Filmreihe in die Thematik der Naturschutzkriminalität einführte, referierten u.a. Inge Roith (Polizeipräsidium Niederbayern, AG Greifvögel), Dr. Felix Knauer (Veterinärmedizinische Universität, Wien), Katja Schnetz (Luchsprojekt Bayern, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf), Mag. Dr. Rainer Raab (LIFE EUROKITE) sowie Dr. Oliver Krone/Dr. Claudia A. Szentiks (Pathologie, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), Berlin). 


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Erster weiblicher Luchs im Nordschwarzwald ausgewildert

von Franziska Baur

Finja springt aus ihrer Transportbox ab in die neue Heimat Nordschwarzwald (Uli Deck/dpa)

Im Rahmen eines landesweiten Luchsprojekts ist Anfang Dezember 2023 im Nordschwarzwald zum ersten Mal ein weiblicher Luchs ausgewildert worden. Bislang waren es nur Kuder, die ihren Weg ins Land gefunden haben. Insgesamt 17 männliche Luchse sind seit 2005 immer wieder, vor allem aus der Schweiz, nach Baden-Württemberg eingewandert. Die weiblichen Tiere entfernen sich nicht weit von ihrem Geburtsort. Deshalb können sich die Luchspopulationen räumlich kaum ausdehnen und den eigentlich bestens geeigneten Lebensraum besetzen. Deshalb sollen in den nächsten 4 Jahren mit dem Luchsprojekt bis zu zehn weibliche Luchse ausgewildert werden. Die ursprünglich aus dem Thüringer Wildkatzendorf in Hütscheroda stammende, 2-jährige Finja und ihre Nachfolgerinnen sollen helfen, wieder eine feste, baden-württembergische Population aufzubauen.

Davon könnte sich Bayern eine Scheibe abschneiden: hier untersagt der völlig veraltete Managementplan von 2008 die aktive Wiederansiedlung von Luchsen und verhindert so die Entwicklung einer gesunden Luchspopulation sowie den von der EU geforderten Aufbau eines günstigen Erhaltungszustandes der Tierart.

Die große Hoffnung der Wildtierbiologen ist, dass Finja und der im Nordschwarzwald bereits ansässige Luchs Toni einander finden und für den ersten Luchsnachwuchs seit rund 200 Jahren sorgen. Und das ist die Idee hinter dem Auswilderungsprojekt: Studien zeigen, dass nur mit einer aktiven Ansiedlung von weiblichen Luchsen die Überlebenschancen für den Luchs in Baden-Württemberg, sowie für die angrenzenden Populationen im Schweizer Jura, Pfälzerwald und den Vogesen gesichert werden können.

Potentieller Paarungspartner „Toni“ (FVA Freiburg)

Um die Wiederansiedlung in Baden-Württemberg bemüht sich seit rund 20 Jahren die AG Luchs: Sie wird geführt von Expert:innen der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg (FVA) (u.a. Micha Herdtfelder) im Auftrag des Stuttgarter Landwirtschaftsministeriums. Projektpartner sind der Landesjagdverband Baden-Württemberg, der WWF Deutschland, die HIT-Umweltstiftung und der Zoo Karlsruhe. sie unterstützen die Auswilderung fachlich und finanziell. Seit dem Jahr 2004 erhebt die FVA gemeinsam mit Jägern Daten darüber, wie die Luchse Fuß fassen und sich im neuen Lebensraum verhalten. 

In Finja wird große Hoffnung gesetzt (Uli Deck/dpa)

Im Nachbarland Schweiz werden bereits seit 1971 Luchse wiederangesiedelt, woraus sich zwei Populationen entwickelt haben – eine im Jura und eine in den Alpen. Leider besteht nun der Verdacht, dass sich aufgrund von Inzucht und daraus resultierender fehlender genetischer Diversität Herzprobleme entwickelt haben könnten. Nur wenige Luchse wurden damals in den slowakischen Karpaten gefangen und in der Schweiz frei gelassen. Heute steht fest, dass die gesamte Luchspopulation von diesen Gründertieren abstammt, welche unglücklicherweise miteinander verwandt waren. Das Wissen um die Bedeutung dieser Vielfalt sei in den 1970er-Jahren kaum vorhanden gewesen. Bei einem Kora-Projekt werden die gesundheitlichen Folgen der Inzucht erforscht. Es sind Herzgeräusche, die man bei gesunden Tieren nicht hört. Diese kommen zwar auch bei den Luchsen, die ihr Streifgebiet im Jura haben, vor, allerdings seltener als in den Alpen. Im französischen Jura gab es in den letzten Jahren ein paar Luchse ohne Ohren. Hier gilt es abzuklären, warum ob dies genetische Ursachen hat? Das Problem der genetischen Vielfalt der Luchse ist kein nationales. In einem länderübergreifenden Projekt versuchen Forschende, die häufig isolierten Populationen europaweit zu schützen und besser zu vernetzen. Dazu müssten aber neue Luchse ausgesetzt werden. Oder es bräuchte deutlich mehr Grünbrücken über Wanderhindernisse wie Autobahnen. Die Diskussionen über die Zukunft der europäischen Luchse stehen also weiterhin noch ganz am Anfang…


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Neue Bildungsfilmreihe zum Thema Naturschutzkriminalität 

Projekt Tatort Natur: Videoclips zeigen Wissenswertes rund um die illegale Tötung von Wildtieren

Von Franziska Baur

Zu Beginn des neuen Jahres veröffentlichen die Gregor Louisoder Umweltstiftung (GLUS) und der bayerische Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) im Rahmen des Projekts „Tatort Natur – Naturschutzkriminalität dokumentieren und stoppen!“ eine Bildungsfilmreihe rund um die illegale Verfolgung geschützter Wildtiere in Bayern. Die Clips von jeweils 5 bis 10 Minuten Länge dienen einerseits als Bildungsangebot für die allgemeine Bevölkerung, richten sich aber auch ganz spezifisch an Menschen in der Praxis, die bei der Polizei, in Behörden oder bei Staatsanwaltschaften, als Richterinnen und Richter arbeiten, in der Naturschutzwacht oder als Ranger*innen aktiv sind.  „Unser Ziel ist es, dass Bayern wieder eine sichere Heimat für unsere Wildtiere wird und auch wir Menschen und unsere Vierbeiner wieder sorglos die Natur genießen können. Unsere Filme sollen aufklären, sensibilisieren und nachhaltig abschrecken”, erklärt Franziska Baur, Filmemacherin und Projektmanagerin der Gregor Louisoder Umweltstiftung von Tatort Natur. Unter www.tatort-natur.de können Interessierte die drei Kurzvideos ansehen.

Die illegale Verfolgung von geschützten Wildtieren, wie zum Beispiel Luchsen oder Greifvögeln, stellt eine akute Bedrohung für Bayerns Natur dar. Mit dem Ziel, diese Problematik aufzuzeigen, hat Franziska Baur im Laufe des vergangenen Jahres verschiedene Protagonisten in ganz Bayern getroffen, die in ihrer Arbeit mit dem Thema konfrontiert sind. Gemeinsam mit ihnen machen sich die Zuschauer*innen auf zu einer emotionalen und inspirierenden Erkundungsreise und erleben Naturschutz in Aktion. Die Bildungsfilmreihe soll die Schönheit der heimischen Natur zeigen und deren akute Bedrohung durch diejenigen, die Wildtiere mit perfiden Methoden loswerden möchten: durch Giftköder, Fallen oder Beschuss. 

Erst kürzlich machten der LBV und die GLUS wieder auf drei Fälle von vergifteten Greif- beziehungsweise Eulenvögeln aufmerksam. Zwei Uhus und ein Mäusebussard waren durch das illegale Kontaktgift Carbofuran gestorben. Aktuelle Fälle wie diese zeigen, wie wichtig es ist, das Bewusstsein für Naturschutzkriminalität in der Bevölkerung weiter zu schärfen. „Öffentlichkeitsarbeit ist eine zentrale Säule unseres Projektes Tatort Natur. Mit den neuen Filmen wollen wir möglichst viele Leute erreichen, um so auch eine soziale Kontrolle auszuüben. Das ist wahrscheinlich die wirksamste Methode, um Naturschutzkriminalität einzudämmen“, sagt Projektmanager Dr. Andreas von Lindeiner vom LBV. 

 

Optimale Inhalte für Fortbildungsveranstaltungen

Die drei Clips sind ab sofort verfügbar unter www.tatort-natur.de/material/bildungsfilme/ sowie auf den Plattformen YouTube, Vimeo und Facebook. Die Bildungsfilme eigenen sich optimal für Weiterbildungen. Bei einer internen Fortbildungsveranstaltung zum Thema „Naturschutzkriminalität“ am Landratsamt Pfaffenhofen an der Ilm stießen die Filme bereits auf sehr positive Resonanz.

Verantwortlich für Redaktion und Moderation der Filme ist Franziska Baur. Kamera und Postproduktion hat Andreas Kastiunig von der Produktionsfirma stube 1 übernommen.

Im ersten Clip „Straftaten erkennen, melden, dokumentieren“ erklärt die Biologin und Projektmanagerin Franziska Baur gemeinsam mit Dr. Andreas von Lindeiner, LBV-Projektverantwortlicher, wie illegale Nachstellungen zu erkennen sind, welche Methoden verwendet werden und welche Strafen das Gesetz bei illegaler Tötung geschützter Wildtiere vorsieht.

Im Film „Den Tätern auf der Spur“ stellt Werner Sika, leitender Polizeidirektor des Polizeipräsidiums Niederbayern, anschaulich den Handlungsleitfaden für die Bayerische Polizei vor, der zum Einsatz kommt, wenn der Verdacht auf die illegale Tötung eines geschützten Wildtiers besteht. 

In „Toxikologische Spurensicherung“ erläutert Prof. Dr. med. vet. Hermann Ammer vom Lehrstuhl für Pharmakologie, Toxikologie und Pharmazie der Ludwigs-Maximilian-Universität München, wie eine toxikologische Untersuchung bei Verdacht auf Vergiftung abläuft und was in diesem Zusammenhang zu beachten ist.

Gemeinsames Projekt: „Tatort Natur – Naturschutzkriminalität dokumentieren und stoppen!“

In den vergangenen Jahren gab es in Sachen Naturschutzkriminalität viele dramatische Ereignisse, wie die illegale Tötung geschützter Luchse oder majestätischer Greifvögel. Einige dieser Arten haben es weiterhin schwer und brauchen dringend Unterstützung. Ein Großteil der Fälle bleibt ungeklärt und für die Täter folgenlos. Das muss sich dringend ändern. Der LBV und GLUS haben deshalb das Projekt „Tatort Natur – Naturschutzkriminalität dokumentieren und stoppen!“ gestartet. In einer bayernweiten Datenbank sollen alle (Verdachts-)Fälle von Naturschutzkriminalität gespeichert werden. Als erste Anlaufstelle für betroffene Behörden und die Öffentlichkeit soll die Datenbank fachliche Unterstützung bieten und als Melde- und Informationsplattform dienen. Das Projekt leiten die Biologin Franziska Baur (GLUS) und der Biologe Dr. Andreas von Lindeiner (LBV). Mehr Informationen zum Projekt gibt es unter www.tatort-natur.de.

 

Franziska Baur, GLUS-Naturschutzreferentin, franziska.baur@umweltstiftung.com

 


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2020 – Ein gutes Jahr für unsere heimischen Raubtiere a.k.a. „Konflikttierarten“ (Wolf, Luchs, Bär & Co.)?

von Franziska Baur
 
Soviel steht fest: 2020 wird uns allen prägnant in Erinnerung bleiben als eines der wenigen guten Jahre. Jedoch gab es auch erfreuliche Nachrichten: in vielen Winkeln der Erde erholte sich die Natur merklich und auch hierzulande waren heuer alle drei heimischen großen Beutegreifer anzutreffen: Wolf, Luchs und sogar Bär!
 
Kompaktwissen Wolf, Luchs, Bär

 

 

Europäischer Wolf (Canis lupus lupus)

Seit 2006 gibt es bei uns in Bayern wieder Wölfe, bisher meist junge Durchzügler. Das erste bayerische Rudel bildete sich 2017 im Bayerischen Wald. Ein Wolf gilt als standorttreu, wenn dieser über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten nachgewiesen wird oder eine Reproduktion belegt ist. Standorttreue Wölfe in BY: Truppenübungsplatz Grafenwöhr, Veldensteiner Forst, Bayerischer Wald, Rhön, Oberallgäu, Manteler Forst.
 
Jungtiere z.B. aus dem Nordosten Deutschlands oder aus den Alpen wandern bei Geschlechtsreife weite Strecken auf der Suche nach einem eigenen Territorium. Somit können jederzeit überall in Bayern Wölfe zu- oder abwandern.

 

Kriterien des standardisierten Monitorings

 

 

Reproduktion 2020

Wolfswelpen Bayern

Foto: Jungwölfe Axel Gomille

 

 
Nationalpark Bayerischer Wald (2 Rudel):
Süd: Fähe mit Gesäuge nachgewiesen
Nord: Ein Welpe genetisch nachgewiesen

 

 

Manteler Forst (1. Nachwuchs):
27.05.2020: Fähe (sächsische Wölfin) mit Gesäuge (Wildkamera), Vater ist Nachkomme aus Veldensteiner Forst
19.09.2020: Rudel an Hirschkadaver: mind. 5 Welpen (gemischt-geschlechtlich)

 

Veldensteiner Forst (Nachwuchs 3. Jahr in Folge):
05.05.2020: Fähe mit Gesäuge (Wildkamera)
28.08.2020: 4 Welpen (Wildkamera)

 

 

Tot aufgefundene Individuen

 

Lkr. Hof, 31.08.2020: weibl. Individuum GW1607f (Herkunftsrudel: Lieberose, Brandenburg)

 

Laut LfU am 05.10.2020: Auf Grund des sehr weit fortgeschrittenen Verwesungsstatus des Kadavers konnte die Todesursache nicht mehr festgestellt werden. Es fanden sich keine Hinweise auf einen Verkehrsunfall (keine Knochenbrüche) oder Beschuss sowohl am Skelett als auch an der Fundstelle. Beides kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, da in beiden Fällen auch eine reine Weichteilverletzung zum Tode führen kann. Anzeichen auf Krankheiten konnten anhand der Überreste nicht festgestellt werden

 

 

Weitere Hinweise/Sichtungen/Risse

 

Lkr. Neustadt an der Waldnaab, 09.01.2020: Rissereignis Schaf mit genet. Nachweis Wolf als Verursacher.
 
Lkr. Traunstein/Kitzbühel, Juni/Juli 2020: Div. Rissereignisse Schaf. Experten des Netzwerks Große Beutegreifer konnten genetische Proben gewinnen: Wolf aus dynamischer Population. Abgleich zwischen dt. und öster. Referenzlabor zeigt, dass es sich bei den Schafsrissen in Kössen/Walchsee in Österreich und im Lkr. Traunstein um den identischen Haplotypen und um dasselbe Individuum handelt.
 
Lkr. Garmisch-Partenkirchen, 16.07.2020: Rissereignis Schaf. In direktem räumlichen Zusammenhang wurde in der Nacht zum Montag ein Wolf von einer automatischen Wildtierkamera aufgenommen. Als Verursacher ist ein Wolf daher sehr wahrscheinlich. Keine weiteren Nachweise und somit keine Förderkulisse mehr.
 
Lkr. Aichach-Friedberg, 25.07.2020: Rissereignis Schaf. Als Verursacher wird von Experten ein Wolf angesehen, der in der folgenden Nacht auf der betroffenen Weide mit automatischen Wildtierkamera aufgenommen wurde. Wolfsrüde nicht mehr nachgewiesen, keine Förderkulisse mehr.
 
Lkr. Ostalllgäu, 03.08.2020: Rissereignis Schaf, Genetik bestätigt Wolf als Verursacher.
 
Lkr. Tirschenreuth, 14./18.10.2020: 3 Schafe, 1 Ziege gerissen. Dokumentationen schließen auf großen Beutegreifer. Bisherige Genetikergebnisse ergaben Haplotypen, der sowohl bei Wölfen, als auch bei Hunden vorkommen kann. Aufgrund dessen Seltenheit reicht Standardanalyse zur sicheren Unterscheidung Wolf/Hund nicht aus.
 
Lkr. Eichstätt, 18.06./18.08./18.10.2020: Weiblicher Wolf (Wildkamera, Losung)
 
Lkr. Freising, 25.10.2020: Rissereignis Damwild in Wildgehege. Abstrich: Wolfsrüde (GW1896m) aus zentraleuropäischen Population. Herkunftsrudel konnte nicht ermittelt werden. Individuum zog weiter nach Baden-Württemberg.
 
Lkr. Bamberg, 04.11.2020 Wolf (Wildkamera)
 
Truppenübungsplatz Grafenwöhr, 8.11.2020: Rehriss durch territoriale Wölfin GW1758f (aus Laußnitzer Heide, Sachsen, 2019)
 
Bayerische Rhön: Weibliches Einzeltier, territorial
 
Reutte (Österreich), Grenzgebiet zu Garmisch Partenkirchen bzw. Ostallgäu, 16.11.2020: Nachweis Wolf Rotwildriss (Alpenpopulation)
 
Nürnberger Land, 07.12.2020: Wolf gesichtet, gefilmt und fotografiert, mögl. Jungtier aus Veldensteiner Forst
 
Truppenübungsplatz Hohenfels, 10.05.2020: Territorialer Rüde GW1416m (Losung) aus Parchener Rudel, Sachsen-Anhalt), erstmalig am 29.09.2019 über Haarprobe in Thüringen, am 02.01.2020 Wildtierriss im Lkr. Hof. Präventiv Förderkulisse ausgewiesen.
 
Förderrichtlinie Investition Herdenschutz Wolf (FöRIHW)

Im April 2020 ist die „Förderrichtlinie Investition Herdenschutz Wolf“ (FöRIHW) in Kraft getreten. Die Zuwendungen im Rahmen dieses Förderprogramms gelten ausschließlich in den vom LfU veröffentlichten Förderkulissen. Es gibt eine Förderkulisse für Zäune sowie eine für Herdenschutzhunde. Die Karte mit den Förderkulissen und weitere Informationen zur Herdenschutzförderung finden Sie hier:
 Förderrichtlinie ‚Investition Herdenschutz Wolf‘ (FöRIHW) – LfU Bayern.
 
Um das Zentrum der Wolfsterritorien werden in der Regel sogenannte „Wolfsgebiete im Sinne des Schadensausgleichs“ ausgewiesen. Um bei Schäden durch Wölfe Ausgleichszahlungen in Anspruch nehmen zu können, müssen in diesen Gebieten innerhalb eines Jahres angemessene und zumutbare Präventionsmaßnahmen („Grundschutz“) ergriffen werden. In Gemeinden außerhalb dieser Gebiete sind die Ausgleichszahlungen nicht an vorherige Prävention gebunden.
 
Die Förderkulisse in Gebieten standorttreuer Wölfe setzt sich wie folgt zusammen:
  • Eine weiträumige Kulisse (60 km Radius um Nachweise), in der Herdenschutzhunde gefördert werden können (Förderkulisse Herdenschutzhunde)
  • Eine etwas kleinere Kulisse (30 km Radius um Nachweise), in der die Anschaffung von Herdenschutzmaterial gefördert wird (Förderkulisse Zäune)
  • Eine etwas kleinere Kulisse (15 km Radius um Nachweise), in der der Herdenschutz nach einer Übergangsfrist von einem Jahr Bedingung für etwaige Ausgleichszahlungen bei Übergriffen auf Nutztiere ist (Wolfsgebiete i.S.d. Schadensausgleichs)
 
Die aktualisierte Förderkulisse: Förderrichtlinie ‚Investition Herdenschutz Wolf‘ (FöRIHW) – LfU Bayern
 
Nutztierhalter, deren Weiden innerhalb der Kulisse liegen, können sich Herdenschutzmaßnahmen fördern lassen. Anträge können ab sofort bei den zuständigen Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) gestellt werden: www.stmelf.bayern.de/agrarpolitik/foerderung/244077/index.php
 
Schäden, die Nutztierhaltern durch Wolfsrisse entstehen, können durch den Ausgleichsfonds Große Beutegreifer kompensiert werden:
www.lfu.bayern.de/natur/wildtiermanagement_grosse_beutegreifer/ausgleichsfonds/index.htm
 
Das LfU erweitert die Förderkulissen, wenn es in Gebieten außerhalb der bestehenden Wolfsgebiete zu Nutztierrissen oder vermehrten Anzeichen für eine Wolfspräsenz oder Paarbildung kommt. Derzeit enthält die Förderkulisse acht solcher „Ereignisgebiete“, von denen einige für das Jahr 2021 übernommen werden, während andere entfallen. 
 
Hinweise zu Wolf bitte melden:
Bayerisches Landesamt für Umwelt, Referat 53 – Landschaftspflege, Wildtiermanagement
 
www.lfu.bayern.de/natur/wildtiermanagement_grosse_beutegreifer/hinweise_melden/index.htm
 
 

 

 

Europäischer Luchs (Lynx lynx lynx)

 

Felines Immundefizienz Virus Luchs

 

Luchsverbreitung in Deutschland: 2018/2019

 
Das BfN veröffentlichte die Ergebnisse der jährlichen Erhebung der Bundesländer für das Monitoringjahr 2018/2019 in einer Verbreitungskarte samt Erläuterung. Insgesamt konnten 137 Luchse, davon 88 selbständige (halbwüchsig und erwachsen) Luchse sowie 49 Jungtiere, in Deutschland nachgewiesen werden. 

 

 

Bayerisches Luchsmanagement: Leichte Zunahme der Bestandszahlen 

 
Für das Monitoringjahr Mai 2018-April 2019 wurden 60 selbständige Luchse (erwachsene und halbwüchsige) sowie 26 Jungtiere nachgewiesen. Ein Großteil dieser Tiere ist grenzüberschreitend im Dreiländereck Deutschland/Tschechien/Österreich unterwegs. Überwiegend in Bayern leben davon 49 Luchse einschließlich 17 Jungtiere. Ein wichtiger Gradmesser für den Zustand der Population sind die Weibchen mit Nachwuchs: Das sind im zurückliegenden Monitoringjahr 11 Weibchen und somit gut ein Drittel der festgestellten selbständigen Luchse. Nach vielen Jahren der Stagnation ist eine leichte Zunahme und Ausbreitung des Bestandes erkennbar: Im Vergleich zum letzten Monitoringjahr (1.5.2017-30.4.2018) von 26 auf 32 Selbständige bzw. von 15 auf 17 Jungtiere. 

 

Das Luchsvorkommen in Ostbayern ist eine von 3 Populationen deutschlandweit. Trotz der leicht positiven Entwicklung bleiben Luchse stark gefährdet. Ob dieser Trend anhalten wird, ist von der Höhe der menschlich bedingten Mortalität abhängig: dazu zählen Verluste durch Straßenverkehr aber vor allem durch illegale Tötung. Die illegale Nachstellung ist die Hauptgefährdungsursache aller mitteleuropäischen Luchspopulationen. Ihr Ausmaß ist jedoch in Bayern besonders gut untersucht, da mit dem Einsatz von Fotofallen das plötzliche Verschwinden insbesondere reviertreuer Luchse schnell offensichtlich wird. 
 
Um ein Gesamtbild der Verbreitung über die Ländergrenzen hinweg zu erhalten, starteten Deutschland, Tschechien und Österreich 2017 das Projekt 3Lynx innerhalb des EU-Förderprogramms Interreg Central-Europe mit elf Projektpartnern. Ein Monitoringsystem mit Wildkameras wurde auf einer Fläche von 13.000 km² aufgebaut. Um Doppelzählungen zu verhindern und Wanderungen grenzüberschreitend zu erfassen, werden die gewonnenen Daten von Wissenschaftlern aller Projektpartner gemeinsam ausgewertet. Für ein effektives Luchsmanagement sind Abstimmungen über die Staatsgrenzen hinweg notwendig. Eine länderübergreifende Schutzstrategie soll dazu beitragen, die Lebensraumsituation für die Tiere zu verbessern und illegale Nachstellungen weiter zu reduzieren.

 

 

Oktober 2020: Luchs auf Roter Liste als „Vom Aussterben bedroht“

 
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat kürzlich die Rote Liste der Säugetiere neu aufgelegt. Der Luchs ist darin als „Vom Aussterben bedroht“ eingestuft. Das ist eine Verschlechterung im Vergleich zur Roten Liste vom Jahr 2009, als der Luchs „stark gefährdet“ eingestuft war. „Vom Aussterben bedroht“ trägt der schlechten Bestandssituation und Bestandsentwicklung beim Luchs in Deutschland Rechnung. In keinem seiner Vorkommensgebiete gibt es Bestände mit deutlichen Zunahmen. Vom Harz aus breiten sich einzelne Luchse zwar aus und auch das 2016 gestartete Wiederansiedlungsprojekt im Pfälzerwald trägt deutschlandweit gesehen zu einer leichten Zunahme der Individuenzahlen bei. 
 
Die Gefährdungsursachen sind vielfach bekannt. Sie hängen immer mit den Nutzungsaktivitäten der Menschen zusammen: Wildunfälle, illegale Tötungen oder Fragementierung von Lebensräumen durch Verkehrs- und Siedlungsachsen, so dass die Vernetzung der bestehenden Vorkommen behindert oder unmöglich ist. Das alles hat Folgen für die Überlebensfähigkeit der Luchspopulationen: Sie bleiben klein und isoliert. Und sie sind damit stark inzuchtgefährdet.
 
Es liegt auf der Hand, wo angesetzt werden muss: Von alleine geht nichts, nur Zuschauen und Warten bis der Luchs es vielleicht von alleine schafft, reicht nicht mehr aus. Der Luchs braucht aktive Hilfe und Unterstützung, wie eine aktive Bestandsstützung in Bayern! Hierfür müsste aber erstmal der Managementplan Luchs geändert und neu aufgelegt werden… Projekte wie im Pfälzerwald oder im Steinwald zeigen jedenfalls, wie es gehen kann. Viel mehr solcher Projekte sind in Zukunft notwendig, um den Luchs auch für nachfolgende Generationen in Deutschland zu erhalten! 
 

 

Nachwuchs

 

Lkr. Tirschenreuth, Steinwald, 23.10.2020: Luchsweibchen „Fee“ mit 3 Jungtieren, Steinwald (Wildkamera). Muttertier aus Population Bayerischer Wald: verwaist aufgefunden und gesundgepflegt, um 2016 im Steinwald wieder freigelassen zu werden. Vatertier vermutlich Luchsmännchen aus Harzer Population: „Iwan“. Dieser machte seinem Namen alle Ehre: „Ivan, der Schreckliche“ verletzte Luchs „Hotzenplotz“ (ebenfalls Waise aus dem BW) bei Revierkämpfen so schwer, dass dieser an seinen Verletzungen im März 2019 starb. Ivan zeigte sein Territorialverhalten auch dadurch, dass er Hauskatzen angriff. Fee und Iwan waren zur diesjährigen Paarungszeit die einzigen Luchse im Steinwald und gelten als die Eltern der Jungtiere. Es sind die ersten Nachkommen zweier unterschiedlicher Luchspopulationen in Deutschland. Die Meldung des ersten Luchsnachwuchses im Steinwald wurde positiv aufgenommen. Die Güterverwaltung Friedenfels kündigte bereits an, zur Unterstützung der Luchsfamilie die Bejagung von Rehwild anzupassen.

 

Tot aufgefundene Individuen

 
Fichtelgebirge im Steinwald, 23.10.2020: Jäger erschoss Kuder und erstattete Selbstanzeige, da er ihn mit einem Wildschwein verwechselt haben soll. Untersuchungen hierzu laufen. Das tote Luchsmännchen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der aus dem Harz zugewanderte Vater der Jungtiere.

 

 

Weitere Hinweise/Sichtungen

 

Fichtelgebirge, 14.08.2020: Jungluchs „Julchen“ war im Juli 2019 im Oberpfälzer Wald umherirrend aufgegriffen worden. Die wochenlangen Versuche, sie ihrer Mutter zurückzuführen waren nicht von Erfolg gekrönt. Weil sie noch so jung war (7-8 Wochen), war eine besondere Pflege und Fütterung notwendig. Sie behielt ihre bemerkenswerte Aversion gegenüber Menschen. Eine gute Voraussetzung, sie wieder in die Wildnis zu entlassen. In einem extra dafür errichteten Gehege im Forstbetrieb Fichtelberg wurde sie vor ihrer Wiederfreilassung einige Wochen eingewöhnt. 

 

Oberallgäu, Balderschwang, 18.03.2020: Im Naturpark Nagelfluhkette wurde ein Luchs durch eine Fotofalle erfasst. Dies ist der zweite Nachweis eines Luchses in den Allgäuer Alpen. Februar/März 2019, wurde ein Luchs ebenfalls bei Bad Hindelang abgelichtet. Aber festzustellen, ob es sich um dasselbe Individuum handelt, ist wegen der schlechten Bildqualität leider nicht möglich. Der Ursprung der Luchse liegt sehr wahrscheinlich in Vorarlberg, Österreich, wo 2017 erstmals eine Luchsfamilie mit 3 Jungtieren nachgewiesen wurde. Ende Februar 2020 tappte zudem im österreichischen Walsertal bei Buchboden ein Luchs in eine Fotofalle, rund 25 Kilometer Luftlinie südlich von Balderschwang. Gut möglich also, dass die Luchse Abkömmlinge dieser einen Vorarlberger Luchsfamilie sind.

 

Weitere Informationen zum Luchs in Bayern: www.luchsprojekt.de

 

 

Europäischer Braunbär (Ursus arctos arctos)

 

17.02.2020: Bestätigter Hinweis auf bayerischen Braunbären
 

Bestätigter Hinweis auf einen Braunbären durch Trittsiegel im Schnee (Quelle: Bayerisches Landesamt für Umwelt)

 

Im Februar hat ein Braunbär im Grenzgebiet zwischen Bayern und Tirol Trittsiegel im Schnee hinterlassen. Die Spuren im Lkr. Garmisch-Partenkirchen wurden von einem Mitglied des Netzwerks Große Beutegreifer gemeldet.
 
2019 gab es Juni-Oktober mehrfach Nachweise eines Braunbären im Gebiet zw. Reutte (Tirol) und Lkr. Garmisch-Partenkirchen. Es ist möglich, dass alle Spuren von einem einzigen Tier stammen. Der Bär verhielt sich sehr scheu und unauffällig. Behörden, Interessenverbände und Vertreter von Nutztierhaltern wurden informiert. Bayern ist mit einem Managementplan auf diese Situation vorbereitet.

 

Bärige FAQs:
So ist es bei Aufenthalten in der Natur z.B. auf einem Wanderausflug wichtig, sehr genau darauf zu achten, in der Natur keine Essensreste und keinen Müll zurückzulassen. Die nächste Bärenpopulation befindet sich im italienischen Trentino, etwa 120 km von Bayern entfernt. Dort leben zurzeit etwa 60 Bären, mit leicht steigender Tendenz. Eine Bärenpopulation breitet sich nur sehr langsam aus. Es wird nicht davon ausgegangen, dass Bären sich in Bayern dauerhaft ansiedeln. Vor allem halbwüchsige Bärenmännchen bewältigen auf der Suche nach einem eigenen Territorium oft weite Strecken. Aus dem Kerngebiet nördlich des Gardasees wandern immer wieder einzelne Tiere in den nördlichen Alpenraum, wie 2016 nach Graubünden und Tirol oder 2006 nach Tirol und Bayern. Finden sie keine Partnerin, kehren sie in der Regel wieder an ihren Ursprungsort zurück.

 

Autorin Franziska Baur mit einem der führenden Wissenschaftler der großen Beutegreifer in Bayern: Dr. Marco Heurich – und dazwischen ein nicht mehr so lebendiger Zeitgenosse, ein Braunbär.

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Der erste Bayerische Luchsprozess – Chance oder Fail?

Luchsprozess Regenburg Gericht

von Franziska Baur

Präzedenzfall für künftigen Umgang mit illegalen Tötungen geschützter Wildtiere: Urteil mit Geldstrafe für 54-jährigen Jäger wegen Besitz einer illegalen Waffe (Nachtsicht-Zielgerät) und dem vorsätzlichen Nachstellen einer streng geschützten Tierart. Am Amtsgericht Cham fand am 12.09.2019 der langerwartete Prozess gegen den Angeklagten statt und für schuldig befunden. Ein Geständnis blieb aus und die Beweislage war leider auch dünn. Somit wurde er lediglich zu einer Geldstrafe über 3.000 € verurteilt plus Verfahrenskosten unbekannter Höhe. Weiterhin musste er alle Waffen abgeben, sowie seinen Jagdschein und Waffenbesitzkarte.

Wie kam es zum ersten Bayerischen Luchsprozess?

Ein Mitarbeiter des Luchsprojektes Bayern entdeckte im Mai 2015 bei Kaitersberg (Lamer Winkel) vier abgetrennte Luchsvorderläufe in der Nähe von Fotofallen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Pfoten absichtlich als Provokation platziert wurden. Der DNA-Abgleich am Berliner Leibniz Institut für Zoo- und Wildtierforschung und am Gelnhausener Senckenberg Institut für Wildtiergenetik belegte: Die Extremitäten stammten von den Bayerischen Luchsen „Leo“ und „Leonie“. Auf einen der Luchse war laut Gutachten zwei Monate vor seinem Tod zweimal geschossen worden. Die streng geschützten Tiere waren Hoffnungsträger der dortigen Luchspopulation. Sie hatten sich im Lamer Winkel angesiedelt und war innerhalb des Monitorings anhand von Wildkameras regelmäßig identifiziert worden. Der Lamer Winkel im nördlichen Bayerischen Wald ist eine beliebte Urlaubsregion und gleichzeitig ideales Luchsgebiet – nur leider verschwinden die ansässigen Luchse dort regelmäßig spurlos. Man spricht vom „Bermudadreieck der Luchse“. 14 Tiere waren es seit 2010, deren Spuren sich verloren und sechs in ganz Bayern, die nachweislich Opfer illegaler Tötungen wurden. Unter ihnen der am Straßenrand gefundene Jungluchs bei Schönberg. Forensische Untersuchungen belegten eindeutig: die Todesursache war nicht der Verkehr, sondern er wurde auf bestialische Weise stranguliert. Weitere Opfer sind eine mit drei Jungen trächtige Luchsin, die in der Nähe von Bodenmais mit Schrot erschossen wurde (2013), eine besenderte Luchsin („Tessa“) bei Rinchnach, nachdem sie von einem mit Carbofuran vergifteten Rehkadaver gefressen hatte (2012), und zu guter Letzt „Alus“, welcher 2017 kopflos im Saalachsee aufgefunden worden war – erschossen und von Menschenhand verstümmelt.

Tessa

„Tessa“ (2012)

Da die zuständigen Beamten des Polizeipräsidiums Oberpfalz, PI Bad Kötzting, im Falle „Leo und Leonie“ lange im Dunkeln tappten, lobte die damalige Umweltministerin Scharf im März 2016 10.000 € Belohnung aus, für sachdienliche Hinweise. Die Forderungen von Naturschutzverbänden nach konsequenteren Strafverfolgungen nahmen zu, nicht zuletzt durch die Tagung „Naturschutzkriminalität stoppen!“ im Bayerischen Wald Ende 2015, bei welcher der Grundstein für eine neuartige Kooperation von Naturschutzorganisationen und Polizei gelegt wurde. Die bis dahin eher schleppende strafrechtliche Verfolgung solcher Fälle wurde neu strukturiert, ein polizeiinternes Handlungspapier entwickelt und Beamten auf allen Ebenen wurden fachlich fortgebildet.

Polizei und Staatsanwaltschaft (Regensburg: Oberstaatsanwalt Pfaller) leisteten im Falle Leo und Leonie beachtlich aufwändige Ermittlungen. Zunächst wurde gegen Unbekannt ermittelt; nach Eingang von Hinweisen gegen einen beschuldigten Jäger wegen Verdacht auf Jagdwilderei, sowie wegen Verstößen gegen Bundesnaturschutz- und Tierschutzgesetz. Bei einer Hausdurchsuchung in Lohberg, Lkrs. Cham im Dezember 2016 fand man Luchstrophäen (2 Ohren, 5 Krallen), Lebendfang-Luchsfallen, Munition im Kaliber 22 lfB (lang für Büchsen), ein Wurfstern und Nachtsicht-Zieleinrichtungen (Nachtsichtgerät mit Aufsetzvorrichtung auf das Zielfernrohr).

Im Februar/März 2019 wurde das Ergebnis äußerst schwieriger Ermittlungen veröffentlicht: Beim Vergleich zwischen den in den Luchskadavern aufgefundenen Projektilfragmenten und der sichergestellten Munition des Jagdberechtigten konnte keine Übereinstimmung festgestellt werden. Ebenso wenig zeigte die Vergleichsuntersuchung der aufgefundenen Luchsbeine, mit den beim Beschuldigten sichergestellten Luchspfoten und -ohren, Übereinstimmung. Die DNA wurde mit der tschechischen Luchs-Datenbank abgeglichen. Außerdem gab es ein aufwendiges ballistisches Gutachten zu den Geschosspartikeln. Diese Untersuchung ging weit über das Übliche hinaus: Experten vom Bayerischen LKA führten eine Blei-Isotopen-Analyse durch. Weiterhin wurden Schmauchspuren und Tierhaare an der Lebendfalle untersucht.

Dem Beschuldigten konnte eine Beteiligung an dem Fall „Leo und Leonie“ oder deren Tötung nicht nachgewiesen werden. Somit wurde das Ermittlungsverfahren gemäß §170 Absatz 2 StPO mangels Tatnachweis eingestellt, ebenso die Ermittlungen wegen Tötung des anderen Luchses, dessen Pfoten und Ohren man bei der Hausdurchsuchung entdeckt hatte. Nicht beweisen konnten die Behörden weitere illegale Wildtier-Tötungen, die er gegenüber einem Zeugen behauptet hatte. Konkrete Ereignisse konnten mangels Geständnis, geeigneter Spuren und Beweismittel nicht mit der notwendigen Sicherheit – im Hinblick auf Tathandlung, Tatzeit und Tatort – festgestellt werden.

Die Anklage

Aufgrund der bei der Durchsuchung sichergestellten Beweismittel erhob die Staatsanwaltschaft Regensburg dennoch Anklage gegen den tatverdächtigen Jäger. Dem Beschuldigten wird in der Anklageschrift der vorsätzliche Besitz zweier verbotener Waffen zur Last gelegt: Nachtsicht-/zielgerät und Wurfstern. Zum anderen die in einem Waldgebiet (Eigenjagdrevier des Beschuldigten) aufgefundene Lebendfalle. Aufgrund der an der Falle gesicherten Spuren und weiterer Beweismittel besteht nach Auffassung der Staatsanwaltschaft der hinreichende Verdacht, dass der 53-Jährige mit Hilfe dieser Falle Luchsen nachstellte und im Zeitraum zwischen Juni 2014 und September 2016 mindestens einen Luchs fing, welchen er anschließend mit einer Kurzwaffe des Kalibers .22 oder .347 Magnum tötete. Die Staatsanwaltschaft legt dem Beschuldigten deshalb in ihrer Anklageschrift auch das vorsätzliche Nachstellen und Töten eines wildlebenden Tieres einer streng geschützten Art, strafbar nach dem Bundesnaturschutzgesetz, zur Last. Dem Mann wird ein Vergehen nach §71 des Bundesnaturschutzgesetzes vorgeworfen. Der mögliche Strafrahmen für die beiden Anklagepunkte liegt bei einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.

 

Die schwierige Rückkehr der Luchse nach Bayern

Durch Bayerns Wälder streifen derzeit etwa 70 Luchse (inkl. Jungtiere), das Hauptverbreitungsgebiet liegt im Bayerischen Wald. Deutschlandweit sind wir bei ca. 135 Tieren (Bayern, Harz, Rheinlandpfalz). Nicht nur illegale Abschüsse machen es den Pinselohren in Bayern schwer, auch der veraltete Managementplan von 2008 lässt keine aktive Wiederansiedlung zu – um den fragilen Bestand aufzufrischen. Dabei sollten Luchse zu den beliebtesten Tieren der Welt gehören: Sie haben den Charme aller Katzen, sind grazil, hübsch anzuschauen und für den Menschen ungefährlich. Dass sie um 1900 herum trotzdem in West- und Südeuropa praktisch ausgerottet waren, lag in erster Linie an der damaligen Haltung gegenüber großen Beutegreifern. Dass sie es heute noch immer nicht schaffen, in ihre angestammten Lebensräume zurückzukehren, liegt hauptsächlich an einigen wenigen schwarzen Schafen, die sie illegal – teils auf sehr grausame Art und Weise – töten. In ganz Europa dürfte es ca. 10.000 Luchse geben, die meisten davon in Skandinavien und Osteuropa. Kleinem isolierte Populationen in Mitteleuropa, wie z.B. in den Schweizer Alpen, stammen allesamt aus Wiederansiedlungen, mit denen in vielen Ländern ab den 1970er-Jahren begonnen wurde. Bayern profitierte diesbezüglich von den Bemühungen Tschechiens, das in den 1980er-Jahren auf seiner Seite des Böhmerwaldes 17 Luchse auswilderte. Da die Tiere ein großes Streifgebiet beanspruchen, sich aber nicht an Landesgrenzen halten, ist das bayerisch-tschechisch-österreichische Grenzgebiet, also der Bayerische Wald und der südliche Oberpfälzer Wald, bis heute das Areal mit den meisten Luchssichtungen hierzulande. Insgesamt wird die Bayerisch-Böhmisch-Österreichische Population auf 110 Tiere geschätzt. Jedoch wäre es dringend an der Zeit den Bestand mit „frischem Blut“ aufzufrischen, um die genetische Diversität zu verbessern. Ein Blick zu unseren österreichischen Nachbarn lehrt uns: 2011/12 wurden dort drei Tiere aus der Schweiz angesiedelt, um den Bestand im Nationalpark Kalkalpen zu stützen. Dies führte zu Nachwuchs, aber 2015 brach der kleine Bestand wieder aufgrund zweier illegaler Abschüsse ein. Das verantwortliche Jägerehepaar musste für sein verbotenes Jagdvergnügen jeweils 12.000 Euro Schadensersatz zahlen. Um den Verlust auszugleichen, wurden zwei neue Luchse in den Kalkalpen angesiedelt. Jetzt hofft man wieder auf Nachwuchs.

Illegale Abschüsse sind das, was die Rückkehr des Luchses am meisten behindert – bei den geringen Stückzahlen ist jedes getötete Tier ein Verlust, der schwer auszugleichen ist. Zudem mangelt es an einem bundesweiten und länderübergreifenden Management: „Bayern tut definitiv zu wenig für die Wiederansiedlung“, ist Franziska Baur überzeugt. Die Gregor Louisoder Umweltstiftung und der Landesbund für Vogelschutz e.V. fordern daher das gezielte Freisetzen von Luchsen in geeigneten bayerischen Mittelgebirgen und im bayerischen Alpenraum, sowie Ersatzfreilassungen für illegal zu Tode gekommene Tiere, wie z.B. Alus im Grenzgebiet Bayern und Österreich. „Der veraltete Managementplan Luchs von 2008 muss geändert werden, um dies zu legalisieren“, plädiert Baur. Auch der Kampf gegen die illegale Jagd müsse weiterhin aufrecht gehalten werden und darf nicht einschlafen. Jedem verurteilten Täter muss mindestens der Jagdschein und die Waffenbesitzkarte entzogen werden. Wir fordern: „Nach den umfassenden Bekenntnissen von Polizei, Innenministerium und Staatsanwaltschaft müssen jetzt Taten folgen und Anschluss an internationale Standards bei Prävention und Verfolgung von Naturschutzkriminalität gefunden werden.“

 

Konflikt zwischen Jägerschaft und Naturschutz

Die Auseinandersetzung um das Schalenwild ist laut Dr. Angela Lüchtrath ein Ersatzkrieg zwischen Jägerschaft und Naturschutz. Lüchtrath (2011) erklärt dies damit, dass die Jägerschaft gegenüber dem Naturschutz viel Einfluss verloren hat, dass ihre positive Rolle in der Kulturlandschaft in Frage gestellt wird, und dass ihr immer mehr Kompetenzen entzogen werden. In diesem Konflikt sei der Luchs zu einer Ikone des Naturschutzes geworden (Schraml & Heurich 2016). Die Jäger sähen im Luchs den „Handlanger“ einer Forstpolitik, die gegen ihre Interessen gerichtet sei. Mit der Ablehnung oder gar Tötung dieser Ikone träfen die Jäger das andere Lager (Forst und Naturschutz) insgesamt.

 

Über den aktuellen Luchsprozess hinaus – Studie zu illegalen Tötungen

Eine wissenschaftliche Studie von Heurich (2018) hat alle verfügbaren Daten des Luchsmonitorings ausgewertet und ist zu dem ernüchternden Ergebnis gekommen, dass das Vorkommen von Luchsen mit wachsender Entfernung von den Grenzen des Schutzgebietes rapide abnimmt, obwohl zahlreiche günstige Luchshabitate wie der Lamer Winkel existieren. Die Luchse schaffen es also nicht, die Lebensräume zu besiedeln, die ihnen zur Verfügung stehen. Anders als bei Wölfen gibt es bei Luchsen keine innerartliche Aggression, auch der Straßenverkehr fällt als Todesursache kaum ins Gewicht. Neben der normalen Jungensterblichkeit ist daher die illegale Tötung der entscheidende Faktor, der die fragile bayerisch-tschechische Luchspopulation limitiert.

Dennoch hat der öffentliche und strafrechtliche Druck der letzten Jahre, das Medieninteresse und das wachsende Bewusstsein der Bevölkerung für die heimische Artenvielfalt Wirkung gezeigt. Derzeit gibt es die meisten Luchse seit ca. 200 Jahren und darüber sind wir mehr als glücklich! Dennoch bleibt der kritische Erhaltungszustand dieser Tierart bestehen und unser Ziel ist, eine stabile, gut vernetzte Population, welche langfristig in ihrer ursprünglichen Heimat überleben kann.

 

Was kommt nach dem Luchsprozess?

Projektstart: Tatort Natur – Naturschutzkriminalität stoppen!

Gregor Louisoder Umweltstiftung und Landesbund für Vogelschutz e.V. schreiten bereits jetzt zur Tat und setzen die langgeforderte Dokumentation aller bekannten Fälle um und bieten eine neue Informations- und Melde-Plattform: www.tatort-natur.de (im Aufbau!). Dort finden Sie eine Karte mit den Hot Spots illegaler Tötungen, spannende Tierportraits, Checklisten und jede Menge Hintergrundinfos zu dem wichtigen Thema „Naturschutzkriminalität“.

Das Kooperationsprojekt „Tatort Natur“ ruft auf: „In den vergangenen Monaten wurden in Bayern mehrere eklatante Fälle von Naturschutzkriminalität bekannt. Wer draußen in der Natur unterwegs ist und auf verdächtige tote Tiere stößt, den rufen wir dazu auf: Nichts anfassen, alles dokumentieren, umgehend die Polizei rufen, sowie eine Meldung auf www.tatort-natur.de abgeben.“

Aussichten für die Zukunft

Wünschenwert ist, dass wir unsere heimische Natur wieder wertschätzen lernen und wir sind mit der derzeitige Bewegung – Volksbegehren Artenvielfalt, Fridays for Future – auf einem guten Weg. Typischerweise finden wir oft die exotischen Tiere besonders anziehend und schützenswert – Elefant, Tiger oder Delfine.Dass wir mindestens genauso faszinierende Tiere direkt vor unserer Haustür haben, vergessen viele. Diese Tiere brauchen ebenfalls unseren Schutz, unsere Wertschätzung, und zwar wegen ihres Eigenwerts und ihrer puren Daseinsberechtigung. Ja, sie haben einen ökologischen Wert und eine wichtige Rolle im System, aber in erster Linie sind es Lebewesen – wie wir Menschen – welche ein Recht darauf haben, hier in Bayern in Ruhe leben und ihre Jungen großziehen dürfen.

Es ist zu hoffen, dass die pure Lust am Töten, das Loswerden von unerwünschten Jagdkonkurrenten und das Sammeln von Trophäen denjenigen vermiest wird, die sich bisher keine Konsequenzen erwarten. Da das Töten seltener, geschützter Wildtiere zum absoluten Tabu in der Gesellschaft erklärt wurde, wird es auch immer weniger Publikum zum stolzen Präsentieren seiner Taten geben. Schwarze Schafe und Einzeltäter wird es vermutlich immer geben und hier muss ein adäquates Strafmaß konsequent umgesetzt werden – und Anschluss an internationale Standards gefunden werden, wo wir momentan EU-weit in Sachen Verfolgung von Wildtierkriminalität (u.a. mit hochausgebildeten Anti-Wilderer Einheiten) eine der Schlusslichter sind.


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Luchsnachweis im bayerischen Alpenraum

Nach längerer Pause wurde wieder ein Luchs im bayerischen Alpenraum abgelichtet. Diesmal im Forstbetrieb Sonthofen.

Luchsnachweis: Im Forstbetrieb Sonthofen, am südwestlichsten Eck Bayerns, wurde mit einer Wildkamera im Februar ein Luchs abgelichtet. Damit konnte nach langer Zeit wieder diese schöne Wildkatze im bayerischen Alpenraum nachgewiesen werden.

Luchsnachweis -  (Foto: Kai Bomans)
Das offizielle Fotofallenbild des gesichteten Luchses (Foto: Kai Bomans/Bayerische Staatsforste)

Leider sind Luchse im bayerischen Alpenraum noch selten. Für die Alpenpopulation kommt aber auch Bayern eine wichtige Bedeutung als Lebensraum und Trittstein zur Vernetzung der einzelnen Vorkommen in der Schweiz, Österreich, Italien und Slowenien zu. Seit Jahren fordert die Gregor Louisoder Umweltstiftung die Verantwortung in Bayern wahr zu nehmen und dem Luchs auch in dieser Region auf die Beine zu helfen. Dringend notwendig ist die Überarbeitung des Managementplans Luchs. Dieser besteht seit 2008. „Dass hier keine aktuellen Entwicklungen berücksichtigt werden, zeigt allein der Blick auf das Erscheinungsjahr“, kritisiert Stefanie Morbach, Projektleiterin bei der Gregor Louisoder Umweltstiftung. „Im Bayerisch-Böhmisch-Österreichischem Grenzgebiet läuft das Luchs-Monitoring sehr gut. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bayern auch für andere Lebensräume eine Verantwortung trägt und aktiv werden muss.“
Gezielte Bestandsstützung und Wiederansiedlungsprojekte müssen durch einen neuen Managementplan möglich werden. Die Auswirkungen eines kleinen Genpools sind noch nicht klar. Dennoch ist jeder Art der Wanderbewegung und des genetischen Austauschs zu fördern.

Luchsnachweis
Luchsnachweis im Fortsbetrieb Sonthofen, hier ein Symbolfoto eines Luchses

Auch die Schweizer Luchsforscherin Anja Molinari freut sich über die Fotofallenaufnahme: „Im November 2017 wurden fünf Luchse, darunter 3 Jungtiere, in Vorarlberg etwa 50-60 km vom jetzigen Aufnahmeort entfernt, gefilmt. Am wahrscheinlichsten ist wohl, dass es sich um eines dieser Jungen handelt.“ Molinari begleitet seit Jahren die Entwicklung der Luchse im Alpenraum. Sie koordiniert und sammelt die Monitoring-Daten aller Länder, um einen Überblick der gesamten Alpen-Population zu bekommen. „Die aktuelle Aufnahme zeigt, dass eine Besiedlung des Bayerischen Alpenraums, sowohl von Vorarlberg, als auch von den Südostalpen her möglich wäre.“ Über geeignete Fotofallenaufnahmen könnte festgestellt werden, ob das Tier schon bekannt ist und woher es tatsächlich kommt. Aussagen dazu liegen uns derzeit nicht vor.

Der zuletzt nachgewiesene Luchs im Bayerischen Alpenraum namens Alus war seit 2015 im Grenzgebiet Berchtesgaden-Salzburger Land unterwegs. In guter Kooperation mit den Bayerischen Staatsforsten führte die Gregor Louisoder Umweltstiftung ein Fotofallenmonitoring durch und konnten den Kuder über mehrere Monate hinweg dokumentieren. Alus wurde im September 2017 ohne Kopf und Vorderläufe aufgefunden. Er wurde illegal getötet.

Hier weitere Infos zum Luchsnachweis:
Pressemitteilung Bayerische Staatsforste
Video Luchse in Vorarlberg 2017


Unsere Autoren


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Unterwegs im Luchsrevier – Filme für die Umweltbildung

Premiere für unsere neuen kostenlosen Filme für die Umweltbildung!

Unterwegs im Luchsrevier - Filmpremiere

Ein herzliches Dankeschön an den Nationalpark Bayerischer Wald, an unsere super Protagonisten Dr. Marco Heurich, Laura Hollerbach & Maple und an den Filmemacher Andreas Kastiunig (www.stube1.de)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die neuen – kostenlos verfügbaren – Kurzfilme zeigen Luchsforscher bei der Arbeit und werben für den Schutz von Deutschlands Luchsen.
Und dies zeigen unsere drei neuen Luchsfilme aus der Reihe „Unterwegs im Luchsrevier“: In zwei der drei Kurzfilme begleiten wir den bekannten Luchsforscher Dr. Marco Heurich durch den Nationalpark Bayerischer Wald und lernen, wie man Tierspuren im Schnee erkennt und mit Hilfe von Fotofallen die Verbreitung und Zahl der Luchse ermittelt.

Ein weiterer Film aus unserer Reihe „Unterwegs im Luchsrevier“ zeigt Laura Hollerbach und Labradorhündin Maple vom Senckenberg Institut wie sie gemeinsam Losungen von Wildtieren suchen, um sie genetisch untersuchen zu lassen. Der Kurzfilm mit dem Thema „Luchslosung“ soll folgende Fragen beantworten und die Basis für entsprechende Einheiten in Unterricht und Umweltbildung legen: Wie erkenne ich Luchslosung? Aussehen? Bestandteile? Zusammensetzung? Konsistenz? Verwechslungsgefahr mit anderen Losungen? DNA Analyse im Labor? Was kann uns die Losung alles über den Luchs verraten?

Claus Obermeier, Vorstand der Gregor Louisoder Umweltstiftung und Leiter des Projektes zur Premiere: „Faszinieren und begeistern statt belehren, Dialog und eigene Willensbildung unterstützen statt eigene Ideologien aufdrängen, fachübergreifendes Netzwerkwissen vermitteln – diese anspruchsvollen Aufgaben hat der Naturschutz in einer demokratischen und offenen Gesellschaft heute. Mit den neuen Kurzfilmen „Unterwegs im Luchsrevier“ leisten wir dazu einen Beitrag, der sich optimal mit unseren umfangreichen Projekten im Luchsschutz verzahnt. Mit dem Kurzfilmportal Umweltbildung schließen wir eine echte Lücke. Gerade weil viele im Onlinebereich und in den sozialen Netzwerken eher auf Produktwerbung, Spendengewinnung und flaches Entertainment setzen, ist es eine große Herausforderung, hier etwas entgegenzusetzen. Hierzu sind neben der fachlichen Qualität und exzellenter Filmtechnik auch umfassende kommunikative Kompetenzen erforderlich“.

Die neuen Kurzfilme sind kostenlos für Unterricht, Umweltbildung und alle Naturfans unter www.filme-umweltbildung.de zu finden, dort können sie auch für eigene Einsatzzwecke heruntergeladen werden – ein tolles Angebot für Biologielehrer, Naturführer und Jugendgruppenleiter, zur eigenen Fortbildung und zum direkten Einsatz mit Schülern und Teilnehmern.


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Ulrich Wotschikowsky erhält Förderpreis Wilde Alpen

Ein Artikel von Claus Obermeier anlässlich der Verleihung des Förderpreises „Wilde Alpen“ 2018 an Ulrich Wotschikowsky.

Förderpreis Wilde Alpen an Ulrich Wotschikowsky

Von links nach rechts: Bernd Louisoder, Ulrich Wotschikowsky, Claus Obermeier

Die Alpen und auch die bayerischen Gebietsanteile waren und sind für das Überleben zahlreicher bedrohter Tier- und Pflanzenarten in Europa von zentraler Bedeutung. Das Wortspiel „Wilde Alpen“ für unseren neuen Förderpreis soll dabei die ganze Breite der Debatte spiegeln: Denn die Alpen sind in den allermeisten Bereichen nicht Wildnis, sondern eine jahrtausendalte Kulturlandschaft mit einer langen Tradition der Koexistenz von Menschen, alpiner Land- und Viehwirtschaft und Wildtieren – sicher auch früher nicht ohne Konflikte – aber auch ohne die vollständige Ausrottung von tierischen Konkurrenten. Erst vor kurzer Zeit wurde aber dort alles, was irgendwie, irgendwen, aus irgendwelchen Gründen störte oder sich nicht (ausreichend) rentierte, aufgegeben oder entfernt: Adler, Luchse, Bären, aber auch traditionelle Wirtschaftsformen und altes Kulturgut wie lokale Nutztierrassen, der Schutz der Herden mit lokalen Schutzhundezuchten und entsprechend fachkundigen Hirten.

Manche Wildtierarten haben sich aber aufgrund strenger nationaler und internationaler Schutzgesetze erholt und sind wie wie der Steinadler in ihre ursprüngliche Heimat zurückgekehrt, andere stehe in den Startlöchern. Beim Luchs ist es leider noch nicht so weit. Die Einwanderung oder gezielte Wiederansiedlungsprojekte für diese diese faszinierenden Tierart in ihrer ursprünglichen Heimat bieten die einmalige Chance, Anschluss an die internationalen Bemühungen zum Schutz des Naturerbes zu finden.

Ulrich Wotschikowsky erhält daher den ersten Förderpreis in der für die Premiere ausgeschriebenen Kategorie Luchsschutz. Wie kaum jemand meldet er sich seit vielen Jahren kompetent und engagiert zu Wort, um eine Rückkehr dieser europaweit bedrohten Raubkatze auch nach Bayern zu ermöglichen und starre, festgefahrene Strukturen in Frage zu stellen, die das verhindern. Dabei scheut er nicht, politische Defizite und teilweise haarsträubende naturschutzfachliche Fehler von Bedenkenträgern aufzudecken und mit wildbiologischer Kompetenz und großem Engagement zu kontern. Als passionierter Jäger und Verfechter einer modernen, an heutigen gesellschaftlichen und ökologischen Anforderungen ausgerichteten Jagd ist er eine der wenigen Personen, die mit Positionen und Argumenten auch bei Jägern, Jagdgenossenschaften und Waldbauern gehört und respektiert wird – eine zwingende Voraussetzung zur Akzeptanzbildung für diese Art außerhalb der engeren Naturschutzszene.

BAYERN WILD TV: Anlässlich der Preisverleihung „Wilde Alpen“ gab Ulrich Wotschikowsky ein Interview über sein langjähriges Engagement für Bayerns Luchse

So brachte er die seit vielen Jahren in Bayern auf Eis liegende Debatte um ambitionierte Luchsschutzprojekte mit seinem Statement „Lasst ihn wiederkommen“ bei der Podiumsdiskussion Luchs 2015 erstmalig wieder in Fahrt. Er scheute sich dabei nicht, den jahrzehntelange Stillstand bei diesem Thema klar auszusprechen und Ross und Reiter zu nennen.

Mit seinem im Anschluss für den Bund Naturschutz ausgearbeitetem Memorandum legte er für viele Jahre die fachliche und naturschutzpolitische Grundlage für den Luchsschutz in Bayern und setzt darin Maßstäbe, an denen sich Politik, Behörden, aber auch Naturschutzinitiativen messen lassen müssen.

Neben dem langjährigem und größtenteils ehrenamtlichen Engagement für den Luchs in Bayern meldet er sich auch bei anderen Themen zu Wort. Er ist einer der wenigen, die sich trauen und die nötige wildbiologische Kompetenz besitzen, um bei politisierten Wildtierthemen biologische Fakten und Wahrheiten (auch wenn sie für manche unangenehm sind) offen und ohne Blick auf Verbandsinteressen, romantische Verklärungen oder Wählerpotentiale vorzutragen. Das gefällt nicht jedem und muss es auch nicht, ist aber immer Grundlage für konstruktive und produktive Debatten.

Ob Wildtiere wie der Luchs bei uns leben dürfen, entscheiden in einer demokratischen Gesellschaft letztendlich wir alle. Voraussetzung dafür aber ist, dass es Menschen wie Ulrich Wotschikowsky gibt.

Hier finden Sie mehr Informationen zum Förderpreis Wilde Alpen.


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Luchse in Bayern: Schützen oder das Aussterben verwalten?

von Claus Obermeier, Vorstand der Gregor Louisoder Umweltstiftung.

Am 11.1.2018 stellen wir unser neues Umweltbildungsmaterial „Luchs in Bayern“ vor und laden zum Vernetzungstreffen Luchsschutz ein.  Zur Diskussion im Vorfeld eine Zusammenfassung unserer Erkenntnisse und Forderungen für Bayern aus den letzten Jahren.

Luchse in Bayern

Claus Obermeier (rechts) bei der Podiumsdiskussion Luchs

Unsere Position

Die bayerische Politik muss beim Luchsschutz Anschluss an die internationalen Bemühungen zum Schutz der Artenvielfalt finden. Es ist ein Armutszeugnis, wenn in Bayern ambitionierte Projekte zum Luchsschutz nicht vorankommen, während in unseren Nachbarländern engagiert am Aufbau überlebensfähiger Luchspopulationen gearbeitet wird und wir gleichzeitig von viel ärmeren Ländern gigantische Anstrengungen und wirtschaftliche Einbußen zum Schutz bedrohter Arten einfordern.

Aktuelle Einschätzung des Landesamtes für Umwelt

„In den 1980er Jahren wurden auf tschechischer Seite in einer offiziellen Aktion insgesamt 17 Karpaten-Luchse im Bereich des heutigen Sumava-Nationalparkes freigelassen. Ausgehend von diesem Grundstock hat sich der Luchs seit Anfang der neunziger Jahre im bayerisch-böhmischen Grenzgebiet bis hinein ins österreichische Mühlviertel wieder etabliert. Heute existiert dort eine kleine, immer noch vom Aussterben bedrohte Population von ca. 60 bis 80 Tieren. Der Bestand ist durch ein intensives Monitoring gut überwacht. Er konzentriert sich auf die Hochlagen des Bayerischen Waldes und des Böhmerwalds. Die größte Bedrohung ist die illegale Tötung von Luchsen“ (Presseinfo LfU 21.12.2017).

Forderungen / Überblick Naturschutzkriminalität gegen Luchse in Bayern

Unsere bereits bekannten umfassenden Forderungen zum Thema „Naturschutzkriminalität“ (Resolution Naturschutzkriminalität): http://www.umweltstiftung.com/fileadmin/aktuelles/veranstaltungen/resolution-naturschutzkriminalitaet-stoppen-september-2015.pdf

Tod im Unterholz – unter diesem Titel fasst die Zeitschrift MUH die Geschichte der Luchstötungen zusammen und nennt Ross und Reiter (Vielen Dank für die Genehmigung zur Verwendung des Artikels): http://blog.bayern-wild.de/wp-content/uploads/2016/07/MUH-21-Luchsmorde-Der-Tod-im-Unterholz.pdf 

Unser Positionspapier „Luchsschutz im Bayerischen Alpenraum“ (Stand 2/2016):

Luchse in Bayern

Eines der letzten Fotofallenbilder von Alus.

Wir setzen uns insbesondere für eine umfassende Rückkehr des Luchses in die geeigneten Lebensräume in den bayerischen Alpen ein. Wir danken ausdrücklich für die engagierte Arbeit der Naturschutzinitiativen und Jagdverbände in den angrenzenden Alpenländern und deren umfassende Luchsschutzprojekte inkl. Bestandsstützung, die das möglich machen.
Bayern hat jetzt einen großen Nachholbedarf, um auch in den bayerischen Alpen kompetente und handlungsfähige Strukturen, hinausgehend über die Teilnahme an diversen Arbeitsgruppen, dazu zu schaffen.

 

Insbesondere müssen folgende Projektmodule umgesetzt werden:
I. Monitoring
II. umfassende Umweltbildung
III. umfassende Info- und Herdenschutzangebote für betroffene Zielgruppen (Gehegewildhalter etc.)
IV. umfassende Beratungsangebote für den Bereich Jagd
V. umfassende Fortbildung und Sensibilisierung der Polizeibehörden gegenüber Straftaten.
VI. Soll der Alpenraum wieder dauerhaft mit einer stabilen Luchspopulation besiedelt werden, werden bestandsstützende Wiederansiedlungsmaßnahmen auch in Bayern unumgänglich sein, wie sie seit geraumer Zeit gefordert, auch in Bayern geplant und seit den 1970er Jahren beispielsweise in der Schweiz, Slowenien, Österreich, Frankreich, Italien geschehen sind.

Alle Aktivitäten sollten mit den Luchsprojekten in den angrenzenden Alpenländerniv umfassend koordiniert und vernetzt werden, um langfristig eine vitale und überlebensfähige Alpenluchspopulation zu erreichen. Die einzelnen Subpopulationen des Alpenraumes sind weit voneinander entfernt und aufgrund von menschlichen Wanderbarrieren (Autobahnen etc.) sowie natürlichen Wanderhindernissen (große Flüsse) kaum vernetzt.

Luchse in Bayern: Lasst den Luchs wiederkommen

Einleitend zur Podiumsdiskussion „Luchstötung“ im Museum Mensch und Natur in München am 06.10.2015 hielt Wildtierbiologe Ulrich Wotschikowsky ein Plädoyer – für den Luchs, für eine gute Zusammenarbeit zur Erhaltung der Luchspopulation in Bayern… Der Beitrag wurde damals bereits im blog veröffentlicht, wegen der aktuellen Bedeutung nehmen wir ihn hier noch mal 1:1 auf.

„Man hat mich gebeten, Sie auf den Luchs einzustimmen. Also erzähle ich Ihnen eine Geschichte von großen Hoffnungen und noch größeren Enttäuschungen. Die Geschichte beginnt mit dem Jahr 1970 – jeder weiß: Damals wurde im Bayerischen Wald der erste deutsche Nationalpark ins Leben gerufen. Und da fielen gleich ein paar Luchse vom Himmel. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Es war ja auch nicht böse gemeint, aber halt nicht so richtig legal. Das haftet dem Luchs bis heute noch an, nach 45 Jahren.

Luchse in Bayern

Ulrich Wotschikowsky bei der Podiumsdiskussion Luchs 2015.

Diese Wiederansiedlung im Bayerischen Wald und kurz vorher in der Schweiz lösten eine regelrechte Luchseuphorie aus mit zahlreichen naiven Wiederansiedlungsvorhaben, aber auch einigen ernsthaften Initiativen, zum Beispiel im Schwarzwald von Seiten der Landesforstverwaltung, oder im Harz und im Pfälzerwald. Sie schliefen alle wieder ein. In den 1980er Jahren wurde die Wildbiologische Gesellschaft München sogar damit beauftragt, eine Empfehlung auszuarbeiten, wo – nicht: ob! – der Luchs in Bayern wieder angesiedelt werden sollte. Unsere Wahl fiel damals auf das Mangfallgebirge. Der Bund Naturschutz machte sich die Idee zu eigen, schlug allerdings den Nationalpark Berchtesgaden vor. Umweltminister Gauweiler signalisierte Zustimmung, aber die Almwirtschaft machte ihm klar: Ohne uns! Damit war auch diese Idee gestorben.

Mittlerweile avancierte Lynx lynx zu einem der besterforschten größeren Säugetiere. Wir erfuhren, dass ein Luchs nicht dreißig Quadratkilometer Lebensraum braucht, sondern das Drei- bis Zehnfache. Luchse sind also immer selten. Wir erfuhren, dass der Luchs hauptsächlich Rehe erbeutet, von denen wir mehr als genug haben. Wir erfuhren, dass der Luchs den Rehen nicht die Köpfe abschneidet und dass das Auerwild keine Rolle in seinem Nahrungsspektrum spielt. Wir erfuhren aus der Schweiz, dass er sich nur ganz selten an Schafen vergreift. Wir wissen heute sehr gut Bescheid über den Luchs. Wir brauchen keine weiteren Forschungsarbeiten, um abzuschätzen, was dieser Beutegreifer in unseren Wäldern anstellen wird: Herzlich wenig. Er wird weder die Jäger noch die Förster entbehrlich machen. Er wird den Jägern die Jagd nicht verderben und den Förstern bei der Schalenwildkontrolle kaum spürbar unter die Arme greifen. Und für die Weidewirtschaft ist der Luchs so gut wie irrelevant.

Es betrübt mich, dass sich diese Dinge bei den Betroffenen, also den Jägern und den Nutztierhaltern, einfach nicht rumsprechen. Das Bild des Luchses ist immer noch geprägt von Vorurteilen.

Im Jahr 2006 führte der kurze Auftritt des Bären JJ1 vulgo „Bruno“ zur Bildung einer Arbeitsgruppe Große Beutegreifer beim Umweltministerium. Ihre Aufgabe besteht darin, Managementpläne für die drei Großen Beutegreifer Bär, Luchs und Wolf in Bayern zu entwickeln. Das ist nicht eine Erfindung der Bayern, sondern Pflichtaufgabe, weil diese drei den Status von FFH-Arten haben. Sie sind Arten von prioritärem gemeinschaftlichen Interesse, und die Mitgliedsländer der EU sind verpflichtet, für einen günstigen Erhaltungszustand ihrer Populationen zu sorgen. Davon ist der Luchs im Bayerisch-böhmischen Grenzgebirge weit, weit entfernt. Es gibt also viel zu tun im Freistaat, möchte man meinen, um das zu verbessern.

Die Arbeitsgruppe Große Beutegreifer machte sich also an einen Managementplan Luchs, und dabei kam es zu einer Zerreißprobe. Wir wollten die Tür offen halten für eine Wiederansiedlung von Menschenhand für den Fall, dass der Luchs nicht auf natürlichem Weg zurückkehren würde – also in den Alpenraum und in den Mittelgebirgszug Spessart, Rhön, Frankenwald. Und auch eine eventuell notwendige Bestandsstützung im Bayerischen Wald wollten wir nicht kategorisch ausschließen. Aber die Nutzerfraktion in unserer Arbeitsgruppe, mit dem Landwirtschaftsministerium an der Spitze, wehrte sich entschieden dagegen, dass eine Wiederansiedlung auch nur angedacht wurde.

Nach stundenlanger anstrengender Diskussion – ich füge gerne hinzu: eine überaus seriöse Diskussion mit viel Respekt für die Argumente des jeweils anderen! – fanden wir dennoch eine Kompromissformel, der alle zustimmen konnten. Sie hieß: „In Bayern ist derzeit weder eine Aussetzung oder Ansiedlung noch eine Entnahme von Luchsen geplant.“ Das Wörtchen „derzeit“ hielt die Tür offen für eine spätere, luchsfreundlichere Entscheidung.

Aber oberhalb der AG Große Beutegreifer, in der etwa zwanzig Interessengruppen vertreten sind, gibt es noch eine Steuerungsgruppe. Sie besteht aus dem Umwelt- und dem Landwirtschaftsministerium, dem Bayerischen Bauernverband, dem Landesjagdverband, dem Bund Naturschutz in Bayern und dem Landesbund für Vogelschutz. Und diese Steuerungsgruppe hat dem Luchs diese Tür vor der Nase zugeschlagen. Sie hat das Wörtchen „derzeit“ aus dem Vorschlag der AG ersatzlos gestrichen.

Diese Steuerungsgruppe ist, soweit ich weiß, die einzige Empfehlung, die aus einem wildbiologischen Gutachten über den Luchs im Bayerischen Wald übernommen worden ist. Dieses Gutachten ist der Arbeitsgruppe von der Obersten Jagdbehörde – dem Auftraggeber – trotz energischer Nachfragen nicht zur Verfügung gestellt worden. Das „Nein“ zu dem Wörtchen „derzeit“ im Vorschlag der AG kam vom Bauernverband. Es erschließt sich mir nicht, was ausgerechnet den Bauernverband zu einem Votum pro oder contra Luchs qualifiziert. Der Landesjagdverband hat sich dem Contra angeschlossen. Wie sich die anderen vier Institutionen verhalten haben, vor allem die beiden Naturschutzverbände (nota bene: auch der Jagdverband ist ein anerkannter Naturschutzverband!) entzieht sich meiner Kenntnis. Wie sich das mit einem Demokratieverständnis in Einklang bringen lässt auch. Eine Rücksprache der Steuerungsgruppe mit der AG Große Beutegreifer gab es nicht, aber das ist offenbar auch gar nicht vorgesehen. Jedenfalls findet sich jetzt im Managementplan Luchs für Bayern ein Satz, der eine Wiederansiedlung von Menschenhand definitiv ausschließt, so lange dieser Plan gilt.

Das wäre alles nicht so schlimm, wenn der Luchs sozusagen an der Landesgrenze stünde und Einlass begehrte. Aber leider ist es so, dass der Luchs nicht von selbst nach Bayern zurückkommt. Lynx lynx der Eurasische Luchs ist kein guter Kolonisator. Statt sich auf weite Wanderschaft zu begeben, siedelt er sich lieber in unmittelbarem Kontakt zu seiner Ursprungspopulation an. Deshalb sind Hoffnungen auf eine natürliche Rückkehr des Luchses nach Bayern vergebens. Und wenn er denn käme – dann käme er nicht aus einer autochthonen, sondern aus einer von Menschenhand begründeten Population, zum Beispiel aus der Schweiz, aus dem Harz, aus dem Bayerischen Wald. Es geht daher kein Weg vorbei an der Einsicht: Wenn wir den Luchs haben wollen, müssen wir Hand anlegen.

Wir sind an dieser Stelle auf eine Doktrin gestoßen, die da heißt: „Wenn er von selber kommt – gerne. Aber nicht aussetzen!“ Ich habe das nie verstanden. Es ist eine inhaltslose Phrase. Ein Luchs ist ein Luchs ist ein Luchs – egal ob er auf eigenen Beinen kommt oder im Auto. Man kann sich diesen scheinbar freundlichen Spruch: „Ja, wenn er von selber kommt!“ ohne Risiko leisten, denn man weiß ja: Er kommt nicht „von selber!“ Aber mit Redlichkeit und Wahrhaftigkeit hat das nichts zu tun. Es ist nur scheinheilig.

Warum sperrt man sich so dagegen, dem Luchs bei seiner Rückkehr aktiv zu helfen? Warum soll dem Luchs nicht recht sein, was dem Lachs billig ist – die Wiederansiedlung dieser und so manch anderer Fischarten betreiben wir inzwischen mit einem Millionenaufwand und ich freue mich aus ganzem Herzen, dass wir das tun (auch wenn man den Lachs essen kann und den Luchs nicht unbedingt). Wir reparieren tagein, tagaus an einer Natur herum, der wir unendlich viele Elemente genommen haben – pflanzen zum Beispiel Tannen oder Laubbäume, wo welche hingehören, aber nicht mehr von selber kommen (das ist Wiederansiedlung, was sonst!), wir machen Bäche wieder krumm, die wir noch vor fünfzig Jahren mit Millionenaufwand gerade gemacht und einbetoniert haben. Leider setzen wir auch alle möglichen und einige unmögliche Fischarten in unseren Gewässern aus, bloß damit Angler ihrem Vergnügen am Fischen nachgehen können, und schaffen dort eine eigentümliche Form von „Biodiversität.“ All das ist ein weites Feld und natürlich zu umfangreich für heute Abend – eins aber ist sicher: Ein vernünftiges Argument gegen die Wiederansiedlung des Luchses in den bayerischen Waldgebieten lässt sich nicht finden.

Aber will man den Luchs im Freistaat Bayern wirklich haben? Ich kann das beim besten Willen nicht erkennen. Nein – man will große Beutegreifer in Bayern generell nicht haben, und das gilt auch und sogar für den harmlosen Luchs. Und weil das so ist, finden kriminelle Akte wie die Luchstötungen im Bayerischen Wald in einem Umfeld stillschweigender, augenzwinkender Zustimmung statt. Es wird sich doch einer finden, der uns das Problem vom Hals schafft!

Ich hoffe inständig, dass ich mich irre. Dann aber lasst uns doch endlich zur Tat schreiten. Versenken wir den Managementplan Luchs dort, wo er hingehört: in der Schublade. Bilden wir eine Initiative zur Wiederansiedlung des Luchses in den geeigneten Waldgebieten Bayerns. An der Spitze dieser Initiative wünsche ich mir – den Landesjagdverband. Wen denn sonst – keine andere Interessengruppe fühlt sich durch den Luchs so sehr betroffen! Keine kann von einem markanten Eintreten für diese faszinierende Tierart so viel an Ansehen gewinnen! Keine kann zu einem Erfolg mehr beitragen! (…)“

(Gastbeitrag von Ulrich Wotschikowsky anlässlich der Podiumsdiskussion 2015)


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Spektakuläre Ergebnisse im Fall Luchs „Leo“ monatelang geheimgehalten – hier finden Sie Antworten…

Von Franziska Baur

Anfrage im Mai 2017

Der Abgeordnete Nikolaus Kraus (FREIE WÄHLER) stellte bereits am 23.05.2017 eine schriftliche Anfrage an das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr bezüglich dem Stand der Ermittlungen bei den illegalen Luchtötungen im Bayerischen Wald, speziell zur gegen Ende 2016 stattgefundenen Hausdurchsuchung im Falle „Luchs Leo“ (dessen abgeschnittene Pfoten Mitte 2015 aufgefunden wurden).

Nach uns vorliegenden Informationen wurden Luchstrophäen, Luchsfallen und möglicherweise illegale Jagdausrüstung (Nacht-Zieleinrichtungen) bei einem Jäger im Lkrs. Cham gefunden. Trotz diverser Nachfragen (zuletzt gestern bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Regensburg) und Medienrecherchen wurden bisher keine Ergebnisse der Ermittlungen im Fall Leo inkl. der vor knapp einem Jahr (6.12.2016) durchgeführten Hausdurchsuchungen bei einem Jäger in Lohberg bekannt gegeben. Die Gründe sind für uns nicht nachvollziehbar und die Verschwiegenheit gegenüber der Öffentlichkeit nicht tolerierbar.

Nach Auskunft des Bayerischen Innenministeriums wurden Luchstrophäen (2 Ohren, 5 Krallen), Munition im Kaliber 22 lfB (lang für Büchsen), Lebend-Luchsfallen und möglicherweise illegale Jagdausrüstung (Nachtsichtgerät mit Aufsetzvorrichtung auf das Zielfernrohr) bei dem Jäger gefunden.

Warum wurde die Öffentlichkeit nicht über die spektakulären Funde bei Hausdurchsuchung informiert?

Dazu Claus Obermeier, Vorstand der Stiftung: „Nach den umfassenden Bekenntnissen von Umweltministerin Ulrike Scharf und des Innenministeriums müssen jetzt Taten folgen und Anschluss an internationale Standards bei Prävention und Verfolgung von Naturschutzkriminalität gefunden werden. Dazu gehört auch eine Information der Öffentlichkeit und Präventionsmaßnahmen wie Polizeikontrollen bei Gesellschaftsjagden.“


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